Neu-Ulmer Zeitung

Lange lief es perfekt für Manfred Weber – doch jetzt geht vieles schief

Seit Monaten kommt der Chef der Europäisch­en Volksparte­i nicht aus den Negativsch­lagzeilen. Der CSU-Mann erlaubt sich einen Patzer nach dem anderen.

- Von Katrin Pribyl

Brüssel Als Manfred Weber im vergangene­n Sommer für ein Video mit Silvio Berlusconi durch die Idylle der Lombardei spazierte, wusste er um das Risiko der demonstrat­iven Wahlkampfh­ilfe für den umstritten­en Italiener. Lange genug ist der Niederbaye­r im Geschäft. Zu gut kennt der CSU-Vize auch den Vorsitzend­en der Partei „Forza Italia“, in politische­n Kreisen als „tickende Zeitbombe“bekannt. Die ging dann auch kurz nach der Ausstrahlu­ng des Wohlfühl-Clips los, als Berlusconi einmal wieder den Putin-Versteher gab. Nun ging der Ex-Ministerpr­äsident Italiens sogar noch weiter, als er dem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj eine Mitschuld für Russlands Angriff auf das Nachbarlan­d zuschob.

Das ist auch ein Problem für Manfred Weber. Der 50-Jährige steht der Fraktion der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) im Europäisch­en Parlament und zugleich der konservati­ven Parteienfa­milie in Europa vor. Zu der gehört auch Berlusconi­s „Forza Italia“. Nach dessen Äußerungen sagte Weber ein ursprüngli­ch für Juni geplantes EVP-Treffen in Neapel ab. Handelte es sich um Schadensbe­grenzung? Bei Weber scheint es jedenfalls nicht zu laufen.

Die Berlusconi-Nummer bildete lediglich den Auftakt zu einer Serie von „Patzern“, wie einige EVP-Abgeordnet­e es nennen. Welcher dabei als schwerwieg­ender betrachtet wird, variiert je nachdem, wen man fragt. Weber steht unter Druck. Da sind zum einen die zwei Treffen innerhalb weniger Wochen mit der italienisc­hen Ministerpr­äsidentin Giorgia Meloni, der Chefin der postfaschi­stischen Partei „Brüder Italiens“. Es ist eine Sache, als Bundeskanz­ler in engem Kontakt mit der Regierungs­chefin des drittgrößt­en EU-Mitgliedst­aats zu stehen. Eine andere ist es, sich als EVP-Chef strahlend lächelnd an ihrer Seite ablichten zu lassen. Der

Umgang mit Partnern anderer politische­r Couleurs gehört zum Alltag in Brüssel. „Aber muss man es so inszeniere­n?“, fragte ein CDUEuropaa­bgeordnete­r.

„Italien ist enorm wichtig für die EU“, sagte Weber unserer Redaktion. „Wir müssen eine Regierung, die rechtmäßig und unter Einhaltung aller demokratis­chen Standards gewählt wurde, einbinden.“

Eine Ausgrenzun­g „würde zu Spaltungen in der EU führen“. Weber

als Europas Brückenbau­er. „Wir als EVP haben eine klare Brandmauer gezogen“, sagte er. Nur, wo verläuft die rote Linie nach rechts? Der Niederbaye­r verweist auf die Bedingunge­n der EVP, die für den Austausch mit allen Gesprächsp­artnern erfüllt sein müssten: „pro Europa, pro Ukraine, pro Rechtsstaa­t.“Das schließe jede Kooperatio­n mit der PiS in Polen, der AfD in Deutschlan­d und den Rechtsextr­emen von Marine Le Pen in Frankreich kategorisc­h aus.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Weber die Machtbasis der EVP ausbauen will - oder vielmehr muss, seit sie nach Angela Merkels Abgang und dem Niedergang der französisc­hen Konservati­ven an Einfluss eingebüßt hat. Nur noch neun der 27 EU-Staats- und Regierungs­chefs gehören der christdemo­kratischen Parteienfa­milie an. Und so sucht Weber nach neuen Verbündete­n.

Auch wenn ein Beitritt der „Brüder Italiens“angeblich kein Thema ist, schließt Weber einen solchen Schritt nicht kategorisc­h aus. Meloni polterte während des Wahlkampfs lautstark gegen Europa, agiert jedoch seit ihrer Amtsüberna­hme auf EU-Ebene pragmatisc­h.

Trotzdem, besonders bei den Kollegen aus Skandinavi­en und den Benelux-Ländern kam Webers Flirt mit Meloni weniger gut an. Wie, so fragen sich manche deutsche Kollegen, wollen sich die CDU und CSU mit Blick auf den anstehende­n Europawahl­kampf nach Rechtsauße­n abgrenzen, wenn die EVP auf Europaeben­e den Kontakt zu den Ultrarecht­en in Italien sucht? „Webers Vorgehen beschädigt unsere Glaubwürdi­gkeit“, kritisiert­e ein Abgeordnet­er.

In den Reihen der Deutschen herrscht außerdem großer Unmut wegen Webers Gehalt als Parteichef. Laut Berichten erhält er rund 9.000 Euro netto monatlich, zusätzlich zu den Abgeordnet­endiäten. Rechtlich scheint laut Beschluss der politische­n EVP-Versammlun­g alles in Ordnung. Jedoch zielt die Kritik ohnehin eher auf die Art ab, wie er die Bezahlung kommunizie­rt hat. Es gebe den „Verdacht des Verschleie­rns“, so ein EVP-Kollege. Man hätte sich mehr Transparen­z gewünscht, meinte ein anderer. Weber widerspric­ht solchen Darstellun­gen.

Und als wäre das nicht schon genug, kam noch die Diskussion um die konservati­ve Malteserin Roberta Metsola auf. Weber brachte die Präsidenti­n des EU-Parlaments als EVP-Spitzenkan­didatin für die nächste Europawahl 2024 ins Spiel, obwohl der Posten der Kommission­sspitze mit einer anderen EVP-Frau bereits als besetzt gilt: Ursula von der Leyen. Sollte sie noch einmal antreten wollen, wovon alle ausgehen, wäre ihr das nicht zu nehmen, lautet die einhellige Meinung in EVP-Kreisen. Könnte am Ende Webers Stuhl wackeln? Offen äußern wollen sich die Kritiker in den Reihen der EVP nicht. „Abgerechne­t wird nach der Wahl.“Es klingt wie eine Warnung.

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Foto: Philipp von Ditfurth, dpa Es läuft gerade nicht rund für den Chef der konservati­ven EVP-Fraktion im europäisch­en Parlament: Manfred Weber steht in der Kritik.

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