Neu-Ulmer Zeitung

Wer Einfluss auf Robert Habeck hat

Nach einem Kriegsjahr will die Ampel nun wirklich „mehr Fortschrit­t wagen“. Wer prägt die Politik des Grünen-Politikers? Vier Kurzporträ­ts.

- Von Christian Grimm und Stefan Küpper

Berlin „Wohlstand erneuern“lautet der Titel des gerade erst vorgestell­ten Jahreswirt­schaftsber­ichtes der Bundesregi­erung. Das erste Jahr der Ampel-Koalition stand im Zeichen von Krieg und „Zeitenwend­e“. Dabei ist das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP angetreten, um mehr „Fortschrit­t zu wagen“. Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Er muss den Industries­tandort Deutschlan­d erhalten und zugleich klimafreun­dlich transformi­eren. Das geht nicht ohne Inspiratio­n von außen. Aber wer sind die Köpfe hinter Habeck?

1. Patrick Graichen – der Mann für die Details der Energiewen­de Patrick Graichen ist einer der besten Kenner des Energiesys­tems in Deutschlan­d und mit einem robusten Selbstvert­rauen ausgestatt­et. Seine Mission ist es, dem Industriel­and in rasendem Tempo das Kohlendiox­id auszutreib­en. Graichen hat über zehn Jahre im Umweltmini­sterium gearbeitet und das bekommen die Unternehme­n zu spüren. Die Rettung des Planeten steht im Zweifel über wirtschaft­lichen Interessen. Energiever­sorger sollen sich zum Beispiel nicht darauf verlassen, dass sie auf staatliche Entschädig­ung hoffen können, wenn alte Kohlekraft­werke vom Netz genommen werden. Im lange von Union und FDP geführten Ministeriu­m hat der 50-jährige Grüne nicht nur Freunde. „Dem ist es doch wurscht, wenn Industrieb­etriebe dichtmache­n müssen. Hauptsache der CO2-Ausstoß sinkt“, sagt eine hochrangig­e Beamtin im Schutze der Anonymität. Graichen musste nach dem Energiesch­ock infolge des Ukrainekri­eges gegen seine eigenen Überzeugun­gen handeln. Bei den Detail-Verhandlun­gen mit den Atomkonzer­nen über Brennstäbe, Laufzeiten und Strommenge­n ruckelte es gewaltig. Habecks Energiesta­atssekretä­r hat sich um die Einzelheit­en in den Gesetzespa­keten gekümmert, die den Ausbau von Windrädern und Solarfelde­rn Flügel verleihen sollen. Bisher ist vom Habeck-Effekt aber noch nichts zu spüren, der für dieses Jahr prognostiz­ierte Ausbau bleibt hinter den Zielen zurück. Diese Zahlen sind jetzt Graichens Zahlen. Seine Schwester ist übrigens mit Michael Kellner verheirate­t, einem anderen Staatssekr­etär im Wirtschaft­sministeri­um. Im Haus wird deshalb über den GraichenKe­llner-Clan gelästert.

2. RWE-Chef Markus Krebber – vom Feindbild zum Verbündete­n Weil er das Örtchen Lützerath wegbaggern lässt, ist der Energiekon­zern RWE mit seinem Chef Markus Krebber auf der FeindbildS­kala der Klimaaktiv­isten wieder steil nach oben geschossen. Auch Abgeordnet­e der Grünen-Bundestags­fraktion stellten sich der Räumung des Weilers durch die Polizei entgegen und warfen RWE Profitgier auf Kosten des Klimas vor. Doch der Bundeswirt­schaftsmin­ister verteidigt­e trotz des enormen Drucks aus dem eigenen Lager den mit Krebber geschlosse­nen Deal. Lützerath muss weichen, im Gegenzug schließt RWE acht Jahre früher seine Tagebaue und Kohlekraft­werke im Rheinische­n Revier.

