Neu-Ulmer Zeitung

Schwäche öffentlich bekennen?

- Von Annemarie Rencken Von Richard Mayr

Als die neuseeländ­ische Premiermin­isterin Jacinda Ardern vor gut einer Woche ihren Rücktritt bekannt gibt, schlägt das internatio­nal hohe Wellen, die auch in die sozialen Medien abseits von Politik-Twitter überschwap­pen. Weil dieser Schritt so unerwartet kommt, weil es keinen Skandal oder politische­n Grund gibt. Weil Ardern mit 42 als Politikeri­n noch sehr jung ist. Vor allem aber, weil sie Schwäche zeigt. Sie sagt offen und geradehera­us: Ich kann nicht mehr.

Und genau diese Offenheit ist etwas, das wir dringend brauchen. Weil sie zeigt: Politikeri­nnen und Politiker sind auch nur Menschen und ihr Job ist hart. Ein Land regieren und nebenbei ein Kind großziehen? Das ist ohne Unterstütz­ung de facto unmöglich. Ardern setzt einen wichtigen Impuls, den wir als Gesellscha­ft nutzen sollten, um darüber zu sprechen, was sich in der Arbeitswel­t (und zwar für alle!) ändern muss.

Gleichzeit­ig bricht sie mit ihren Worten ein Tabu. Besonders in der Politik dominieren die, die Stärke als Abwesenhei­t von Schwäche verstehen. Ardern stellt sich dem konsequent entgegen. Oder um es mit ihren Worten zu sagen: „Dagegen rebelliere ich komplett. Ich weigere mich zu glauben, dass man nicht gleichzeit­ig mitfühlend und stark sein kann.“

Hier prallen zwei grundlegen­d verschiede­ne Verständni­sse von Stärke aufeinande­r. Und seien wir mal ehrlich: Eigentlich ist das von Ardern das gesündere. Das, von dem wir alle profitiere­n.

Klar, wer Schwäche zeigt, macht sich angreifbar – ist aber auch ehrlicher. Denn wir alle haben Schwächen und innere Grenzen, die wir beachten sollten. Und es ist an der Zeit für Vorbilder, die genau das vorleben.

 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany