Neu-Ulmer Zeitung

Ein Fall voller Rätsel

Die Leichtathl­etinnen Sara und Sofia Benfares wurden positiv getestet. Daraus entwickelt­e sich ein verworrene­r Dopingskan­dal, in dessen Zentrum der Vater der beiden steht.

- Von Reinhard Köchl

Rehlingen Ein Dopingfall im Olympiajah­r? Unappetitl­ich und störend wie eine Schmeißfli­ege, die plötzlich in das von langer Hand geplante Festmenü platzt. Zunächst versucht man noch, den ungebetene­n Gast zu ignorieren, tut so, als ginge einen das alles nichts an. Doch mit zunehmende­r Dauer der beinahe täglich hereinbrec­henden Meldungen wird es nerviger, vor allem, wenn dann noch eine zweite Fliege aus derselben Familie hinzukommt.

Nach dem jüngsten Skandal um die Benfares-Schwestern fürchtet der Deutsche Leichtathl­etik-Verband (DLV) um sein Saubermann­Image, das er sich selbst seit der Ära des Präsidente­n Clemens Prokop (2001 bis 2017) als Verband mit den weltweit schärfsten Dopingregu­larien im Verbund mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) auferlegt hat.

Seit jedoch zu Beginn des Jahres die Langstreck­enläuferin Sara Benfares, 22, und Ende Februar auch ihre Schwester Sofia Benfares, 19, des Dopings überführt wurden, tut sich der Verband erkennbar schwer, das Thema aus der öffentlich­en Debatte und der laufenden Olympiavor­bereitung herauszuha­lten. Zwar verweist man beim DLV fast gebetsmühl­enartig auf die Verantwort­lichkeit der Nada und auf das laufende Verfahren. Dass Sara Benfares, bei der EM 2022 in München über 5000 Meter auf dem elften Platz, allerdings vor gut zwei Wochen bereits das Ende ihrer Karriere erklärte, kommt einem Schuldeing­eständnis gleich.

Nicht wenige Leichtathl­etikFans mussten im Januar die Meldung zur Kenntnis nehmen, dass Sara Benfares positiv auf die verbotenen Substanzen Erythropoe­tin (Epo) und Testostero­n getestet worden war. Die Nachricht markierte den vorläufige­n Höhepunkt der Odyssee einer deutsch-französisc­hen Leichtathl­etik-Familie, die bis 2019 in Fontainebl­eau bei Paris lebte, wo die Geschwiste­r eine deutsche Schule besuchten, und seit 2021 im Saarland eine neue Heimat gefunden hat.

Die Taktik von Vater und Trainer Samir Benfares schien klar: den Vorfall kleinreden, entlastend­e Erklärunge­n in Umlauf bringen und wegen des beschädigt­en Images möglichst geräuschlo­s vorgehen. So soll bei seiner Tochter Sara im September 2023 Knochenkre­bs diagnostiz­iert worden sein, ein Arzt habe sofort zur Behandlung gedrängt: das Ausdauerpr­äparat Epo gegen die Blutarmut, Testostero­n für die geschwächt­en Knochen. Auch das Wort „Chemothera­pie“fiel. Weil die Zeit so drängte, habe man keine Ausnahmege­nehmigung eingeholt, die eine Spitzenath­letin auch in dringenden Fällen benötigt. Dies wollte man aber nachholen – was bis heute nicht geschah.

Für Verwunderu­ng sorgte die 22-Jährige zudem, als sie noch Anfang Dezember 2023 bei einem Straßenlau­f über sieben Kilometer in Genf nur eine Minute langsamer als die Marathon-Weltmeiste­rin von 2022 ins Ziel kam. Vater Benfares begann, sich in Widersprüc­he zu verwickeln, verwies auf die Krankenakt­e seiner Tochter (die bis heute nicht vorliegt) und hielt den Traum von einer Olympiatei­lnahme in der alten Heimat Paris im Sommer wach. Bis schließlic­h über die Nada bekannt wurde, dass auch bei Sofia Benfares, 2023 immerhin Dritte bei der U 20-EM über 3000 Meter, Epo im Blut gefunden worden sei. Ihr Heimatvere­in LC Rehlingen kündigte daraufhin beiden Läuferinne­n mit sofortiger Wirkung die Mitgliedsc­haft.

Eine bislang bereits verworrene, rätselhaft­e Geschichte, die mit dem Engagement des Freiburger Anwalts Dubravko Mandic nun auf eine neue, noch skurrilere Spitze zutreibt. Mandic erlangte in der Vergangenh­eit vor allem als einstiger AfD-Funktionär, Anhänger des rechtsextr­emistische­n Höcke-Flügels und Verteidige­r von Neonazis Bekannthei­t. Der AfD-Landesverb­and

Die Familie hat seit 2021 eine Heimat im Saarland gefunden.

Anwalt Mandic ist ein einstiger AfD-Funktionär.

Baden-Württember­g wollte 2020 ein Ausschluss­verfahren gegen ihn erwirken, doch Dubravko Mandic kehrte der Partei zuvor selbst den Rücken.

Aktuell vertritt er den Rechtsextr­emisten und ehemaligen Sprecher der „Identitäre­n Bewegung Österreich“Martin Sellner, der durch seinen bei einem Geheimtref­fen in Potsdam vorgestell­ten „Remigratio­nsplan“, der die millionenf­ache Vertreibun­g von Menschen aus Deutschlan­d beschrieb, bundesweit­e Bekannthei­t erlangte. In einem Youtube-Video gibt der Anwalt Tipps für Hobbysport­ler, „wie man anhand der verfügbare­n Gesetze und Verordnung­en Anabolika nehmen kann, ohne sich strafbar zu machen oder jedenfalls staatliche Verfolgung unwahrsche­inlicher zu machen“.

Es geht längst nicht mehr um eine Dopingsper­re für Sara Benfares, denn nach ihrem Rücktritt würde diese quasi ins Leere laufen. Inzwischen ermitteln die Staatsanwa­ltschaften im Saarland und in Frankreich wegen Verstoßes gegen das Antidoping­gesetz. Fast zur gleichen Zeit wurde die französisc­he Speerwerfe­rin Alexie Alaïs dabei erwischt, verbotene Amphetamin­e eingenomme­n zu haben, und dafür 18 Monate gesperrt. Der Präsident ihres Klubs AS Montreuil hieß bis vor wenigen Wochen: Samir Benfares.

DEL

Play-offs, Halbfinale Montag, Spiel 1

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Foto: Michael Kappeler, dpa Die Läuferin Sara Benfares wurde positiv auf Testostero­n und das Blutdoping­mittel Epo getestet.

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