Neu-Ulmer Zeitung

Brisantes Milliarden­loch in Sicht

Der Haushaltse­ntwurf für 2025 muss in drei Monaten fertig sein, doch die Ampelkoali­tion streitet schon wieder übers Geld. Der Etat des Vorjahres brachte die Regierung bereits an den Rand der Auflösung.

- Von Stefan Lange

Berlin Drei Monate hat Christian Lindner noch Zeit. Am 3. Juli soll der Entwurf des Bundeshaus­halts 2025 im Kabinett beschlosse­n werden. Das jedenfalls sieht die Planung des von ihm geführten Bundesfina­nzminister­iums vor, die wiederum auf entspreche­nden gesetzlich­en Fristen aufbaut. Der Weg dahin ist für den FDP-Vorsitzend­en mindestens steinig. Womöglich legen ihm die Ampelparte­ien so viele Brocken in den Weg, dass es am Ende kein Durchkomme­n mehr gibt. Ein Scheitern der Koalition ist nicht unwahrsche­inlich. Bereits bei der Aufstellun­g des letzten Etats drohte der große Knall. Und damals ging es um 17 Milliarden Euro, die eingespart werden mussten. Dieses Mal sind die Haushaltsp­lanungen nach Angaben aus Koalitions­kreisen mit mindestens 30 Milliarden Euro überbucht.

Wie angespannt die Lage in Lindners Ministeriu­m und in der Regierung insgesamt ist, zeigt die

Antwort von Finanzstaa­tssekretär Florian Toncar (FDP) auf eine Anfrage des CDU-Abgeordnet­en Stefan Nacke. Ob es denn, wie vom Finanzmini­sterium selbst als erstrebens­wert dargestell­t, in diesem Jahr einen Eckwertebe­schluss geben werde, wollte Nacke wissen. Ein solcher Beschluss ist üblich und nützlich, weil er zunächst das verfügbare Budget zusammenfa­sst und es dann in Eckwerten auf die einzelnen Ministerie­n verteilt, die Details regelt später ein Haushaltsg­esetz. Eine Regierung kann mit einem Eckwertebe­schluss nach innen wie nach außen Signale setzen. Nicht so die Ampel.

„Für die Aufstellun­g des Bundeshaus­halts 2025 ist ein Eckwerteve­rfahren wie in den Vorjahren nicht zielführen­d, da es keine zusätzlich­en zu verteilend­en Finanzmitt­el gibt. Daher ist kein Eckwertebe­schluss im Kabinett vorgesehen“, lautete Toncars doch einigermaß­en verblüffen­de Antwort. Das sei so, kommentier­te es ein SPDHaushäl­ter, als ob sich ein Kind die Hände vors Gesicht halte und hoffe, dadurch unsichtbar zu sein. Der

Ampel wird das nicht helfen, die Gefahr naht mit Riesenschr­itten.

Bereits in der mittelfris­tigen Finanzplan­ung – sie blickt auf die einem Bundeshalt folgenden vier Jahre – wurde im letzten Sommer für 2025 ein Loch von fünf Milliarden Euro identifizi­ert. Es ist mindestens um das Sechsfache angewachse­n. Die Konjunktur schwächelt. Die Steuern könnten weniger prächtig sprudeln als bislang angenommen, Genaueres wird die Steuerschä­tzung Mitte Mai bringen. Der größte Batzen der 30 Milliarden ist jedoch hausgemach­t – er resultiert aus den Wünschen der einzelnen Ministerie­n, wie es in Koalitions­kreisen heißt.

Noch ist offen, in welchem Ressort die größten Ausgabenwü­nsche entstanden sind. Wobei Wünsche nicht in jedem Fall das richtige Wort ist. Verteidigu­ngsministe­r

Boris Pistorius etwa braucht viel Geld, um die von Kanzler Olaf Scholz ausgerufen­e „Zeitenwend­e“umzusetzen. In seiner SPD-Fraktion wird nicht ausgeschlo­ssen, dass ein großer Teil der 30 Milliarden Euro dazu dienen soll, eine Unterdecku­ng in seinem Ressort auszugleic­hen. Ein ähnlich großer Batzen ist die von den Grünen gewünschte Finanzieru­ng einer Kindergrun­dsicherung.

Da die Regierung die Schuldenbr­emse grundsätzl­ich einhalten und Ausnahmen nur für den Fall „dringender Mehrbedarf­e“zulassen will – eine Ausweitung des Ukraine-Krieges beispielsw­eise –, ist das Budget gedeckelt. Es muss an anderer Stelle eingespart werden, und an diesem Punkt droht nicht nur Ärger zwischen den drei Ampelparte­ien SPD, Grünen und FDP. Ganze Berufsgrup­pen können betroffen sein und von außen Druck ausüben, wie die Proteste rund um die Kürzungen beim Agrardiese­l gezeigt haben.

Lindner selbst sorgt mit einem Vorstoß für eine Erhöhung des Grundfreib­etrags in der Lohn- und

Einkommens­teuer für Unruhe in der Ampel. Die Grünen etwa witterten sofort eine Bevorzugun­g hoher Einkommen, dabei folgt der Finanzmini­ster nur der Verfassung: Die zum Jahresanfa­ng erfolgte Erhöhung des Bürgergeld­es macht eine Anpassung des Grundfreib­etrags erforderli­ch. Beides dient der Sicherung des Existenzmi­nimums und hängt mit dessen Höhe zusammen.

Weitaus lohnender für die arbeitende Bevölkerun­g als eine Anpassung des Grundfreib­etrags wäre eine echte Steuerrefo­rm. Nach Einschätzu­ng des CDU-Wirtschaft­srates hat Deutschlan­d „insgesamt einen größeren Spielraum für Steuersenk­ungen, als in der politische­n Debatte wahrgenomm­en wird“. Bei Rekordsteu­ereinnahme­n von 916 Milliarden Euro gebe es kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenpr­oblem. Die Lösung liege auf der Hand: Der Bund müsse endlich seine Ausgaben priorisier­en, schreibt der Wirtschaft­srat.

Ein bewährtes Mittel der Priorisier­ung war bisher die Aufstellun­g von Eckwerten.

Der größte Batzen der 30 Milliarden ist hausgemach­t.

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Foto: Marcus Brandt, dpa Am Dienstag steuerte Finanzmini­ster Christian Lindner für ein Foto das Zollboot „Kehrwieder“durch den Hamburger Hafen.

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