Deutsche Post will den Tarifstreit schnell beilegen
Der Logistikkonzern hat 2022 erneut ein Rekordergebnis erzielt, stellt sich aber auf rauere Zeiten ein. Immerhin könnte der angedrohte unbefristete Streik von Verdi doch ausfallen. Am Freitag gibt es neue Gespräche.
Bonn Am Ende ist Frank Appel beinahe schon etwas genervt von dem Thema: Da legt der dienstälteste Dax-Vorstandschef zum 16. Mal eine Bilanz für sein Unternehmen vor, präsentiert zu seinem Abschied von der Deutschen Post zum zweiten Mal hintereinander Rekordzahlen und auch sonst ein Unternehmen in hervorragender Verfassung. Doch in der an die Vorstellung der Kennzahlen anschließenden Fragerunde geht es dann fast ausschließlich um den drohenden unbefristeten Streik der Verdi-Beschäftigten unter den Zustellerinnen und Zustellern in Deutschland.
Dem Post-Chef, der sich am 4. Mai endgültig auf den Vorstandsvorsitz bei der Telekom konzentrieren wird, den er bereits zum 7. April des vergangenen Jahres übernommen hat, geht es aber weniger um sich oder eine unzureichende Würdigung seiner Verdienste für das Unternehmen. Appel ist eher von der Sorge getrieben, dass die Transformation des ehemaligen Staatskonzerns zum größten Logistikdienstleister der Welt noch immer nicht ausreichend wahrgenommen wird in der deutschen Öffentlichkeit.
Für diesen Global Player mit erstmals über 600.000 Beschäftigten spielt das strukturell ohnehin schrumpfende Geschäft mit Briefen und Paketen in Deutschland längst nur noch eine untergeordnete Rolle. 14 Prozent hat die Sparte zum Rekordergebnis von 8,4 Milliarden Euro vor Steuern im Geschäftsjahr 2022 beigetragen. Wichtigster Umsatzbringer, mit einem Wachstum von über 30 Prozent, war die globale Logistiksparte. Den größten Beitrag zum Ergebnis leistete die Sparte DHL Express mit rund vier Milliarden Euro. Der Tarifstreit, sagte Appel „ist ein Thema, aber nicht das zentrale Thema dieser Gruppe.“
15 Prozent mehr bei einem Jahr Laufzeit des Tarifvertrags fordert die Gewerkschaft Verdi. Nachdem mehrere Verhandlungsrunden gescheitert waren, hatte sie zu einer Urabstimmung für einen unbefristeten Streik aufgerufen und einige Stunden nach dem Auftritt des Post-Vorstands am Donnerstagnachmittag das allgemein erwartete Ergebnis präsentiert: fast 86 Prozent Zustimmung für den Arbeitskampf.
Dennoch können Postkundinnen und -kunden hoffen, dass es nicht zu einer Neuauflage des Postchaos aus den vergangenen Monaten kommt. Denn Verdi erklärt auch, an den Verhandlungstisch zurückkehren zu wollen, und zwar schon an diesem Freitag. Damit komme man der Forderung der Deutschen Post nach, sagt die Verdi-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis. Und weiter: „Die Deutsche Post AG steht jetzt in der Verantwortung, durch eine deutliche materielle Verbesserung des abgelehnten Angebots einen unbefristeten Streik abzuwenden.“
Das Ziel, schnell einen tragbaren Abschluss zu finden, hat auch die Post bekräftigt. Appel betont noch einmal die roten Linien des Unternehmens: „Wir können keine Dinge tun, die nachhaltig diese Division beschädigen.“Dies sei langfristig auch schlecht für die Mitarbeiter. Mit Hinblick auf die Argumentation
der Gewerkschaft, ein Unternehmen, das zweimal hintereinander Rekorde eingefahren hat und nun 2,2 Milliarden Euro an Dividende ausschütte, müsse auch die Beschäftigten stärker beteiligen, wird der Post-Chef noch einmal energisch: „Nicht ein Eurocent dieser Dividende wird aus dem Deutschlandgeschäft finanziert“, sagt Appel. Im nationalen Geschäft bleibe nach Abzug der Steuern schlicht nichts mehr übrig. Zudem investiere man mehr, als man in Deutschland verdient habe.
Viel investieren will die Post auch in den kommenden Jahren. Bis 2025 sind dafür zehn bis zwölf Milliarden Euro eingeplant. Das Geld dafür ist vorhanden. Trotz zuletzt rückläufiger Zahlen erwartet Appels Nachfolger Tobias Meyer für das kommende Jahr einen Vorsteuergewinn zwischen sechs und sieben Milliarden Euro. 2025 sollen es dann bereits wieder mehr als acht Milliarden sein. Weiteres Wachstum sollen vor allem das Frachtgeschäft und die Expresslogistik bringen. Auch die Anstrengungen zum Klimaschutz sollen zunehmend kommerzialisiert werden, da die Post ihren Kunden zunehmend CO2-freie Logistikdienstleistungen anbieten kann. „E-Commerce ist noch mindestens ein Jahrzehnt Wachstumstreiber für logistische Aktivitäten“, ist sich Meyer sicher.