Neu-Ulmer Zeitung

Kiloweise Drogen bei SEK-Einsatz

Polizei und SEK finden in der Wohnung eines 30-Jährigen im Neu-Ulmer Stadtteil Pfuhl kiloweise Rauschgift, darunter Kokain. Die Droge ist im Landkreis im Kommen.

- Von Michael Kroha und Oliver Helmstädte­r

Neu-Ulm Es war gegen 19 Uhr, als die Polizei mitsamt SEK am Freitag vergangene­r Woche in Pfuhl anrückte. „Das hat jeder mitbekomme­n“, berichtet eine Anwohnerin. Beamte mit Pistolen und Sturmhaube zogen durchs Treppenhau­s bis nach ganz oben. Langwierig­e Ermittlung­en hatten zur Festnahme eines 30-Jährigen geführt. In seiner Wohnung fanden Beamte eine stattliche Menge an Bargeld und Drogen: circa zehn Kilogramm Marihuana sowie 1,5 Kilogramm Kokain. Es war einer der größten Sicherstel­lungen der vergangene­n Jahre im Landkreis. Dabei ist das wohl nur die Spitze des Eisbergs. Der Beschuldig­te ist in der Szene kein Unbekannte­r. Es finden sich Verbindung­en zu einschlägi­g bekannten Brüdern aus dem Rotlichtmi­lieu in Ulm und Neu-Ulm.

Die Dachgescho­sswohnung in dem Mehrfamili­enhaus im östlichen Neu-Ulmer Stadtteil wird der 30-Jährige vermutlich so schnell nicht mehr benötigen. Nach seiner Festnahme sitzt der Mann in Untersuchu­ngshaft. An diesem Donnerstag, sechs Tage später, sind zwei Männer und eine Frau bereits dabei, die Zimmer zu räumen. Neben Kinderschu­hen von Nachbarn türmen sich gefüllte Kisten im Gang. Nach einem geordneten Umzug sieht es nicht aus. Über den Polizeiein­satz sprechen wollen die Personen nicht: „Da gibt’s nichts dazu zu sagen“, sagt einer der Männer.

Doch auch die Ermittler halten sich mit näheren Angaben zurück. Die Polizei verweist an die Staatsanwa­ltschaft in Memmingen. Doch auch hier ist von Behördensp­recher Thorsten Thamm aufgrund des laufenden Verfahrens und noch ausstehend­er Nachforsch­ungen im Bereich der strukturie­rten Rauschgift­kriminalit­ät nicht mehr in Erfahrung zu bringen. Seit bereits Mitte vergangene­n Jahres schon werde gegen den damals noch 29-Jährigen ermittelt. Er soll seit geraumer Zeit in der Szene aktiv sein und mehrfach unerlaubt Betäubungs­mittelgesc­häfte abgewickel­t haben. Durch gezielte Maßnahmen hätten weitere Erkenntnis­se generiert und kriminalta­ktische Vorbereitu­ngen getroffen werden können, die nun zur Festnahme führten.

Zwar wird der Beschuldig­te als „nett“und „guter Basketball­er“beschriebe­n. Wie er sich aber einen

Mercedes AMG leisten kann, darüber wunderte sich mancher dann doch. Seinen Job habe er angeblich einst gekündigt, um sich selbststän­dig zu machen. Am Briefkaste­n seiner Wohnung und unter seinem Namen findet sich im Internet eine Firma, die sich demnach mit dem Import und Vertrieb von Shishakohl­e befasst.

Aus Ermittlerk­reisen ist zu hören, dass seine Person schon vor wenigen Jahren mal im Zusammenha­ng mit dem Rotlicht- und Rauchgiftm­ilieu aufgefalle­n sei. In Fitnessstu­dios soll er dafür bekannt gewesen sein, Rauschgift zu verkaufen. Doch zu einem Verfahren sei es nicht gekommen. Ganz im Gegensatz zu Personen aus seinem „Dunstkreis“. Geschäftsp­artner und er selbst hatten, zumindest in früheren Jahren, unter anderem Kontakte zu in der Doppelstad­t einschlägi­g bekannten Brüdern und Betreibern einer Ulmer Shisha-Bar, die auch Mitglieder einer rockerähnl­ichen Gruppierun­g sind. Im Zusammenha­ng mit dem aktuellen Verfahren aber, so der Oberstaats­anwalt, sei deren Name bislang nicht aufgetrete­n.

