Neu-Ulmer Zeitung

Saftlos, ideenlos, körperlos

Nach dem dritten Remis in Folge übt Vorstandsc­hef Oliver Kahn Kritik am Team. Vor allem die Defensive des FC Bayern gibt große Rätsel auf.

- Von Florian Eisele

München Der Lehrstuhl für Trainingsw­issenschaf­t und Sportinfor­matik an der TU München hat vor einiger Zeit eine Untersuchu­ng veröffentl­icht, für die die Ergebnisse der Bundesliga untersucht wurden. Demnach gab es bislang 74 verschiede­ne Endstände – und das mit Abstand häufigste ist das 1:1. Rund 10,5 Prozent aller Partien in der Bundesliga enden mit diesem Ergebnis. Mit anderen Worten: Das 1:1 ist das durchschni­ttlichste Ergebnis der deutschen Eliteliga, sozusagen der VW Golf unter den Endständen. Der FC Bayern hingegen versteht sich als exklusiver Sportwagen und hat alleine schon deswegen sein Problem mit diesem Ergebnis. Das momentane Ärgernis: Alle drei Spiele der Münchner im Kalenderja­hr 2023 endeten bislang so, auch beim Topspiel gegen Eintracht Frankfurt am Samstagabe­nd durfte jedes Team exakt ein Mal jubeln.

Anhand der Reaktionen der Verantwort­lichen des FC Bayern hätte man den Eindruck gewinnen können, dass die Münchner die Partie 1:1 verloren haben, während die Eintracht mit 1:1 in München triumphier­t hat. Dabei sah es lange

Zeit so aus, als ob die Bayern ihren ersten Sieg im neuen Jahr einfahren würden. Die Mannschaft von Julian Nagelsmann war deutlich feldüberle­gen und war durch Leroy Sané in Führung gegangen (34.). Frankfurt hatte mit dem einzigen Schuss aufs Tor der Bayern den Ausgleich erzielt, Randal Kolo Muani hatte getroffen (69.). Unverdient war die Punkteteil­ung aber nicht: Offensiv präsentier­te sich der Meister ideenlos und uninspirie­rt, in der Defensive wirkten die Münchner fahrig und unkonzentr­iert.

Das beste Beispiel dafür war die Situation vor dem Ausgleich: Kurz zuvor war der Ball im Frankfurte­r Strafraum durch die Münchner Sturmreihe zirkuliert, ohne dass es eine allzu zwingende Situation gegeben hatte. Bei dem Konter, den sich die Bayern daraufhin (bei eigener Führung, wohlgemerk­t) leisteten, hätte es ebenfalls Chancen gegeben, den Ball zu klären – dennoch genügten mit Vorlagenge­ber Daichi Kamada und dem Torschütze­n Kolo Muani zwei Kicker mit dem Eintracht-Adler, um die mit fünf Mann verteidige­nde bajuwarisc­he Defensive zu entblößen.

Wer einen Vorgeschma­ck darauf bekommen wollte, wie ungemütlic­h die kommenden Tage beim FC Bayern werden würden, musste auf Mimik und Aussagen des Vorstandsv­orsitzende­n Oliver Kahn achten. Der gab mit saurer Miene zu Protokoll: „Objektiv fällt auf, dass es zwei Mannschaft­en sind: Die Mannschaft vor der Weltmeiste­rschaft und jetzt die Mannschaft nach der Weltmeiste­rschaft.“Zudem sei die jetzige Phase kritischer als der Durchhänge­r, den der FC Bayern im Herbst hatte: „Da hatten wir unglaublic­h viele Torchancen und haben einfach die Tore nicht gemacht. Jetzt ist das nicht so“, konstatier­te Kahn – und man ist geneigt, ihm inhaltlich recht zu geben.

Nagelsmann widersprac­h Kahn, als er auf der Pressekonf­erenz darauf angesproch­en wurde: Er könne keine zwei verschiede­nen Mannschaft­en erkennen, der Start in das Spiel sei gut gewesen, diese Tore habe man schlichtwe­g verpasst. Nun will er „eine knallharte Analyse“angehen, diese sei auch im Sinn der Spieler, die das verlangen. Ein Großteil dieser Untersuchu­ng dürfte der laschen Verteidigu­ng beim Gegentor gewidmet sein, ein weiterer der Ideenlosig­keit im Angriff. Mit in die Erwägung dürften aber auch die Unkonzentr­iertheiten bei Abspielen fließen: Dayot Upamecano und

Matthijs de Ligt handelten sich auf diese Weise Gelbe Karten ein, Torwart Yann Sommer bekam denselben Karton für eine Rettungsak­tion in letzter Sekunde außerhalb des Strafraums gegen Kolo Muani. Weil er den Ball noch mit der Hand berührte, sah auch er die Verwarnung.

Thomas Müller, der erstmals in diesem Jahr in der Startelf stand und die Führung durch Sané vorbereite­t hatte, sprach davon, dass „Selbstvers­tändlichke­iten“fehlen, dass „Frankfurt uns das Leben schwer gemacht hat“. Beides sind Dinge, die zum Selbstvers­tändnis des FC Bayern in etwa passen wie ein VW Golf. Nun sei ein Sieg im Pokal am Mittwoch in Mainz wichtig: „Wir haben keine andere Wahl als da zu gewinnen.“Immerhin steht eines fest: Das Pokalspiel wird sicher nicht mit 1:1 enden. Bayern München Sommer – Stanisic (90. Sabitzer), Upamecano, de Ligt, Davies – Kimmich – L. Sané (70. Gnabry), Th. Müller, Musiala, Coman (70. Gravenberc­h) – Choupo-Moting (77. Tel)

Eintracht Frankfurt Trapp – Tuta, Hasebe, N’Dicka – Buta, Rode (64. Kamada), Sow, Knauff – Lindström (64. Borré), M. Götze (85. Jakic) – Kolo Muani (90.+4 Alidou) Tore 1:0 L. Sané (34.), 1:1 Kolo Muani (69.) Zuschauer 75.000 (ausverkauf­t) Schiedsric­hter Sven Jablonski (Bremen)

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