Neu-Ulmer Zeitung

Ohnmächtig­e Wut in Teheran

Der Iran macht Israel für einen Angriff auf sein Botschafts­gelände in Damaskus und die Tötung von zwei Generälen verantwort­lich und droht mit Vergeltung. Doch die Möglichkei­ten sind begrenzt.

- Von Thomas Seibert

seien. Dort hätten sie mehr als 100 Tonnen humanitäre­r Lebensmitt­elhilfe entladen, die auf dem Seeweg in den Gazastreif­en gebracht worden sei.

Der israelisch­e Armeesprec­her Daniel Hagari sagte am Dienstag; „Wir sind verpflicht­et, unsere Einsätze gründlich und transparen­t zu untersuche­n“, sagte Hagari. „Wir werden eine Untersuchu­ng eröffnen, um diesen schwerwieg­enden Vorfall weiter zu prüfen. Dies wird uns dabei helfen, die Gefahr zu verringern, dass sich so ein Vorfall wiederholt.“

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiello­se Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroriste­n der Hamas und anderer islamistis­cher Gruppen am 7. Oktober vergangene­n Jahres in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangrif­fen und einer Bodenoffen­sive. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastroph­alen Lage im Gazastreif­en steht Israel internatio­nal immer stärker in der Kritik.

World Central Kitchen ist eine Hilfsstift­ung, die der aus Spanien stammende Starkoch José Andrés 2010 unter dem Eindruck des verheerend­en Erdbebens in Haiti gegründet hat. Sie versorgt seitdem Menschen in Katastroph­engebieten auf der ganzen Welt mit Mahlzeiten. „Dies ist nicht nur ein Angriff auf WCK, dies ist ein Angriff auf humanitäre Organisati­onen, die in schlimmste­n Situatione­n kommen, in denen Nahrung als Waffe im Krieg eingesetzt wird“, sagte der Geschäftsf­ührer der Organisati­on, Erin Gore. „Dies ist unverzeihl­ich.“Die Familie einer getöteten Mitarbeite­rin aus Australien sagte, die 43-Jährige sei ums Leben gekommen, „während sie die Arbeit verrichtet­e, die sie liebte“. Sie werde „ein Vermächtni­s des Mitgefühls, des Mutes und der Liebe für alle in ihrem Umkreis hinterlass­en“. (dpa)

Teheran In der diplomatis­chen Vertretung dürften sie sich sicher gefühlt haben. Doch am Ende lag nicht nur das Gebäude in Trümmern. Elf Tote, darunter Generäle der iranischen Revolution­sgarde und Gesandte radikaler Palästinen­sergruppen: Der israelisch­e Luftangrif­f auf das iranische Konsulat in Damaskus sorgt in Teheran für Wut. Revolution­sführer Ajatollah Ali Chamenei kündigte am Dienstag Vergeltung an. „Das boshafte Regime wird durch unsere tapferen Männer bestraft werden. Wir werden dafür sorgen, dass sie dieses und ähnliche Verbrechen bereuen, so Gott will“, drohte er.

Israelisch­e F-35-Kampfflugz­euge hatten am Montag einen Anbau der Botschaft der Islamische­n Republik in der syrischen Hauptstadt Damaskus mit Raketen beschossen. Das Haus, in dem das iranische Konsulat und die Residenz des iranischen Botschafte­rs untergebra­cht sind, wurde zerstört. Das Völkerrech­t verbietet Angriffe auf diplomatis­che Einrichtun­gen. Israel hingegen argumentie­rt nach einem Bericht der US-Zeitung New York Times, das Gebäude habe Treffen der iranischen Revolution­sgarde gedient und sei deshalb nicht unter diplomatis­chem Schutz gestanden.

Prominente­stes Opfer des israelisch­en Angriffs war Brigadegen­eral Mohammad Reza Zahedi, Kommandeur der Auslandstr­uppe der iranischen Revolution­sgarde im Libanon und in Syrien. Laut der New York Times berieten die iranischen Generäle gerade mit Gesandten der radikal-palästinen­sischen Gruppe Islamische­r Dschihad über den Gaza-Krieg. Der Iran ist der wichtigste Unterstütz­er der Hamas im Krieg gegen Israel. Die Revolution­sgarden sind Irans Elitestrei­tmacht und gelten als deutlich schlagkräf­tiger als die reguläre Armee.

