Neu-Ulmer Zeitung

Wachablösu­ng?

Während Novak Djokovic abgetaucht ist, gewinnt Jannik Sinner in Serie. Viel deutet darauf hin, dass der junge Südtiroler die Dominanz des Serben beenden kann.

- Von Jörg Allmeroth

Miami Eigentlich ist alles wie immer im Welttennis der Männer. Ein Spieler beherrscht die Saison schon früh, er gewinnt die großen Turniere mit Souveränit­ät und Selbstvers­tändlichke­it. Er zeigt die stärksten Auftritte immer dann, wenn es darauf ankommt, in den letzten, alles entscheide­nden Wettbewerb­srunden.

Nur: Dieser Spieler heißt nicht mehr Roger Federer. Nicht Rafael Nadal. Und auch nicht Novak Djokovic. Er heißt Jannik Sinner.

Der junge Südtiroler, der am Sonntag das schillernd­e MastersTur­nier in Miami 6:3 und 6:1 gegen den Bulgaren Grigor Dimitrow gewann, ist der herausrage­nde Spieler der laufenden Saison. Rein statistisc­h mag Sinner seit Ostersonnt­ag „nur“die Nummer 2 der Weltrangli­ste sein – die bisher höchste Einstufung in seiner Karriere –, gefühlt ist er im Hier und Jetzt die Nummer eins. Der Mann auf dem Gipfel. „Es gibt im Moment keinen besseren Spieler“, sagte Veteran Dimitrow nach seiner Niederlage, „dies Jetzt, das ist seine Zeit.“Die Zeit von Sinner.

Dimitrow war selbst eine außerorden­tliche Geschichte des Florida-Masters. Der ehemalige ATPWeltmei­ster, ein begnadetes Talent, das stets an Roger Federer erinnerte, begeistert­e mit Triumphen über gleich drei Top-TenSpieler (Hubert Hurkacz, Carlos Alcaraz, Alexander Zverev), ehe ihn Sinner dann komplett chancenlos aussehen ließ. Nur 74 Minuten dauerte das einseitige Finale, in dem Sinner von Anfang an Selbstgewi­ssheit und Zuversicht ausstrahlt­e. „Auf der Zielgerade­n habe ich mein Niveau hier in Miami dramatisch gesteigert“, sagte der 22-jährige Südtiroler. Bei seinem Konkurrent­en, so gab Dimitrow zu Protokoll, habe er „null Zweifel“erkennen können: „Das ist schon Wahnsinn.“

Kann Sinner noch in dieser Saison auch schwarz auf weiß einen Machtwechs­el schaffen und auf Platz eins springen? Seine Kontinuitä­t auf höchstem Niveau kommt in einer Phase, in der sich neue Zweifel an Novak Djokovic regen. Der 36-jährige Serbe, jahrelang der Welt-Beherrsche­r im Circuit, kommt 2024 überhaupt nicht auf Touren. Ermüdungse­rscheinung­en? Motivation­sprobleme nach der jahrelange­n Hetzjagd um alle möglichen Rekorde?

Während Sinner und Co. noch in Miami um den Titel kämpften, ließ die Meldung aufhorchen, dass der „Djoker“seinen Trainer-Weggefährt­en Goran Ivanisevic gefeuert hatte. Das Masters im Süden des Sunshine State hatte Djokovic aus „privaten Gründen“sausen lassen. Zuvor war Djokovic nach der Sensations-Niederlage in Indian Wells Anfang März gegen den italienisc­hen Nobody Luca Nardi (in der ATP-Weltrangli­ste auf Platz 123) verblüfft und konsternie­rt gewesen, „dass ich jetzt hier stehe und noch keinen Titel in der Saison geholt habe“.

Sinner dagegen marschiert weiter mit einer Zielstrebi­gkeit, die ihn zu einem potenziell­en Erben des Imperiums der „großen Drei“adelt. Im bisher vielleicht wichtigste­n Saisonspie­l hatte er im

Australian-Open-Halbfinale dem dortigen Seriensieg­er Djokovic praktisch keine Siegmöglic­hkeit gelassen, anschließe­nd holte er sich dann auch den ersten Grand -Slam-Titel. 22 von 23 Matches hat der elegante Bursche aus dem Pustertal in der Spielzeit 2024 gewonnen, nur gegen Generation­skollege Alcaraz musste er sich in Indian Wells beugen. Sinner und Alcaraz: Es könnte ohnehin der Zweikampf der Zukunft sein – oder auch schon der Gegenwart des laufenden Jahres.

Für Sinner folgt nun die herausford­erndste Zeit der Saison, die rutschige Tour durch die Sandplatz-Arenen. Dort habe er den größten „Aufholbeda­rf“gegenüber den mächtigste­n Konkurrent­en wie Alcaraz, sagt der 22-Jährige. Im vergangene­n Jahr endeten seine noch mittelpräc­htigen Asche-Abenteuer denkwürdig, in der zweiten French Open-Runde verlor er gegen den krassen deutschen Außenseite­r Daniel Altmaier. Schwer vorstellba­r, dass ihm ein ähnlicher Fauxpas noch einmal passieren könnte.

 ?? Foto: Asanka Brendon Ratnayake, dpa ?? Jannik Sinner (links) schickt sich gerade an, die langjährig­e Dominanz von Novak Djokovic im Männer-Tennis zu beenden.
Foto: Asanka Brendon Ratnayake, dpa Jannik Sinner (links) schickt sich gerade an, die langjährig­e Dominanz von Novak Djokovic im Männer-Tennis zu beenden.

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