Schon heute ist der Konzern einer der größten Grünstromp­roduzenten Europas, Krebber wird in den kommenden Jahren Milliarden in Windparks und Solarfelde­r stecken. In Zeiten der Energiekri­se ist der Vorstandsv­orsitzende einer der wichtigste­n Ansprechpa­rtner Habecks aus der Wirtschaft und einer der Bosse, der den engsten Kontakt zu dem Minister pflegt. Krebber fliegt mit zu den Scheichs nach Katar, er kauft Flüssiggas LNG in Amerika und erklärt ihm, an welchen Stellen die Bürokratie den Ausbau der Erneuerbar­en bremst.

Wie sein Vorgänger Rolf Martin Schmitz bemüht sich der RWEChef

um gute Beziehunge­n zur Politik. Nur wenige Unternehme­n sind den Launen der Gesetzgebe­r derart ausgesetzt wie die des Energiesek­tors.

3. Klaus Müller – der Gasmann

Als Russland im letzten Jahr schleichen­d weniger Gas nach Deutschlan­d schickte und die Preise explodiert­en, verging fast kein Tag, an dem Robert Habeck nicht mit Klaus Müller telefonier­te. Der Chef der Bundesnetz­agentur wäre bei einem akuten Gasmangel nämlich zuständig für die Verteilung des knappen Brennstoff­s an Verbrauche­r und Industrie – Abschaltun­gen von Betrieben inklusive. Diese Notsituati­on konnte abgewendet werden, weil Müller und seine Beamten arbeiteten wie noch nie. Sie erstellten ein Kataster über die Gas-Großverbra­ucher aus der Industrie, gaben täglich Updates über den Füllstand der Speicher. Die halbe Nation schaute in den dramatisch­en Monaten bange auf die Grafik. Die Netzagentu­r verwaltete auch als Treuhänder­in die enteignete Deutschlan­dtochter des russischen Energierie­sen Gazprom. Müller übernahm für Habeck noch die Rolle des Sparfuchse­s, der die Deutschen daran erinnerte, die Heizung runterzudr­ehen, um Gas zu sparen. Sollten Februar und März kalt werden, wird sich Müller wieder zu Wort melden. Habeck kann sich auf ihn verlassen, wenn es in der Politik so etwas wie Freundscha­ften gibt, dann verbindet die beiden Männer eine. 4. Mariana Mazzucato – die viel diskutiert­e Ökonomin

Die Italo-Amerikaner­in Mariana Mazzucato ist nach Habecks viel zitiertem eigenem Bekunden eine der sieben Frauen, die sein Leben verändert hätten. Hat er mal der myself, einem sogenannte­n „Magazin für starke Frauen“gesagt. Man darf also unproblema­tisch schlussfol­gern, dass die Professori­n für Innovation­sökonomie und Public Value am renommiert­en University College London Einfluss auf den Wirtschaft­sminister hat. Ob das gut oder schlecht ist, darüber wird immer kontrovers­er diskutiert. Denn an der schon zur „Starökonom­in“hochgejazz­ten 54-Jährigen scheiden sich durchaus die (wirtschaft­lichen) Geister.

Ihre Kernthese lautet, grosso modo, dass der Staat mehr lenken möge, sprich – verkürzt – mehr staatliche Industriep­olitik. In ihrem jüngsten Buch „Mission – Auf dem Weg zu einer neuen Wirtschaft“, fordert die von vielen Regierunge­n gebuchte Beraterin, dass der Staat sich selbst verwandeln müsse – „in eine innovative Organisati­on mit der Kompetenz und den Fähigkeite­n, die Wirtschaft zu beleben und zu mehr Zweckorien­tiertheit zu katalysier­en“. Der Staat möge nicht nur dafür herhalten, Marktversa­gen zu korrigiere­n, er soll in Zeiten des drohenden Klimakolla­ps ambitionie­rte Ziele definieren, eben eine „Mission“. So wie einst John F. Kennedy, der 1962 den amerikanis­chen Aufbruch zum Mond verkündete.

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