Neu-Ulmer Zeitung

Kirchencho­r löst sich nach 74 Jahren auf

Der Chor der Martin-Luther-Gemeinde in Vöhringen war ein Beispiel für gelebte Ökumene. Doch es fehlt Nachwuchs. Die Chorleiter­in wurde feierlich verabschie­det.

- Von Ursula Katharina Balken

Vöhringen Eine Ära geht zu Ende. Nach 45 Jahren legt Barbara Kreimann den Taktstock aus der Hand. Mehr noch: Der Chor, der an christlich­en Feiertagen die Gottesdien­ste in der evangelisc­hen Martin-Luther-Kirche in Vöhringen musikalisc­h bereichert­e, hat am Ostersonnt­ag das letzte Mal das Hochfest der Christenhe­it sängerisch gestaltet. Es fehlen junge Stimmen. Kurz vor dem 75. Geburtstag der Chorgemein­schaft heißt es nun Abschied nehmen.

An diesem Abend tröpfeln acht Sängerinne­n und zwei Sänger ins evangelisc­he Gemeindeha­us. Probe ist angesagt, es wird die letzte sein. Die Begrüßung untereinan­der ist wie immer herzlich, wenn es auch eine eher gebremste Fröhlichke­it ist. Irgendwie will man es nicht wahrhaben, dass eine gemeinsame Zeit zu Ende geht. Es hängt eine gewisse Traurigkei­t in dem kleinen Raum. Armin Paulus ist der Chronist. „Dass der Chor einen so langen Bestand hatte, verdanken wir den treuen Sängerinne­n und Sängern.“Er selbst ist seit 65 Jahre dabei, Barbara Kreimann 50 Jahre als Sängerin, 45 Jahre als Chorleiter­in. In den vergangene­n zwölf Jahren wurde der Chor immer kleiner. Jetzt zählt er noch zehn Mitglieder, es gab mal 35. In den 74 Jahren hatte der Chor elf Dirigenten. Mit 45 Jahren hat Kreimann die längste Amtszeit. 1979 übernahm sie den Chor. „Wir hatten damals keinen Dirigenten“, erzählt sie. Von den Mitglieder­n sei sie gebeten worden, die Leitung des Chores zu übernehmen. „Dann probier’ ich’s halt mal“, sagte sie damals – und das tat sie auch. Ihr Mann Herbert Kreimann, Pfarrer der Martin Luther-Gemeinde, verstärkte den Chor im Bass. 1995 ging er in den Ruhestand, das Paar zog ins elterliche Haus nach Senden. Aber Barbara Kreimann blieb dem Chor als Dirigentin treu.

In seiner Rückschau erwähnt Paulus den früheren Bezirkskan­ton Lothar Damm, der jahrelang den Chor der St. Michaelspf­arrei geleitet hatte und überhaupt für Musik in der Pfarrei zuständig war. Unter seiner Ägide gab es zahlreiche große und kleine Konzerte, in denen die Sängerinne­n und Sänger des evangelisc­hen wie katholisch­en Kirchencho­res zusammenrü­ckten und gemeinsam auftraten, es war ein Stück gelebte Ökumene. „Dafür waren wir sehr dankbar und erinnern uns gerne daran“, sagt Kreimann. Sie war schon immer an Musik interessie­rt, „das hatte bei uns Tradition.“Eine Ausbildung als Dirigentin hatte sie nicht. Die Kenntnisse eignete sie sich in Kursen und Lehrgängen an. So lernte sie Techniken des Dirigieren­s. „Ja, und was man so wissen muss“, fügt sie lachend hinzu.

Dass jetzt der Abschied gekommen ist, tut Armin Paulus weh, aber er macht sich nichts vor: „Ich bin 81 und die Stimme auch.“Elke Friedrich hatte schon immer Freude am Singen, „aber mir war die Gemeinscha­ft hier bei uns sehr wichtig.“Das kann Monika Brachert nur bestätigen, die von „der wunderbare­n Gemeinsamk­eit“spricht. Sie sei erst vor zwei Jahren in den Chor gekommen, deshalb tut ihr das Ende besonders leid. Werner Holder, Kirsten Rüger, Gertraud Thiele, Ulla Haas, Elisabeth

Dieth, Claudia Langhans, Ulrike Weidl – sie alle sagen, dass sie das Singen erfüllt hat und ihnen das Beisammens­ein fehlen wird, die Gespräche und oft auch die Sorgen und Nöte miteinande­r zu teilen.

Im Ostergotte­sdienst sprach Pfarrer Jochen Teuffel von der „gesungenen Auferstehu­ngsbotscha­ft“. Immer habe der Chor den Gottesdien­st passend unterstütz­t. Sein besonderer Dank galt Dirigentin Kreimann: „Sie hat mit besonderem Geschick die Liedbeiträ­ge auf den jeweiligen Gottesdien­st abgestimmt.“Aufhören habe seine wehmütige Seite. „Aber wir werden nach neuen Wegen suchen, wie der Gesang im Gottesdien­st besonders zur Geltung kommen kann. Töne sind flüchtig, es ist der Gesang, der verhallt ist.“Teuffel schloss mit den Worten: „Vielen Dank und Gottes Segen für jeden von euch.“

Der Abschied tut Armin Paulus weh.

 ?? Foto: Ursula Katharina Balken ?? Der evangelisc­he Kirchencho­r in Vöhringen hat keinen Sängernach­wuchs mehr. Nach 45 Jahren hört auch Barbara Kreimann als Dirigentin auf. Die Verabschie­dung fand im Ostergotte­sdienst statt.
Foto: Ursula Katharina Balken Der evangelisc­he Kirchencho­r in Vöhringen hat keinen Sängernach­wuchs mehr. Nach 45 Jahren hört auch Barbara Kreimann als Dirigentin auf. Die Verabschie­dung fand im Ostergotte­sdienst statt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany