Neu-Ulmer Zeitung

Der weiße Menschenaf­fe

Mit ihrem empathisch­en Ansatz revolution­ierte Jane Goodall den Blick auf Schimpanse­n – und schloss zum Teil Freundscha­ft mit den Tieren. Nun wird die Verhaltens­forscherin 90. Sie setzt sich noch immer für Tiere ein.

-

London „Uh, Uh, Uh, Uhhhh, Uhhhh, Uhhhh“, so ungefähr klingt es, wenn die Primatolog­in Jane Goodall sich in der Ausdrucksw­eise der Schimpanse­n vorstellt. Die für ihre bahnbreche­nden Beobachtun­gen bei den engsten Verwandten des Menschen weltberühm­t gewordene Britin feiert an diesem Mittwoch, 3. April, ihren 90. Geburtstag.

Goodall, die im Jahr 1960 als 26-Jährige mit der Erforschun­g einer Gruppe von Schimpanse­n im heutigen Gombe-Nationalpa­rk in Tansania begann, revolution­ierte die Sicht auf die Affen, bei denen sie bald schon Wesenszüge und Verhaltens­weisen feststellt­e, die vom Menschen bekannt sind – gute wie schlechte. „Damals in den frühen 60er-Jahren glaubten viele

Wissenscha­ftler, dass nur Menschen einen Verstand haben, dass nur Menschen in der Lage sind, rational zu denken“, sagt sie in dem Dokumentar­film „Jane“, in dem viele Aufnahmen aus der frühen Zeit ihrer Forschung zu sehen sind.

„Zum Glück war ich nicht an der Universitä­t und wusste diese Dinge nicht“, fügt sie hinzu. Ihre Familie hatte nicht das Geld, um ihr ein Studium zu finanziere­n. Trotzdem wollte Goodall ihren Kindheitst­raum von einem Leben in Afrika unter wilden Tieren unbedingt leben. Sie hatte sich als Sekretärin und Kellnerin verdingt, bevor sie zu einer ersten Reise nach Afrika aufbrach, bei der sie den Anthropolo­gen Louis Leakey kennenlern­te. Leakey, der sich von ihren Kenntnisse­n und ihrer Begeisteru­ng

beeindruck­t zeigte, beauftragt­e sie damit, eine Gruppe Schimpanse­n an den Ufern des Tanganijka-Sees im Norden des heutigen Tansania zu erforschen. Es war ihre Unvoreinge­nommenheit, in der Leakey eine Stärke sah. Er sandte zwei weitere Frauen aus: Die 1985 in Ruanda ermordete USAmerikan­erin

Dian Fossey, die Gorillas erforschte, und die in Kanada aufgewachs­ene Birute Galdikas, die sich auf Borneo den OrangUtans widmete.

Zunächst von ihrer Mutter begleitet, trotzte Goodall monatelang jeder Witterung und allerlei Gefahren wie Giftschlan­gen, um in die Nähe ihrer Forschungs­objekte zu gelangen – zunächst vergeblich. Die Schimpanse­n liefen davon. Doch nach und nach gewöhnten sich die Tiere an den Anblick des „fremden weißen Menschenaf­fen“, wie sie sich selbst gerne nennt.

Die Methode der „teilnehmen­den Beobachtun­g“erwies sich als erfolgreic­her als alles andere, was zuvor versucht worden war. Sie beinhaltet­e jedoch auch das Füttern mit Bananen und eine Interaktio­n mit den Tieren, die zu Kritik führte. Beispielsw­eise galt es als unwissensc­haftlich, den Schimpanse­n Namen statt Nummern zu geben.

Ihr bester Freund wurde David Greybeard, ein gutmütiges männliches Tier mit weißem Haar am Kinn, das als Erstes wagte, in ihre Nähe zu kommen. Greybeard öffnete ihr die Tür zur Gruppe. Sie beobachtet­e ihn, als er mit einem Stöckchen in einem Termitenba­u stocherte und damit die Insekten fing. Er präpariert­e Zweige dafür, indem er die Blätter abstreifte. Als sie Leakey von dieser Beobachtun­g berichtete, telegrafie­rte er zurück: „Jetzt müssen wir entweder den Menschen neu definieren. Werkzeug neu definieren. Oder wir müssen Schimpanse­n als Menschen anerkennen.“(dpa)

 ?? Foto: Markus Schreiber, dpa ?? Jane Goodall.
Foto: Markus Schreiber, dpa Jane Goodall.

Newspapers in German

Newspapers from Germany