Hunderte sind beim Ostermarsch unterwegs
Für eine friedvolle Welt ohne Waffen sind in Ulm Menschen auf die Straße gegangen. Redner kritisierten Aufrüstung, Waffenlieferungen an die Ukraine und Israels Rolle in Gaza.
Ulm Die Route des Ostermarsches führte die rund 200 Teilnehmenden am Ostersamstag direkt an den Rüstungsunternehmen Hensoldt, Airbus und Thales in der Ulmer Weststadt vorbei und kulminierte in eine Kundgebung auf dem Hans-und-Sophie-Scholl-Platz, wo sie von etwa 100 weiteren Demonstrierenden bereits erwartet wurden. Auf Plakaten und Fahnen wurden Friedenssymbole gezeigt und pazifistische Slogans aufgegriffen, auf einem Plakat wurde ein „Boykott Israels“gefordert.
Anders als im vergangenen Jahr gab es im Publikum keine Manifestationen von sogenannten Querdenkern und Verschwörungsideologen, obwohl einige Führungsfiguren sich unter die Menge gemischt hatten. Diesmal hatten die
Organisatoren offenbar Vorsorge getroffen. Aufgerufen dazu hatte ein Aktionsbündnis aus pazifistisch orientierten Vereinigungen wie die Ulmer Ärzteinitiative gegen den Atomkrieg, die Friedenswerkstatt Ulm und der Ulmer Weltladen. Als einzige Partei war die winzige DKP unter den Unterzeichnenden. Das offizielle Ulm und seine Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik waren der Veranstaltung fern geblieben.
In seiner Eröffnungsrede sagte Lothar Heusohn, einer der Initiatoren: „75 Jahre Nato sind kein Grund zum Feiern.“Statt an „der Spirale der Aufrüstung und Eskalation“weiterzudrehen und Deutschland „kriegstüchtig“zu machen, griff er eine Formulierung von Verteidigungsminister Pistorius auf, gelte es die „Friedensfähigkeit“des Landes zu erhöhen und eine neue Entspannungspolitik einzuleiten. Den
Krieg im Gaza-Streifen nannte er einen „genozidalen Krieg Israels“. Heusohn berief sich auf Hans und Sophie Scholl und auch auf ihre Schwester Inge, die Gründerin der Ulmer Volkshochschule und deren ablehnende Haltung zu (Hitlers)
Krieg und die spätere (Wieder-)Aufrüstung in der jungen Bundesrepublik, ohne jedoch deren Aussagen in den jeweiligen historischen Kontext zu stellen. Noch deutlicher zur Sache ging Alexander Kleiß von der Tübinger „Informationsstelle Militarisierung“, eines ultra-linken Vereins, der sich mit Militarisierung beschäftigt.
Waffenlieferungen an die Ukraine seien abzulehnen, denn sie erhöhten die Gefahr eines Krieges zwischen der Nato und Russland, so der Aktivist. Er bezichtigte „den Westen“, hinter der Eskalation im Ukraine-Krieg zu stehen und behauptete: „Der Westen wollte keine Verhandlungslösung“und die Nato habe auch jetzt „kein Interesse daran“.
Sie liefere der Ukraine Waffen „ohne Sinn und Verstand“. Den Namen Putin erwähnte er nicht. Der Überfall Russlands auf den Nachbarstaat diente ihm dazu, die westlichen Reaktionen darauf zu kritisieren. Die Bundeswehr sei längst inmitten „einer beispiellosen Aufrüstung“. Hier werde Geld vergeudet, das an anderer Stelle dringend benötigt werde.
In einer weiteren Rede wurde der inhaftierte Whistleblower Julian Assange zitiert. Demnach diene
Rüstung lediglich dazu, „Geld aus unseren Taschen zu nehmen und es den oberen Zehntausend zu geben“. Die Rüstungsindustrie betreibe nichts anderes als „Geldwäsche“. Gestützt werde sie in einer „Allianz“von den „MainstreamMedien“, welche die „Lügen über den Krieg“weiterverbreiten würden. Der Beitrag endete mit der Behauptung, „in Demokratien wird über den Krieg mehr gelogen als in Autokratien“.
Aus der Menge wurde solchen Behauptungen nicht widersprochen. Wie aus einigen Gesprächen mit Teilnehmenden herauszuhören war, wollten diese bei dem Ostermarsch in erster Linie ihre generelle Ablehnung von Waffengewalt bekunden. Auf eine Unterscheidung zwischen Verteidigungsund Angriffskrieg wolle sie sich nicht einlassen, machte eine Teilnehmerin deutlich. Kommentar
In Europa herrscht wieder Krieg, aber der traditionsreiche Ulmer Ostermarsch ist geschrumpft. Waren es in den Hochzeiten der Friedensbewegung in den 1980ern noch Tausende, die auf die Straße gingen für „Frieden schaffen ohne Waffen“, sind es jetzt noch wenige Hundert. Stand damals ein breites Bündnis hinter der Ablehnung der Aufrüstung der Nato mit Pershing-Raketen, dominieren heute streng pazifistische bis weit links verortete Positionen.
Ihre Kritik am Krieg ist zu speziell, zu einseitig und zu schablonenhaft – und wie sich am Samstag gezeigt hat, sogar offen für Verschwörungsbehauptungen. Mitten drin die obligatorische „westliche Elite“, die mal wieder im Hintergrund die Fäden zieht. Wer lediglich die westliche Politik anprangert, den russischen Aggressor Putin aber in einen Nebensatz abschiebt und die Konsequenzen seines möglichen Sieges über die Ukraine ganz ausblendet, darf sich nicht wundern, wenn die Allermeisten der Kämpen von einst der Veranstaltung inzwischen fernbleiben. Die Friedensbewegung reichte einmal bis weit in kirchliche Kreise und ins liberale, aufgeschlossene Bürgertum hinein. Ein Angriffskrieg Russlands schien für dieses Bündnis damals ausgeschlossen, das war der Kitt, der es über politische und weltanschauliche Grenzen hinweg zusammenhielt. Und heute? Gelten jene, die eine Waffenunterstützung für die überfallene Ukraine befürworten, dem verbliebenen Rest der Friedensbewegung als die eigentlichen Kriegstreiber.
„Für eine differenzierte Diskussion ist kein Platz mehr“, heißt es aus dem Kreis jener, die sich von den Ostermarsch-Organisatoren brüskiert fühlen und sich längst zurückgezogen haben. Die Welt habe sich verändert, lautet ihr Argument, um ihren Sinneswandel zu erklären. Blindwütige Militaristen sind sie deswegen noch lange nicht geworden, kritische Geister sind sie geblieben. Doch sich mit Anwürfen, die Ukraine sei ein „faschistischer Staat“auseinanderzusetzen, dazu haben sie schlicht keine Lust.
Redner bezeichnet Aufrüstung der Bundeswehr als Geld-Vergeudung.