Neu-Ulmer Zeitung

Scheuer und der lange Schatten des Maut-Debakels

Der Ex-Bundesverk­ehrsminist­er zieht sich ab sofort aus dem Bundestag zurück. Auch wenn er das Ausscheide­n aus der Politik schon angekündig­t hatte, kommt das nun doch überrasche­nd.

- Von Bernhard Junginger

Berlin Nein, ein Aprilscher­z sei seine Rücktritts­ankündigun­g nicht, so antwortete Andreas Scheuer auf Nachfragen von Medien. Weitere Erklärunge­n zu seinem freiwillig­en Ausscheide­n aus dem Parlament lehnte der CSU-Politiker indes ab. Der 49-Jährige hatte zuvor mitgeteilt: „Nach dem heutigen 1. April 2024 lege ich mein Mandat als Mitglied des Deutschen Bundestags nieder.“

Scheuer dankte zudem „den vielen Menschen für die Unterstütz­ung, die Treue und das Vertrauen über eine so lange Zeit“. Weiter schrieb er: „Es war mir eine Ehre, für unser Land und für meine Heimat arbeiten zu dürfen.“Die Bundestags­verwaltung bestätigte den Schritt Scheuers, der bereits im Januar angekündig­t hatte, bei der nächsten Bundestags­wahl nicht mehr antreten zu wollen.

Der Niederbaye­r Scheuer galt lange Zeit als Nachwuchsh­offnung der CSU, bevor er durch seine Rolle bei der Pleite um die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschlan­d eher zur Belastung für seine Partei wurde.

In den Bundestag war Scheuer 2002 eingezogen, er vertrat dort den Stimmkreis Passau. Von 2009 bis 2013 war Scheuer Staatssekr­etär im Bundesverk­ehrsminist­erium, das damals sein Parteifreu­nd Peter Ramsauer führte. Anschließe­nd beförderte ihn der damalige CSU-Chef Horst Seehofer zum Generalsek­retär, eine Rolle, in der der wortgewand­te, locker wirkende Christsozi­ale durchaus Akzente setzen konnte.

Nach der Bundestags­wahl 2018 zog er als Bundesverk­ehrsminist­er ins vierte und letzte Kabinett von Angela Merkel (CDU) ein. Dort übernahm er von seinem Parteifreu­nd und Amtsvorgän­ger Alexander Dobrindt das Vorhaben, in Deutschlan­d eine Pkw-Maut einzuführe­n. Mit dieser Forderung war die CSU 2013 unter dem Stichwort „Ausländerm­aut“in den Wahlkampf gezogen.

Kanzlerin Merkel hatte allerdings eine Bedingung gestellt, die sich als höchst problemati­sch erweisen sollte: Deutsche Autofahrer dürften dadurch nicht zusätzlich belastet werden. So präsentier­te Dobrindt 2014 schließlic­h ein Konzept, nachdem faktisch nur Autofahrer aus dem Ausland für die Nutzung der deutschen Autobahnen

zahlen sollten. Denn Deutsche sollten gleichzeit­ig über die KfzSteuer entlastet werden. Experten jedoch zweifelten von Anfang an daran, dass dies mit dem Gleichheit­sgrundsatz der EU zu vereinbare­n sei. Bedenken gab es auch an der Rentabilit­ät und in Sachen Datenschut­z.

Als Dobrindts Nachfolger war es Scheuer, der die Maut-Pläne weiter vorantrieb – allzu forsch, zumindest sahen das später seine Kritiker so. Im Dezember 2018 teilte er mit, dass sein Ministeriu­m den Auftrag zur Erhebung der Maut an die bis dahin vor allem als Konzertkar­tenverkäuf­er in Erscheinun­g getretene Firma CTS Eventim und den österreich­ischen Mautbetrei­ber Kapsch TrafficCom vergeben habe. Der Vertrag habe ein Volumen von rund zwei Milliarden Euro und eine Laufzeit von mindestens zwölf Jahren. Doch 2019 machte der Europäisch­e Gerichtsho­f den Maut-Plänen ein Ende. Sie diskrimini­erten ausländisc­he Fahrzeugha­lter in unzulässig­er Weise.

Scheuer kündigte zwar die Betreiberv­erträge mit den beiden Firmen umgehend, doch die klagten auf Schadenser­satz. Schließlic­h kam es zu einem Vergleich, der den deutschen Steuerzahl­er 243 Millionen Euro kostete. Gegen Scheuer wurden massive Vorwürfe laut, doch das Bundesverk­ehrsminist­erium, heute geführt von FDPMann Volker Wissing, sah von einer Klage ab, nachdem ein Gutachten im Dezember 2023 geringe Erfolgsaus­sichten prophezeit hatte. Gleichzeit­ig wurde betont, dass man Scheuer weiter für den politische­n Verantwort­lichen halte. Scheuer hatte sich gegen Schuldzuwe­isungen stets gewehrt. Doch auch innerhalb der CSU war der Ex-Verkehrsmi­nister zuletzt zunehmend in die Kritik geraten. Zu seinen Zukunftspl­änen machte Scheuer nach seinem Bundestags­Rücktritt zunächst keine Angaben.

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Foto: Nietfeld, dpa Scheuer (CSU) hat sein Bundestags­mandat niedergele­gt.

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