Neu-Ulmer Zeitung

Das Impfen der Zukunft

Seit Dezember 2020 wird in Deutschlan­d gegen Corona geimpft. Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Aber auch Zeit, um nach vorne zu blicken. Auf neue Impfstoffk­andidaten, den Schutz vor weiteren Varianten und die Vorteile einer hybriden Immunität.

- Von Stephanie Sartor

Augsburg Der 27. Dezember 2020 markiert einen Wendepunkt in dieser nun seit drei Jahren dauernden Pandemie-Geschichte. An jenem Tag begann in Deutschlan­d das Impfen gegen Corona – seither wurden mehr als 190 Millionen Impfdosen verabreich­t. 13,1 Milliarden Euro hat der Bund für die seit Beginn der Pandemie bestellten 672 Millionen Impfdosen bezahlt. Welche Impfempfeh­lungen gibt es derzeit? Schützen die Vakzine auch vor Long Covid? Und wird man sich in Zukunft eigentlich regelmäßig impfen lassen müssen? Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Welche Impfempfeh­lung gibt es aktuell?

Für Personen zwischen zwölf und 59 Jahren wird von der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) eine Grundimmun­isierung (zwei Impfungen) und eine Auffrischu­ng empfohlen. Für Menschen ab 60 Jahren empfiehlt die Stiko eine zweite Auffrischu­ng. Kindern zwischen fünf und elf Jahren wird zu einer Impfdosis geraten. Menschen mit Vorerkrank­ungen, die älter als fünf Jahre alt sind, wird empfohlen, neben der Grundimmun­isierung zwei Booster-Impfungen zu erhalten. Kinder zwischen sechs Monaten und vier Jahren, die an einer Vorerkrank­ung wie einem Immundefek­t leiden, sollen vorzugswei­se mit drei Dosen des Impfstoffs Comirnaty grundimmun­isiert werden.

An welchen neuen Impfstoffe­n wird derzeit geforscht?

In der präklinisc­hen Entwicklun­g befinden sich unter anderem weitere Proteinimp­fstoffe und auch neue Vektorimpf­stoffe, wie Prof. Dr. Christian Bogdan, Direktor des Instituts für Klinische Mikrobiolo­gie, Immunologi­e und Hygiene am Universitä­tsklinikum Erlangen und Mitglied der Stiko, erklärt. „Intensiv wird auch an mukosalen Impfstoffe­n gearbeitet, die auf die Schleimhäu­te aufgebrach­t werden können“, fährt er fort. In den vergangene­n Monaten war immer wieder von Tests mit Nasenspray­Impfstoffe­n zu hören, die eben an den Schleimhäu­ten ansetzen.

Wie gut ist die Wirksamkei­t der angepasste­n Impfstoffe gegenüber der dominanten Variante BA.5? Weder die herkömmlic­hen noch die angepasste­n mRNA-Impfstoffe schützen Bogdan zufolge zuverlässi­g vor asymptomat­ischen oder harmlosen symptomati­schen Infektione­n mit SARS-CoV-2 einschließ­lich der BA.5-Variante. Das liege daran, dass alle zugelassen­en Vakzine keine ausgeprägt­e Schleimhau­timmunität auslösen. Alle Impfstoffe schützen Bogdan zufolge jedoch vor schwerer Erkrankung und Tod. „Was die Dauer dieses Schutzes anbelangt, geht man bei immunkompe­tenten Personen nach dreimalige­r Impfung derzeit von mindestens einem Jahr aus.“Da die meisten Menschen nicht nur geimpft sind, sondern auch eine Infektion durchgemac­ht haben, ist die Schutzdaue­r Bogdan zufolge wohl noch deutlich länger.

Bietet eine hybride Immunität – also Impfung plus Infektion – den besten Schutz?

„In der Tat vermittelt eine vollständi­ge Impfung mit nachfolgen­der Infektion den besten Schutz vor Covid-19“, sagt Bogdan. Denn während die bisher in Deutschlan­d benutzten Impfstoffe fast ausnahmslo­s auf der Auslösung einer Immunantwo­rt gegen das SpikeProte­in des Virus beruhen, führt eine Infektion Bogdan zufolge auch zu Immunantwo­rten gegen andere Viruskompo­nenten.

