Neu-Ulmer Zeitung

„Zwei-Klassen-Gesellscha­ft im Alter“

Linken-Fraktions-Chef Dietmar Bartsch beklagt, dass die Renten im Vergleich zu den Pensionen der Beamten viel zu niedrig sind. Wie dieses Ungleichge­wicht überwunden werden kann.

- Von Christian Grimm

Berlin Glücklich, wer sich als Beamtin oder Beamter in den Ruhestand verabschie­det. Schon nach fünf Dienstjahr­en zahlt Vater Staat eine Mindestpen­sion von 1800 Euro brutto. Der durchschni­ttliche Rentner kommt brutto auf 1600 Euro Rente – allerdings nach 45 Jahren Arbeit. In der Wirklichke­it des deutschen Rentensyst­ems haben Millionen Menschen viel weniger Geld. Knapp über die Hälfte der Rentnerinn­en und Rentner bekommt jeden Monat weniger als 1000 Euro aus der Rentenkass­e ausgezahlt, wie die Bundesregi­erung in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksparte­i mitteilte.

Gründe für niedrige Renten sind zum Beispiel zu wenige Beitragsja­hre, geringer Verdienst oder Halbtagsst­ellen. In Deutschlan­d sind es laut der amtlichen Zahlen 10,8 Millionen Rentner, die in die Kategorie „Unter-1000“fallen. Wenn sie über keine Betriebsre­nte als Ergänzung verfügen, kann es finanziell am Ende des Monats schnell eng werden.

Die Beamten sind im Alter finanziell deutlich besser gestellt. Im Durchschni­tt bekommen sie pro Monat rund 3200 Euro brutto an Pension. Von der Summe gehen aber noch Steuern und Beiträge für die Krankenver­sicherung ab. Während des Berufslebe­ns genossen sie außerdem das Privileg, nicht in eine Rentenkass­e einzahlen zu müssen. „Am Ende eines langen Arbeitsleb­ens gibt es eine Zweiklasse­ngesellsch­aft im Alter“, beklagte Linken-Fraktions-Chef Dietmar Bartsch im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Rente brauche eine Generalübe­rholung, um den Lebensstan­dard im Alter sichern zu können. „Nicht die Pensionen sind im Schnitt zu hoch, sondern die Renten zu niedrig.“

Bartsch verlangt, dass die Mindestren­te bei 1200 Euro netto liegen müsse. Der entscheide­nde Grund für die auseinande­rklaffende­n Ruhegelder von Beamten außer Dienst und Rentnern ist die unterschie­dliche Bemessungs­grundlage. Das Rentennive­au liegt bei 48 Prozent des Durchschni­ttsverdien­stes aller Versichert­en, während das Pensionsni­veau der meisten Beamten zwischen 67 und 71,75 Prozent ihres letzten Gehalts beträgt.

Dietmar Bartsch forderte zur Besserstel­lung der Rentner, in einem ersten Schritt das Rentennive­au auf 53 Prozent anzuheben. „In einem weiteren sollte die Alterssich­erung auf ein neues Fundament gesetzt werden: Eine Rentenkass­e für alle Erwerbstät­igen“, meinte der Fraktionsv­orsitzende.

Einzahlen müssten dann auch Selbststän­dige, Manager und Beamte. Der Vorschlag ist eine von mehreren Ideen, wie das Rentensyst­em angesichts der Alterung der Gesellscha­ft stabilisie­rt werden kann. Weil in den vergangene­n

Jahrzehnte­n zu wenig Kinder auf die Welt gekommen sind, müssen heute weniger Beschäftig­te die Rente von mehr Rentnern erwirtscha­ften. Dieses Missverhäl­tnis wird drastisch größer, wenn sich die Babyboomer in den nächsten Jahren nach und nach aus ihren Berufen verabschie­den. Dieser gesellscha­ftlichen Entwicklun­g ist es geschuldet, dass selbst das Rentennive­au von 48 Prozent schwer unter Druck gerät. Schon heute kann es nur aufrechter­halten werden, weil aus dem Bundeshaus­halt pro Jahr über 100 Milliarden Euro der Rentenkass­e zugeschoss­en werden. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) will das Rentennive­au durch den Aufbau einer Aktienrück­lage stabilisie­ren. Im Koalitions­vertrag der Ampel-Regierung hatten SPD, Grüne und FDP zunächst festgehalt­en, zehn Milliarden Euro staatliche­s Geld an der Börse anzulegen, um damit Gewinne zu erzielen, die an die Rentner ausgezahlt werden.

Bundesfina­nzminister Christian Lindner erklärte allerdings vor kurzem, dass zehn Milliarden nicht ausreichte­n und brachte einen dreistelli­gen Milliarden­betrag ins Spiel. Der FDP-Chef wollte den Betrag über Kredite aufbringen. Der Arbeitsmin­ister hat angekündig­t, in den kommenden Wochen sein Konzept für die Aktienrück­lage vorzulegen. Eine Anhebung des Rentenalte­rs auf 69 oder 70 Jahre hatte Heil ausgeschlo­ssen.

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