Israel greift seit Jahren regelmäßig Positionen der Iraner und seiner Verbündete­n in Syrien und im Libanon an. Erst vorige Woche beschossen israelisch­e Kampfjets ein Munitionsl­ager der libanesisc­hen Hisbollah-Miliz im nordsyrisc­hen Aleppo. Im Januar tötete Israel den Hamas-Vizechef Saleh al-Aruri in der libanesisc­hen Hauptstadt Beirut.

Israel kann in Syrien angreifen, obwohl Irans Partner Russland den Luftraum über dem Bürgerkrie­gsland kontrollie­rt. Allerdings sind Russland und der Iran in Syrien auch Konkurrent­en, weshalb es Moskau recht ist, wenn iranische Militärs dort nicht zu stark werden. Außerdem habe Russland wegen des Ukraine-Krieges einen Teil seiner Luftabwehr aus Syrien abgezogen, sagt der Istanbuler Sicherheit­sexperte Yörük Isik.

Der Angriff vom Montag demonstrie­re, dass der Iran und seine Verbündete­n selbst hohe iranische Offiziere nicht schützen können. Teheran sei damit gedemütigt worden, sagt Iran-Experte Arash Azizi von der Clemons-Universitä­t in den USA. Nun werde der Druck auf das Regime wachsen zurückzusc­hlagen, sagte Azizi. Er sieht in dem israelisch­en Angriff auf das Konsulatsg­ebäude eine gefährlich­e Eskalation des „Schattenkr­ieges“ zwischen dem jüdischen Staat und dem Iran; bisher achteten beide Seiten darauf, den Konflikt nicht aus dem Ruder laufen zu lassen.

Gleichwohl gilt: Das Regime in Teheran kann militärisc­h nicht viel gegen Israel unternehme­n. Der Iran verfügt zwar über Tausende Raketen, die Israel treffen können. Doch Chamenei will keinen offenen Krieg, weil dieser die Existenz der Islamische­n Republik gefährden könnte – spätestens dann, wenn die USA sich zu einem Eingreifen entscheide­n würden. Chamenei zögert zudem, die proiranisc­he Hisbollah-Miliz im Libanon gegen Israel in die Schlacht zu schicken. Die Hisbollah dient dem Teheraner Regime als erste Verteidigu­ngslinie im Falle eines Krieges mit dem Westen. Der Iran will die Miliz nicht durch einen Krieg gegen Israel schwächen.

Als iranische Vergeltung­smaßnahmen sind Angriffe proiranisc­her Milizen auf US-Truppen im Irak und in Syrien denkbar. Die USA trügen als Partner Israels die Verantwort­ung für den Angriff von Damaskus, erklärte der iranische Außenminis­ter Hossein Amir-Abdollahia­n. Angriffe auf US-Einrichtun­gen in Nahost bergen für den Irak aber das Risiko amerikanis­cher Gegenschlä­ge.

Möglich sind auch iranische Terroransc­hläge auf israelisch­e Einrichtun­gen. Der Iran hat in der Vergangenh­eit mehrmals Anschläge gegen Israel und Juden außerhalb des Nahen Ostens verübt. Im Jahr 1994 starben 85 Menschen bei einem Anschlag auf ein jüdisches Gemeindeze­ntrum in Buenos Aires. Anschläge wie diese könnten dem Iran aber mehr schaden als nutzen, glaubt Iran-Experte Azizi. „Anschläge in relativ Iran-freundlich­en Ländern wie der Türkei oder in Zypern oder selbst in der Europäisch­en Union würden die Beziehunge­n des Iran zu diesen Ländern belasten“, sagte der Iran-Experte. „Und das will der Iran vermeiden.“

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Foto: Omar Sanadiki, dpa Bei einem mutmaßlich israelisch­en Luftangrif­f in der syrischen Hauptstadt Damaskus ist nach Angaben aus Teheran ein General der iranischen Revolution­sgarden getötet worden.

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