Messerattacke beschäftigt die Politik
Nach der Bluttat in einem Regionalzug in Brokstedt wird immer deutlicher: Ibrahim A. war ein justizbekannter Mehrfachstraftäter. Geklärt werden muss nun unter anderem, warum er noch in Deutschland war.
Kiel/Hamburg/Brokstedt Die tödliche Messerattacke in einem Regionalzug im schleswig-holsteinischen Brokstedt und der Umgang der Behörden mit dem mutmaßlichen Täter haben ein parlamentarisches Nachspiel. Der Justizausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft wird sich in der kommenden Woche mit dem Fall befassen. Und in Düsseldorf soll der Rechtsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags zu einer Sondersitzung zusammenkommen.
Das Motiv des Tatverdächtigen war am Freitag weiter unklar. Ibrahim A., ein 33 Jahre alter staatenloser Palästinenser, war in der Vergangenheit sowohl in NRW als auch in Hamburg mit Gewaltdelikten aufgefallen. Erst eine Woche vor der Bluttat im Regionalzug war er in Hamburg aus der Untersuchungshaft freigekommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am Donnerstag diesbezüglich bereits Fragen aufgeworfen. Auch müsse geklärt werden, „warum Menschen, die so gewalttätig sind, noch hier in Deutschland sind“, hatte sie bei einem Besuch in Brokstedt gesagt.
Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) kündigte an, am kommenden Donnerstag im Justizausschuss zu den Hamburger Aspekten der Tat zu berichten. Die Fraktionen von SPD und FDP in NRW betonten in ihrem Antrag für eine Sondersitzung des Rechtsausschusses am kommenden Dienstag, dass A. „ein justizbekannter Mehrfachstraftäter“sei, der in der Vergangenheit „insbesondere auch in Nordrhein-Westfalen bereits in erheblichem Maße auffällig geworden sein soll“. Sie erwarten von der Landesregierung „einen umfassenden schriftlichen Bericht zu den Tatvorwürfen und den Strafverfahren, die gegen den mutmaßlichen Täter in der Vergangenheit in Nordrhein-Westfalen aktenkundig geworden sind“.
Laut Deutscher Presse-Agentur wurden gegen A. seit seiner Einreise nach Deutschland im Jahr 2014 mindestens elf Ermittlungsverfahren eingeleitet, darunter wegen Körperverletzung, Bedrohung, Diebstahls und Drogendelikten. Viermal wurde er verurteilt, davon drei Mal rechtskräftig. Zuletzt hatte er wegen eines Messerangriffs in Hamburg ein Jahr in Untersuchungshaft gesessen.
Zu den Vernehmungen des Verdächtigen
sind keine weiteren Einzelheiten bekannt geworden. Am Donnerstag hatte er sich nach Angaben von Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine SütterlinWaack (CDU) nicht geäußert, sodass man keine Rückschlüsse auf sein Motiv habe ziehen können. Daran änderte sich – soweit bekannt – auch am Freitag nichts. Sein Verteidiger schloss ein terroristisches Motiv aus. „Ich gehe sicher davon aus, dass er kein politisches oder religiöses oder terroristisches Motiv in sich trägt“, sagte Björn Seelbach. Für möglich halte er, dass A. bei der Tat wütend und außer sich war. Er könne auch psychisch krank sein oder unter Drogeneinfluss gestanden haben.
Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien traf am Freitag mit Schülern und Lehrern der Gewerblichen Schule der Stadt Neumünster zusammen, die die 17-Jährige und der 19-Jährige besucht hatten, die bei der Messerattacke in dem Regionalzug ums Leben kamen. Sie habe „ein allgemeines Gefühl der Angst und der Verunsicherung“wahrgenommen, sagte die CDU-Politikerin. Sie habe sich aber davon überzeugen können, dass es an der Schule ein sehr gutes Kriseninterventionsteam gebe. Die Schülerinnen und Schüler seien auch betroffen davon, dass auf einer Bahnstrecke, die sie täglich benutzen, ein solches Verbrechen geschehen konnte. (dpa)