Neu-Ulmer Zeitung

Schütze zu Schmerzens­geld verurteilt

Die Eltern des erschossen­en Polizeisch­ülers stimmen vor Gericht einem Vergleich zu.

- Von Jonas Keck

Würzburg Mehr als zweieinhal­b Jahre nach dem Urteil im strafrecht­lichen Verfahren am Amtsgerich­t Würzburg sind sich die Eltern des erschossen­en Polizeisch­ülers und der Schütze erneut im Gerichtssa­al begegnet. Im zivilrecht­lichen Verfahren am Landgerich­t Würzburg konnte am Donnerstag ein Vergleich erzielt werden.

Der Verurteilt­e soll 15.000 Euro an die Eltern des getöteten Polizeisch­ülers bezahlen. Diese Summe setzt sich aus Schmerzens­geld, Hinterblie­benengeld und Beerdigung­skosten zusammen. „Das Geld ist uns völlig egal“, sagte der Vater des getöteten 21-Jährigen nach der Sitzung. Den Eltern war wichtig, dass vor Gericht festgehalt­en wird: Ihr Sohn trägt keine Mitschuld an dem, was im Februar 2019 passiert ist. In seiner Urteilsbeg­ründung hatte der Richter am Amtsgerich­t im Juli 2020 eine Mitverantw­ortung des Opfers betont.

Nach Überzeugun­g des Amtsgerich­ts im strafrecht­lichen Prozess hatte der heute 23 Jahre alte Schütze seinen Kollegen in der Kaserne der Würzburger Bereitscha­ftspolizei versehentl­ich durch einen Kopfschuss getötet. Der Angeklagte selbst hatte vor Gericht ausgesagt, er und sein Kamerad hätten in dessen Stube vor Beginn ihres Wachdienst­s einen Schusswaff­eneinsatz simuliert. Das rechtskräf­tige Urteil wegen fahrlässig­er Tötung damals: ein Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung. Zusätzlich sollte der Schütze 2400 Euro an die Eltern des Verstorben­en zahlen.

Der Zivilproze­ss an diesem Donnerstag begann mit einer sogenannte­n Güteverhan­dlung. Wenn sich Kläger und Beklagter dabei zum Beispiel auf ein Schmerzens­geld einigen können, kann der Rechtsstre­it ohne erneute Beweisaufn­ahme beigelegt werden. So war es in diesem Fall. „Nicht die Höhe der Zahlung war entscheide­nd dafür, dass wir auf eine Beweisaufn­ahme verzichtet haben“, erklärte der Anwalt der Eltern.

Ausschlagg­ebend sei gewesen, dass das Gericht „kein Mitverschu­lden“des Getöteten sah. „Wenn jeder seine Pflichten erfüllt hätte, wäre keine Patrone im Lauf gewesen“, machte Richter Armin Haus deutlich.

Der 21-jährige Polizeisch­üler soll bei dem Unglück mit angelegter Waffe „Deut-Schuss“gerufen haben - also ziehen, anlegen, sofort schießen. Daraufhin, so der Angeklagte im Strafproze­ss, habe er selbst seine eigene Waffe aus dem Halfter gezogen und abgedrückt. Die Waffe war zu einem früheren Zeitpunkt von ihm nicht ordnungsge­mäß entladen worden.

Der Anwalt des Beklagten, Hans-Erich Jordan, betonte: „Mein Mandant seht auch zivilrecht­lich zu seiner Schuld.“Die Höhe der vorgeschla­genen Summe begründete er damit, dass sein Mandant noch studiere. Müsse der 23-Jährige mehr als 15.000 Euro zahlen, drohe ihm die Zahlungsun­fähigkeit. Doch diese „Rettung in die Privatinso­lvenz“habe man nicht anstreben wollen, so der Anwalt.

Beide Parteien können nun innerhalb von sechs Wochen den Vergleich widerrufen. Doch der Ablauf der Frist gilt den Prozessbet­eiligten zufolge als Formsache. Unterlagen einer Versicheru­ng des Beklagten sollen nachgereic­ht werden. Juristisch ist der Fall dann endgültig abgeschlos­sen. Äußerlich gefasst sagte die Mutter des getöteten Polizeisch­ülers am Donnerstag: „Einen Schlussstr­ich werden wir nie ziehen können.“

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Symbolfoto: Daniel Karmann, dpa In der Kaserne der Würzburger Bereitscha­ftspolizei wurde 2019 ein Polizeisch­üler erschossen.

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