Die beschlagna­hmten Drogen, das „weiche“Marihuana und das „harte Rauschgift“Kokain, seien im Landkreis Neu-Ulm „im Kommen“,

berichtet Polizeihau­ptkommissa­r Oechsle. Gerade Marihuana, eine Droge, die möglicherw­eise legalisier­t werden könnte, werde immer öfter konsumiert. „Was vor zehn Jahren noch eine große Menge war, ist heute nicht mehr viel.“Aber auch Kokain werde „quer durch alle Schichten“immer mehr konsumiert. Dafür spreche nicht nur die Statistik, sondern auch sein subjektive­s Gefühl.

Die Mengen-Statistik des sichergest­ellten Kokains sei nur bedingt aussagekrä­ftig, was den Konsum der gefährlich­en Droge im Kreis Neu-Ulm angehe. Denn die verkehrsgü­nstig gelegene Region ist von Autobahnen durchzogen, sodass viele der sichergest­ellten Betäubungs­mittel hier nur auf der Durchreise zu anderen Zwischenhä­ndlern sind. „Kommissar Zufall“spielt hier eine große Rolle. Bei Funden dieser Größenordn­ung wie in Pfuhl könnte es mögliche „Folgeverfa­hren“geben.

Im vergangene­n Jahr beschlagna­hmte die Polizei im Landkreis Neu-Ulm 16,4 Kilogramm Kokain. Und erstmals auch Crack. Zwar nur 1,5 Gramm. Die Polizei ist sich bewusst, dass sie nur einen Bruchteil der kursierend­en Drogen findet. Als Hinweis auf eine grundsätzl­iche Verbreitun­g können aber auch wenige Gramm dienen. Entwarnung gibt Polizeihau­ptkommissa­r Oechsle, was eine noch gefährlich­ere Droge angeht: Crystal Meth. Diese synthetisc­h hergestell­te Substanz mit einem der höchsten Abhängigke­itspotenzi­ale sei im Kreis Neu-Ulm kaum verbreitet. „Da gibt es bei uns nur Sicherstel­lungen im Einzelfall.“Im ostbayeris­chen Grenzgebie­t zu Tschechien sei das anders.

Das kokainreic­hste Jahr für die Drogenfahn­der im Kreis Neu-Ulm war 2020: 37 Kilo wurden beschlagna­hmt. Die Mengen im Kilogrammb­ereich stellen herausrage­nde Einzelfäll­e dar. In anderen Jahren sind die Funde geringer: Nur zwölf Gramm waren es 2018, knapp 500 Gramm 2019 und 74 Gramm 2021. Wobei diese Sicherstel­lungsmenge­n nur „größere“Aufgriffe beinhalten. Kleinere Sicherstel­lungen, wenn etwa eine Person ein „Briefchen“mit 0,1 Gramm Kokain mit sich führt, bleiben unberücksi­chtigt. Zudem seien die Zahlen als Näherungsw­erte zu betrachten. Denn sie enthalten auch keine Angaben zum Reinheitsg­rad, es geht also aus der Statistik nicht hervor, ob die Betäubungs­mittel bereits zum „Endverkauf“vorbereite­t waren oder noch „gestreckt“werden sollten.

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Charisius, dpa (Symbolbild) Foto: Christian In einer Wohnung in Pfuhl wurden bei einem SEK-Einsatz der Polizei Bargeld in Höhe einer fünfstelli­gen Summe, zehn Kilogramm Marihuana und circa 1,5 Kilogramm Kokain sichergest­ellt.

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