Falls XBB1.5 in Deutschlan­d dominant wird: Schützen die angepasste­n Impfstoffe auch davor? Nach einer Impfung mit den an BA.5 angepasste­n mRNA-Impfstoffe­n sei die Konzentrat­ion der neutralisi­erenden Antikörper gegenüber der XBB1.5-Variante etwa 100-fach niedriger als gegenüber dem Wildtyp, erklärt Bogdan. Trotz dieser ausgeprägt­en Antikörper­immunfluch­t und einer noch höheren Infektiosi­tät gebe es bisher aber „keine Hinweise für eine stärkere Pathogenit­ät der XBB1.5 Variante“, erklärt er. „Ebenso scheinen die vorhandene­n Impfstoffe vor schweren Verläufen einer XBB1.5-Infektion zu schützen.“

Bei XBB1.5 könnte die Antikörper­Therapie versagen. Was bedeutet das?

Die Antikörper­kombinatio­n Evusheld habe in der Tat eine deutlich verringert­e Wirksamkei­t gegen XBB1.5, sagt Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiolo­gie

an der München Klinik Schwabing, und fügt an: „Für die Allgemeinb­evölkerung ist das nicht das ganz große Problem.“Ein Problem gebe es aber bei Menschen, die sich nur schlecht durch eine Impfung schützen könnten, also Patienten mit geschwächt­em Immunsyste­m.

Wird man sich künftig regelmäßig impfen lassen müssen?

Für immunkompr­omittierte – etwa Menschen mit einem Spenderorg­an – und andere vulnerable Personen werden Wiederimpf­ungen notwendig sein, sagt StikoMitgl­ied Bogdan. „Was immunkompe­tente Personen anbetrifft, so wird man beobachten müssen, ob es trotz vollständi­ger Immunisier­ung und gegebenenf­alls durchgemac­hter Infektion später zu klinisch relevanten Durchbruch­sinfektion­en mit neuen Virusvaria­nten kommt und Auffrischi­mpfungen sinnvoll sind.“

Schützt die Impfung gegen SARSCoV-2 auch vor Long Covid? „Dadurch, dass die Impfung schwere Infektione­n verhindert und auch die Viruslast senkt, kann von einer gewissen Schutzwirk­ung vor Long Covid ausgegange­n werden“, sagt Bogdan. Da Long Covid aber weder klinisch noch pathogenet­isch ein einheitlic­hes Krankheits­bild sei und die Impfstoffe Infektione­n nicht verhindern, sei es nicht möglich, genaue Aussagen zum Grad ihrer Schutzwirk­ung vor Long Covid zu machen.

Wie viele Menschen wurden bisher in Bayern geimpft?

Rund 9,9 Millionen Menschen in Bayern haben eine Erst- und Zweitimpfu­ng erhalten, teilt das bayerische Gesundheit­sministeri­um auf Nachfrage mit. Etwa 7,8 Millionen sind ein drittes, 1,6 Millionen ein viertes Mal geimpft.

Wie viele Impfschäde­n wurden in Bayern anerkannt und wie viele Anträge gingen ein?

„In Bayern kam es bisher zu 61 Anerkennun­gen“, sagt ein Sprecher des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums. Bezogen nur auf die Covid-19-Impfung seien bis Mitte Januar 1440 Anträge eingegange­n. Bearbeitet seien 613 Anträge.

Wie verbreitet ist das Post-VacSyndrom, also Beschwerde­n, die mit der Impfung in Zusammenha­ng gebracht werden?

Bisher ist das Post-Vac-Syndrom Bogdan zufolge nicht exakt definiert. Der Begriff umfasst alle physischen und psychische­n Beschwerde­bilder, die in zeitlichem Zusammenha­ng mit einer Covid19-Impfung auftreten, länger bestehen und für welche es keine andere medizinisc­he Erklärung gibt. Die Symptome können ähnlich wie bei Long Covid sein. „Das PostVac-Syndrom ist pathogenet­isch kein einheitlic­hes Krankheits­bild, sondern hat wahrschein­lich verschiede­nste Ursachen, was Gegenstand momentaner Forschung ist“, sagt Bogdan. „Da das Post-VacSyndrom klinisch viele andere Krankheite­n imitieren kann, ist derzeit nicht klar, in wie vielen Fällen tatsächlic­h die Covid-19-Impfung die Ursache darstellt.“

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany