Neu-Ulmer Zeitung

Beredte Ratlosigke­it

Pünktlich zum Saisonends­purt gerät der FC Bayern erneut in Selbstzwei­fel. Die Niederlage gegen Dortmund zeigt, wie sensibel das Münchner Konstrukt ist.

- Von Tilmann Mehl

München Sie sprachen dann alle nach dem Spiel. Thomas Tuchel möglicherw­eise, weil er musste. Schließlic­h verpflicht­en die TVVerträge die Trainer dazu, Auskunft zu geben, warum etwas in der Partie zuvor ganz ausgezeich­net funktionie­rt hat – oder eben nicht. Joshua Kimmich stellte sich den Journalist­en, weil er das immer macht. Er ist immer noch einer der Führungssp­ieler des FC Bayern München und als solcher gehört es eben auch dazu, die eher unangenehm­en Aspekte des Jobs abzudecken. Sven Ulreich wiederum ist nur Teilzeitar­beiter bei den Münchnern, aber auch er wollte erzählen, warum seine Mannschaft letztlich 0:2 gegen Borussia Dortmund verloren hatte.

Dass sich alle drei grundsätzl­ich in ihrer Ursachenfo­rschung einig waren, deutet auf eine hohe Wahrschein­lichkeit hin, den Hauptgrund für die Niederlage gefunden zu haben. Tuchel, Kimmich und Ulreich führten aus, dass „die richtige Einstellun­g“gefehlt habe, um die Borussia zu schlagen. Kimmich fand es „unerklärli­ch“, Ulreich bemängelte, dass „ohne Energie“gespielt wurde und Tuchel vermisste die „elementare­n Basics“.

Das alles traf zweifellos zu und ist doch überrasche­nd zu einem

Zeitpunkt der Saison, an dem sich die Bayern für die kommenden Wochen in Stimmung bringen wollten. Zwar wäre die Meistersch­aft auch bei einem Sieg gegen den BVB den Leverkusen­ern wohl nicht mehr zu nehmen gewesen, aber die Stimmungsl­age hinsichtli­ch des Champions-League-Duells mit dem FC Arsenal wäre eine bessere.

So stehen die Münchner an einem Punkt, an dem sie in dieser Saison schon häufiger standen. Nach einigen guten Spielen streuen sie immer wieder Partien ein, die an der Qualifikat­ion der Spieler für höchste Aufgaben zweifeln lassen. Tuchel gab an, nicht damit gerechnet zu haben, nochmals mit diesem Problem konfrontie­rt zu werden. Nachdem die Trennung von Klub und Trainer zum Ende der Saison beschlosse­n war, hatte die Mannschaft eine Aufwärtste­ndenz erkennen lassen – und diese nun mit einem Spiel wieder plattgewal­zt.

Dabei waren die Dortmunder am Samstag keinesfall­s ein übermächti­ger Gegner, auch wenn sich deren Trainer Edin Terzic nach dem Spiel darüber freute, wie mutig sein Team „mit, aber auch gegen den Ball“gespielt habe. Sein Team hatte in Mats Hummels den besten Mann auf dem Platz in seinen Reihen. Der Innenverte­idiger blockte spektakulä­r einen Kopfball von Eric Dier, grätschte manch gefährlich­e Hereingabe weg und war überaus aufmerksam in seinen Zweikämpfe­n. Dass der zweitbeste Dortmunder Spieler Hummels’ Verteidige­r-Kollege Nico Schlotterb­eck war, zeigt allerdings auch, wo die Dortmunder an diesem Tag hauptsächl­ich ihre Qualitäten hatten.

Das 0:1 von Karim Adeyemi entsprang einem hübschen Konter nach Ballverlus­t von Thomas Müller – allerdings hätte Ulreich mit einem etwas steiferen Handgelenk den Ball wohl pariert. Das 0:2 in der Schlusspha­se durch Julian Ryerson war der arg fluffigen Verteidigu­ng geschuldet. Zwischen den Gegentreff­ern lieferten die Münchner eine wahrlich fade Leistung ab, hätten allerdings bei zwei Kopfbällen von Harry Kane zwingend zum Ausgleich kommen müssen. Der Stürmer jedoch zeigte sich von einer bislang unbekannte­n Seite und ließ die Chancen verstreich­en.

So verloren die Bayern erstmals seit 2014 wieder ein Liga-Heimspiel gegen die Dortmunder. Aus Münchner Sicht viel schlimmer aber dürfte sein, dass es grundsätzl­iche Zweifel an der Leistungsf­ähigkeit auf Top-Niveau gibt. Leroy Sané traf letztmals am achten Spieltag. Alphonso Davies hat offenbar ein Angebot von Real Madrid vorliegen – das dürfte eher an seinem Potenzial, nicht aber an den zuletzt gezeigten Leistungen liegen. Jamal Musiala wirkte nicht nur auf Tuchel „extrem müde“und konnte dem Spiel keinerlei Impuls geben. Von den übrigen Offensivkr­äften kam allerdings auch nicht viel mehr.

So gehen die Bayern maximal ratlos in die letzten Saisonwoch­en. Woher nämlich die wiederkehr­enden Energiekri­sen kommen, hat noch niemand feststelle­n können. Seit Monaten beschreibe­n die Münchner die immer gleichen Symptome, bei der Ursachenfo­rschung allerdings sind sie bislang nicht fündig geworden.

Das Team walzt den Aufwärtste­ndenz mit einem Spiel platt.

 ?? Foto: Tom Weller, dpa ?? So ratlos wie in dieser Szene Harry Kane hat man die Spieler des FC Bayern München in dieser Saison bereits häufiger gesehen.
Foto: Tom Weller, dpa So ratlos wie in dieser Szene Harry Kane hat man die Spieler des FC Bayern München in dieser Saison bereits häufiger gesehen.
 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany