Theaterstück greift sensibles Thema auf
Wie sie mit ihrer Depression umgeht, thematisiert Ramona Springer in „Die Scheinriesin“. Die Aufführungen in Weißenhorn waren ein voller Erfolg.
Weißenhorn Es war eine sehr persönliche Geschichte, die Autorin und Hauptdarstellerin Ramona Springer am vergangenen Wochenende auf die Bühne der Weißenhorner Stadthalle brachte. „Die Scheinriesin – meine Depression wollte auf die Bühne“, so hatte sie ihr selbst konzipiertes Stück benannt, in dem sie von ihrer eigenen Erfahrung mit Depressionen erzählt. Zusammen mit Freunden und Bekannten hat die Ulmerin daraus eine abendfüllende Show gemacht, die Musik, Tanz sowie Text verbindet und einen berührenden Blick in die Tiefen einer Seele zulässt.
Die Handlung orientiert sich – wenn auch nicht in allen Feinheiten – an Springers Biografie und beginnt mit einem Neuanfang: Dem Umzug und Start einer TanzAusbildung in Berlin. Den setzten die Akteure, es sind knapp 30, lebensfroh in Szene. Aufbruchstimmung, Hauptstadtflair und der Ballett-Unterricht, wo die Erzählerin auch mal aus der Reihe tanzt. Von Anfang an hat diese Hauptfigur
jedoch einen Verfolger. Groß, dunkel und gesichtslos, der ihr, mal sachte, mal mit Nachdruck, in die Quere kommt. Eine übermächtige Gestalt, die sie bald ängstigt, zu Fall bringt, die Beziehungen stört und sich auch durch Feiern und Ausspannen nicht abschütteln lässt. Es fühle sich an wie ein tiefes, schwarzes Loch, sagt Springer an einer Stelle, „als sei man sein eigenes Gefängnis“.
Erzählt wird die Geschichte durch Springers selbst verfasste Texte und die Choreografie, für die zu weiten Teilen der frühere Musicaldarsteller und Choreograf Christian Hante verantwortlich ist. Er übernimmt im Stück auch mehrere kleine Rollen. Fast jeder der insgesamt 19 Songs bekommt eine eigene Szenerie. Besonderer Kniff in Sachen Bühnenbild ist eine LED-Leinwand, die die Atmosphäre mit eigens entwickelten Videos und Computeranimationen verdichtet.
Popballaden wie Adeles „Someone like you“oder „Zombie“der Cranberries haben in die Musikauswahl genauso Eingang gefunden wie Jorge Quinteros Motivations-Hymne
„300 Violin Orchestra“. Eine ganz eigene Kategorie bilden die live gesungenen Stücke. Sängerin Alexandra Pansch interpretiert sie stimmgewaltig. Auch Jonas Wittenberg erntet für seine Strahlkraft bei „Wie wird man seine Schatten los“und „Die unstillbare Gier“Applaus.
Doch so vielfarbig die Musik auch ist, die schwarze Riesin verdunkelt Ramonas Welt immer mehr. Bis die junge Frau, bedrängt von einer wachsenden Armee aus nebelhaften Gestalten, entkräftet zu Boden geht. Nicht wenige Zuschauer zücken an dieser Stelle die Taschentücher. Die Lage wirkt aussichtslos, wäre da nicht plötzlich ein Engel, der ihr hilft, sich aufzurichten. Jener, das berichtet Ramona Springer nach dem Schlussapplaus, steht für hilfreiche Menschen in ihrem Leben, von der Familie bis zur Therapeutin. Sie stärkten Springer, bis es möglich war, die Perspektive zu wechseln und somit einen anderen Blick auf diese Riesin zu bekommen.
„Je weiter ich entfernt bin, desto größer sehe ich aus. Und je näher ich komme, desto mehr erkennt man meine wirkliche Gestalt. Deshalb sage ich, ich bin ein Scheinriese.“So fasst Michael Endes Scheinriese im Kinderbuchklassiker „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“seine Eigenart zusammen. Wie im literarischen Vorbild ist Springers Riesin bei näherer Betrachtung längst nicht so mächtig, wie sie scheint. Mit den richtigen Mitteln lässt sie sich beherrschen und sich vielleicht sogar unschädlich machen. Diese Hoffnung, so Springer, hegt sie für sich und macht damit auch anderen Mut: „Ich glaube nicht, dass man für immer mit Depressionen leben muss.“Aufgeben jedenfalls sei keine Option. Beide Aufführungen am Freitag und Samstag waren komplett ausverkauft. Die Einnahmen sollen als Spende an die Stiftung Deutsche Depressionshilfe gehen.