Drei Jahre Corona: Wie hat die Pandemie die Menschen verändert?
Seit drei Jahren beschäftigt das Coronavirus Menschen auf der ganzen Welt – und auch im Landkreis Neu-Ulm und Umgebung. Vier von ihnen kommen hier zu Wort.
Neu-Ulm/Vöhringen/Illertissen/Babenhausen Ein Unternehmer aus Vöhringen, eine Pflegerin aus NeuUlm, der Leiter der Jugendbildungsstätte in Babenhausen und eine Schülerin aus Illertissen erzählen, wie die Pandemie ihr Leben und Arbeiten verändert hat.
Zwischen Tonnen von Stahl und schwerem Gerät arbeitet Thomas Zenzinger in seinem Unternehmen Blech & Technik in Vöhringen. Sowohl Teile für gigantische Chipfabriken als auch private Auftragsarbeiten werden hier geschweißt und gestanzt. „Stückzahl eins oder 2000 – das ist alles möglich“, sagt Zenzinger stolz. In der Industrie hat sich in den vergangenen Jahren viel geändert: Zenzinger beobachtet, dass immer mehr große Firmen aus der Automobilzulieferung und Medizintechnik Fabriken im krisensicheren Deutschland bauen. Der Vöhringer Zulieferer rechnet deswegen mit einer sehr stabilen Auftragslage bis Ende 2024. Weiter plant er allerdings nicht: „Heute zu sagen, was in zehn Jahren ist, fällt auch mir schwer.“
Zu Pandemie-Hochzeiten seien 30 bis 40 Prozent der Aufträge weggebrochen, schätzt Zenzinger. Die Preise für Metall seien infolge von Materialknappheit und Lieferengpässen um 300 Prozent gestiegen. Sein Arbeitsethos habe ihm dabei stets geholfen: „Man muss sich in der guten Zeit einen Speck anfressen, damit man auch die schlechten überlebt.“Außerdem habe er immer auf seine rund 40 Mitarbeiter zählen können: „Wir konnten den Jungs abends sagen, wer am nächsten Tag zur Arbeit kommen soll und wer nicht.“Obwohl sein Betrieb gut durch die Pandemie gekommen ist, haben ihn die vielen Krisen der Gegenwart zum Umdenken bewegt: Die traditionellen Anreize würden in so einer bewegten und krisengeplagten Zeit nicht mehr ausreichen, sagt er. In neuen Ideen in der Elektrotechnik beispielsweise könne eine Zukunft für den Betrieb liegen.
An der Donauklinik Neu-Ulm erinnert von außen nicht mehr viel an die harten Pandemiemonate. Am Haupteingang sieht man noch, wo die Clearingstelle aufgebaut war, die Schleuse, durch die jeder Besucher und jeder neue Patient vor Betreten des Krankenhauses musste. Nicole Henß leitet den Bereich Pflege in der Inneren Medizin. Seit 25 Jahren ist sie an der Donauklinik, etwas Vergleichbares zum Frühjahr 2020 habe sie noch nie erlebt. „Die Tragweite war uns schnell klar“, sagt Henß heute. „Isolierpatienten hatten wir schon immer“, erinnert sich Henß. Neu sei die Masse an Patienten gewesen, die auf der neu errichteten Covid-Station
mussten.
