Verkehrsexperte stellt Ausbaupläne zwischen Ulm und Augsburg infrage
Der frühere Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft Herbert König plädiert für einen gezielten Ausbau der bisherigen Trasse. Dies reiche völlig aus, spare Kosten und bringe für die Anlieger Vorteile.
Nersingen In der Region hat sich der Widerstand gegen das Bahnprojekt Ulm-Augsburg inzwischen verstetigt und im Netzwerk Bischt gebündelt. Dessen Vorsitzender, Jürgen Zimmermann, bekräftigte jüngst bei einer Veranstaltung in Straß die Forderung an die Deutsche Bahn, dem Regional- gegenüber dem Fernverkehr eine höhere Priorität einzuräumen.
Denn das Fahrgastaufkommen liege hier „16 mal höher“als bei Fernreisenden. Die Ausbaupläne aber stellten die Interessen der Region völlig hintenan, die Vorteile eines viergleisigen Ausbaus der bislang zweigleisigen Trasse, darunter die 14-minütige Verkürzung der Fahrtzeiten, seien mit unabsehbaren Kosten verbunden: „Für jede eingesparte Minute sind Investitionen von 430 Millionen Euro nötig“, behauptete der Sprecher der als Verein organisierten „Bürgerinitiativen Schwabentrasse“, kurz Bischt, die nach seinen Worten inzwischen 585 Mitglieder zähle. „Unwirtschaftlich, inakzeptabler Flächenverbrauch, am Bedarf der Region vorbei, eine zusätzliche Lärmbelastung bedeutend und auf einer veralteten Planung beruhend, so lassen sich die bei der Jahreshauptversammlung im Kupferdach vor rund 70 Gästen einmal mehr herausgestellten Kritikpunkte zusammenfassen.
Argumentative Unterstützung bekam das Bündnis an dem Abend von Herbert König. Der frühere Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft hält die vom Bund geforderte Fahrtzeit zwischen Ulm und Augsburg von 26 Minuten nicht für notwendig, um im Süden den bundesweiten Deutschlandtakt einführen zu können. Der Takt funktioniere auch bei einer um wenige Minuten längeren Fahrtzeit. Bei den vorgelegten Zugzahlen – „nicht mehr als ein bis zwei Züge mehr pro Stunde“– genüge ein gezielter Ausbau der Bestandsstrecke, eine Verdoppelung der Gleiskapazitäten aber sei dafür nicht nötig. König beruft sich auf ein vorliegendes Gutachten zum Deutschlandtakt, dessen Zahlen zum künftigen Fern- und Güterverkehr den Bau einer kompletten Neubaustrecke eben nicht rechtfertigten: „Der Güterverkehr wird auf dieser Achse eher abnehmen, da er auf andere Achsen verlagert werden muss.“Grund dafür sei, dass die Neubaustrecke UlmStuttgart wie ein Flaschenhals wirke: „Sie ist für schweren Güterverkehr gar nicht ausgelegt.“Eh würde auf der Bestandsstrecke zwei Drittel des Zugverkehrs verbleiben.
Konzentrierte man sich auf deren Ertüchtigung, so hätte das für die Anlieger den Vorteil, „dass dies mit Lärmschutzmaßnahmen verbunden wäre“. Bei einer Neubaustrecke aber würden diese „leer ausgehen“. König zieht aus seinen Analysen die Schlussfolgerung, dass das Bundesverkehrsministerium dringend die bisherigen Vorgaben
einer Neuüberprüfung unterziehen sollte.
Der Hintergrund: Die Bahn will die bislang 85 Kilometer lange und mehr als 160 Jahre alte Eisenbahnstrecke zwischen den beiden benachbarten Großstädten ausbauen. Ziel ist, die Verbindung im Fernverkehr zwischen Ulm und Augsburg auf 26 Minuten zu reduzieren, etwa eine Viertelstunde weniger als bisher. Mit Halt in Günzburg dürfen es nur noch 40 Minuten
sein. Die Züge sollen künftig 300 km/h schnell fahren können. Bischt hingegen hält den Bau einer völlig neuen ICE-Strecke für unverhältnismäßig. Die Bürgerinitiative stellt sich nicht aber pauschal gegen die Absicht, die zweigleisige Bestandsstrecke UlmAugsburg um zwei weitere Gleise zu erweitern. Dies ermöglicht den Ausbau des Nahverkehrs inklusive der geplanten Regio-S-Bahn-Linie nach Günzburg.