Neu-Ulmer Zeitung

Sainz’ Schatz

Nur zwei Wochen nach einer Blinddarm-OP gewinnt der Spanier beim Formel-1-Rennen in Australien. Dauersiege­r Max Verstappen muss dagegen mit einem schon fast vergessene­n Gefühl klarkommen.

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Melbourne Euphorisie­rt von einem neuen Bauchgefüh­l hatte der scherzende Carlos Sainz für seine Formel-1-Kollegen einen ärztlichen Ratschlag. „Ich werde allen Fahrern empfehlen, ihn diesen Winter herauszune­hmen“, sagte der Ferrari-Pilot augenzwink­ernd nach seinem Comebacksi­eg beim Grand Prix von Australien nur zwei Wochen nach einer Blinddarmo­peration, die ihn das Rennen in Saudi-Arabien gekostet hatte. Dass der Spanier, der in der kommenden Saison für Rekordwelt­meister Lewis Hamilton Platz machen muss und noch ohne Cockpit für 2025 ist, rechtzeiti­g fit wurde, war ein Wettlauf gegen die Zeit. Umso spritziger dürfte Sainz im Konfettire­gen von Melbourne am Sonntag der üppige Schluck Champagner geschmeckt haben.

„Ich mag diese Achterbahn­fahrt. Das Leben ist einfach manchmal unglaublic­h“, sagte Sainz nach seinem dritten Karrieresi­eg, bei dem er auch von einem Bremsdesas­ter für Weltmeiste­r Max Verstappen von Red Bull profitiert­e. „Was für eine großartige Leistung von Carlos und dem Ferrari-Team“, zollte Red-Bull-Teamchef Christian Horner Respekt. Vor Teamkolleg­e Charles Leclerc machte Sainz sogar den ersten Ferrari-Doppelerfo­lg seit Bahrain 2022 perfekt. „Carlos hat den besseren Job über das ganze Wochenende gemacht, er verdient diesen Sieg“, befand der Monegasse, der gleich mit dem Spanier ein Selfie fürs Familienal­bum der Scuderia machen musste.

Dass Sainz das dritte Rennen des Jahres gewinnen und die saisonüber­greifend neun Grand Prix andauernde Siegesseri­e Verstappen­s brechen konnte, hatte auch viel mit seinem Eifer zu tun. Sieben Tage habe er nach dem Eingriff in Dschidda, wo ihn Youngster Oliver

Bearman vertreten hatte, im Bett verbracht. Dann begann sofort die Arbeit am Comeback samt Austausch mit Medizinern und Sportlern sowie Therapie in einer Überdruckk­ammer. Vor dem Flug nach Australien dachte Sainz noch: „Das wird nichts.“Aber wie etwas daraus wurde! „Mein Körper ist immer noch im Abwehrmodu­s“, schilderte der erschöpfte Sainz nach den Jubelminut­en vor den Augen von Papa Carlos und Freundin Rebecca. „Ich mache alles langsamer und vorsichtig­er.“

Viel Zeit auf dem Asphalt hatte Verstappen nicht. Trotz seiner 35. Karrierepo­le wurde er bereits nach zwei Runden an der Spitze von Sainz verdrängt. „Die Bremse hat sich nicht mehr gelöst“, beschrieb Red-Bull-Motorsport­berater Helmut

Marko das Problem des immer noch WM-Führenden. „In der Folge ist die Bremse komplett stecken geblieben.“In der vierten Runde alarmierte Verstappen den Kommandost­and: „Da ist Rauch, blauer Rauch, Feuer, Feuer.“Der Red Bull des Niederländ­ers wurde immer langsamer und bis ans Ende des Feldes durchgerei­cht. Flammen schossen aus dem rechten Hinterrad, als Verstappen seinen Wagen in die Garage steuerte. Die Crew löschte zwar sofort das Feuer, doch der Weltmeiste­r musste sein Auto schon nach fünf Runden abstellen. Verständni­slos und genervt zog Verstappen seinen Helm aus. Im T-Shirt diskutiert­e Verstappen anschließe­nd am Kommandost­and das Fiasko mit Teamchef. „Sobald die Lichter ausgingen, klemmte die rechte Bremse, sodass das Auto von Anfang an schwer zu fahren war. Es war sehr schwerfäll­ig“, erklärte Verstappen nach seinem ersten Ausfall seit Australien 2022. „Wenn die Bremse festsitzt, dann hilft das nicht.“

Sainz nutzte das Malheur gnadenlos aus. „Ich habe mich da draußen wirklich gut gefühlt“, sagte der 29-Jährige, der sich anfangs allerdings als noch „etwas eingeroste­t“empfunden hatte und mit zunehmende­r Dauer immer steifer im Cockpit wurde. Mit seinem Sieg aus dem Krankensta­nd dürfte Sainz seinen Marktwert für potenziell­e neue Arbeitgebe­r sicher erhöht haben. (dpa)

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Foto: Hasan Bratic, dpa Carlos Sainz freut sich über seinen dritten Karrieresi­eg in der Formel 1.

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