„Wir haben erstaunlich schnell zu einer neuen Routine gefunden“, sagt Henß über ihr eingespieltes Team. Besonders wichtig ist es ihr gewesen, die Moral innerhalb des Teams hochzuhalten. Trotz der enormen Belastung habe es über die gesamte Zeit niemanden gegeben, der darüber nachgedacht hätte, den Beruf an den Nagel zu hängen. Das führt Henß auch darauf zurück, dass die Belegschaft des Neu-Ulmer Klinikums immer mit ausreichend Schutzmaterial ausgestattet war. „Ein Mangel an Tests und Masken“, sagt Henß „hätte sich sehr negativ auf die Belegschaft ausgewirkt.“Trotz allem habe die Donauklinik viel gelernt: „In ein bis zwei Wochen könnten wir im Ernstfall den Pandemiebetrieb wieder aufnehmen.“
In der Schwäbischen Jugendbildungsund Begegnungsstätte Babenhausen toben Jugendliche über die Gänge, aus der Küche strömt der Duft des anstehenden Mittagsessens in das Büro von JuBi-Leiter Michael Sell. „Endlich wieder!“, sagt Sell. „Wir heißen ja Begegnungsstätte! Begegnen miteinander – und auch mit der Natur.“Sell merkt, wie gerne die Sprachkurse oder Musikgruppen angenommen werden, seit sie wieder im Haus und nicht auf dem Bildschirm stattfinden. Die Jugendarbeit habe nach der Pandemie sehr von der
behandelt
werden
Aktivierungskampagne des Bayerischen Jugendrings profitiert. 110.000 Euro gab es für die Jugendringe, Vereine und Verbände Schwabens, erklärt Sell.
In Babenhausen wurde von dem Geld beispielsweise das „Meet & Greet Festival“im letzten Dezember veranstaltet worden. Dazu seien „alle Jugendlichen der Region zusammengekommen“, sagt Mamikon Kirakosyan, der dieses Jahr seinen Bundesfreiwilligendienst in der Babenhausener Begegnungsstätte leistet. Er betont das große Angebot an Workshops von Rotem Kreuz und Bezirksfeuerwehr. FÖJlerin Lena Ringler erinnert sich: „Das war eine gute Chance, neue Dinge auszuprobieren und neue Hobbys finden.“Man dürfe nicht vergessen, dass für viele Jugendliche die Peergroup viel mehr Familie bedeutet als der durch die Corona-Schutzverordnung festgelegte Haushalt. Sell kritisiert, dass die Politik nicht weit genug gedacht habe. „Man kann nicht oft genug sagen: Die Jugend ist vergessen worden“, so Sell.
Endlich 18, endlich fertig mit der Schule: startklar fürs eigene Leben! Jana Leonhardt aus Illertissen hatte viele Pläne für die letzten Jahre und wegen der Pandemie das Gefühl, einiges verpasst zu haben. An das Chaos in der Schule aus den ersten Corona-Monaten erinnert sie sich mit gemischten Gefühlen zurück. Die Umstellung auf Remote-Unterricht
lief holprig: „Ich kann sehr gut selbstständig arbeiten“, sagt sie. Bei einigen Klassenkameradinnen und Klassenkameraden sei das anders gewesen. Die hätten die technischen Wissenslücken der Lehrkräfte ausgenutzt, erinnert sich Jana. Ihr letztes Schuljahr fand dann wieder „in Präsenz“statt, aber mit immer neuen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. „Ich habe einen Mitschüler zum ersten Mal ohne Maske gesehen und erst mal gar nicht erkannt“, erzählt sie lachend.
Was bleibt von Janas Schulzeit? Ihre Abschlussfahrten wurden abgesagt, zur Feier des Fachabiturs im Dietrich-Theater kamen ihre eigenen Eltern nicht. Das sei schon schade gewesen, dass sie auf diesen Erfolg nicht mal richtig anstoßen konnte, sagt Jana. Auch den Einstieg ins Erwachsenenleben hat sie sich allerdings anders vorgestellt: Kurz nach ihrem 18. Geburtstag kam ein erneuter Lockdown, auf das lang ersehnte Nachtleben musste Jana noch ein paar Monate verzichten. „Wie Tiere aus den Gehegen“seien die Menschen in die Clubs und Bars gestürzt, sobald es wieder erlaubt war. Und Jana mittendrin. Sie möchte ab April an der Hochschule Neu-Ulm studieren und weiter zu Hause in Illertissen leben. Wie viel Corona mit dieser Entscheidung zu tun hat, weiß sie nicht.