Schwäche öffentlich bekennen?
Als die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern vor gut einer Woche ihren Rücktritt bekannt gibt, schlägt das international hohe Wellen, die auch in die sozialen Medien abseits von Politik-Twitter überschwappen. Weil dieser Schritt so unerwartet kommt, weil es keinen Skandal oder politischen Grund gibt. Weil Ardern mit 42 als Politikerin noch sehr jung ist. Vor allem aber, weil sie Schwäche zeigt. Sie sagt offen und geradeheraus: Ich kann nicht mehr.
Und genau diese Offenheit ist etwas, das wir dringend brauchen. Weil sie zeigt: Politikerinnen und Politiker sind auch nur Menschen und ihr Job ist hart. Ein Land regieren und nebenbei ein Kind großziehen? Das ist ohne Unterstützung de facto unmöglich. Ardern setzt einen wichtigen Impuls, den wir als Gesellschaft nutzen sollten, um darüber zu sprechen, was sich in der Arbeitswelt (und zwar für alle!) ändern muss.
Gleichzeitig bricht sie mit ihren Worten ein Tabu. Besonders in der Politik dominieren die, die Stärke als Abwesenheit von Schwäche verstehen. Ardern stellt sich dem konsequent entgegen. Oder um es mit ihren Worten zu sagen: „Dagegen rebelliere ich komplett. Ich weigere mich zu glauben, dass man nicht gleichzeitig mitfühlend und stark sein kann.“
Hier prallen zwei grundlegend verschiedene Verständnisse von Stärke aufeinander. Und seien wir mal ehrlich: Eigentlich ist das von Ardern das gesündere. Das, von dem wir alle profitieren.
Klar, wer Schwäche zeigt, macht sich angreifbar – ist aber auch ehrlicher. Denn wir alle haben Schwächen und innere Grenzen, die wir beachten sollten. Und es ist an der Zeit für Vorbilder, die genau das vorleben.