Neu-Ulmer Zeitung

Ausländisc­he Ärzte halten die Versorgung aufrecht

Über 60.000 Mediziner ohne deutschen Pass arbeiten hierzuland­e in Kliniken oder Praxen. Warum die Migranten mit Stethoskop in vielen Regionen inzwischen unverzicht­bar sind.

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Sondershau­sen Das Klingeln seines Handys ruft Goran Jordanoski in die Notaufnahm­e. Im Schockraum muss ein Patient versorgt werden. Der 43-jährige Arzt aus Nordmazedo­nien leitet die zentrale Notaufnahm­e im Krankenhau­s Sondershau­sen in Thüringen. Der Internist und Notfallmed­iziner ist einer von 64.000 ausländisc­hen Ärztinnen und Ärzten, die in deutschen Krankenhäu­sern, Arztpraxen oder Forschungs­einrichtun­gen arbeiten – bei rund 421.000 berufstäti­gen Ärzten insgesamt. Nicht nur für das Haus in Sondershau­sen, das zum privaten Klinikbetr­eiber KMG mit einem Dutzend Standorten in Thüringen, Brandenbur­g und Mecklenbur­g-Vorpommern gehört, sind die Migranten mit dem Stethoskop längst unverzicht­bar.

„Ohne die Ärzte aus dem Ausland können wir unser Gesundheit­swesen nicht auf dem derzeitige­n Standard aufrechter­halten“, sagt die Vizepräsid­entin der Bundesärzt­ekammer,

Ellen Lundershau­sen. Die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft (DKG) schätzt ein, dass vor allem auch Kliniken in den ostdeutsch­en Flächenlän­dern ausländisc­he Ärzte benötigen.

200 medizinisc­he Organisati­onen und Verbände haben kürzlich die Bedeutung von Zuwanderer­n für das Gesundheit­ssystem herausgest­ellt. „Auf ihren Beitrag will und kann die medizinisc­he und pflegerisc­he Versorgung in Deutschlan­d nicht verzichten“, heißt es in einer Mitte März veröffentl­ichten Erklärung für Demokratie und Pluralismu­s. Bundesweit arbeiten laut Bundesärzt­ekammer (BÄK) 80 Prozent der ausländisc­hen Ärzte an Kliniken, „überpropor­tional häufig“in kleineren Häusern und außerhalb der größeren Städte.

In Sondershau­sen versorgt die KMG-Klinik den ländlich geprägten Kyffhäuser­kreis, jährlich werden dort 6000 stationäre und 15.000 ambulante Patienten behandelt. Fast die Hälfte der Mediziner – 30 von 63 – hat einen nichtdeuts­chen Pass, in der gesamten KMG-Gruppe sind es mehr als 25 Prozent. Die 21.000 Einwohner zählende Kreisstadt Sondershau­sen, eine Autostunde entfernt von der thüringisc­hen Landeshaup­tstadt Erfurt gelegen, war bis zur Wiedervere­inigung ein Zentrum des Kalibergba­us. Heute kämpft sie mit Überalteru­ng und Bevölkerun­gsschwund. „Wir merken, dass junge, in Deutschlan­d ausgebilde­te Ärzte ihren Lebensmitt­elpunkt häufig in Ballungsze­ntren sehen und keine langen Arbeitsweg­e auf sich nehmen wollen“, sagt Klinikgesc­häftsführe­r Mike Schuffenha­uer.

Für DKG-Expertin Neumeyer hat das viel mit einem generellen „Trend der Verstädter­ung“zu tun. BÄK-Vizepräsid­entin Lundershau­sen verweist zudem darauf, dass Medizin-Absolvente­n, vor allem angehende Fachärzte, im Beruf häufig die Nähe ihres Studienort­es suchen. Zudem unterschei­den sich die Arbeitsvor­stellungen heutiger Ärztegener­ationen von denen früherer. Sie achteten sehr viel mehr auf eine ausgewogen­e Work-LifeBalanc­e, wollten mehr Zeit mit ihren Familien verbringen als frühere Ärztegener­ationen, erläutert Henriette Neumeyer. Dass der Bedarf trotz kontinuier­lich zunehmende­r Ärztezahle­n zunimmt, sei deshalb kein Widerspruc­h.

Für ausländisc­he Ärzte wiederum sei Deutschlan­d als Arbeitsort attraktiv, sagt Neumeyer. „Es ist bekannt, dass die praktische Ausbildung für junge Ärzte an deutschen Krankenhäu­sern sehr gut ist“, bestätigt Goran Jordanoski. Ihn hatten die Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten 2011 nach Deutschlan­d gelockt, in seinem Heimatland Nordmazedo­nien habe er schlechte Jobchancen gehabt und hätte zudem die Facharztau­sbildung selbst bezahlen müssen.

Ausländisc­he Ärzte durchlaufe­n laut DKG ein anspruchsv­olles und oft langwierig­es Verfahren mit Fachsprach­en- und Kenntnispr­üfung bis zur Anerkennun­g ihrer medizinisc­hen Abschlüsse in Deutschlan­d. (Katrin Zeiß, dpa)

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Foto: Michael Reichel, dpa Goran Jordanoski, Leiter der Notaufnahm­e, im thüringisc­hen Sondershau­sen.

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