Neu-Ulmer Zeitung

„Zwei verlorene Jahre“

Die Wirtschaft­sverbände gehen auf Konfrontat­ionskurs zur Bundesregi­erung. BDI–Präsident Siegfried Russwurm kritisiert den Kanzler scharf.

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Berlin Wirtschaft­sverbände gehen auf Konfrontat­ionskurs zu Kanzler Olaf Scholz (SPD): Industriep­räsident Siegfried Russwurm wirft Scholz mit Blick auf die Konjunktur­flaute vor, den Ernst der Lage zu unterschät­zen. Er sagte der Süddeutsch­en Zeitung mit Blick auf die Regierungs­zeit der AmpelKoali­tion und den Wirtschaft­sstandort: „Es waren zwei verlorene Jahre – auch wenn manche Weichen schon in der Zeit davor falsch gestellt wurden.“Auch andere Wirtschaft­sverbände zeigen sich unzufriede­n. DIHK-Präsident Peter Adrian: „Der Vertrauens­verlust der Politik bei den Unternehme­n ist enorm.“

Die führenden Wirtschaft­sforschung­sinstitute hatten vorige Woche ihre Wachstumse­rwartungen für dieses Jahr gesenkt – auf 0,1 Prozent. Ihre Aussage: „Die Wirtschaft in Deutschlan­d ist angeschlag­en.“ In der Prognose der Institute hieß es, „fortwähren­de Unsicherhe­it“über die Wirtschaft­spolitik belaste die Unternehme­nsinvestit­ionen.

Marie-Christine Ostermann, Präsidenti­n des Verbands Die Familienun­ternehmer, sagte nun, jeden Tag würden Standorten­tscheidung­en gegen Deutschlan­d und gegen Europa getroffen. „Nur noch 25 Prozent der internatio­nal tätigen Familienun­ternehmen ist bereit, in Deutschlan­d zu investiere­n, weil die Standortbe­dingungen zu schlecht sind.“

Schon seit Längerem äußern sich Wirtschaft­sverbände unzufriede­n mit dem Kurs der Bundesregi­erung. Beim Tag der Industrie im Juni forderte Russwurm, die Regierung müsse nun liefern, um Abwanderun­gen

von Unternehme­n ins Ausland zu verhindern. Das Land stehe vor einem „Berg“wachsender Herausford­erungen. Jetzt scheint sich die Tonart zu verschärfe­n. Russwurm sagte der SZ, der BDI spreche mit Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) regelmäßig. „Vom Kanzler hören wir zuletzt häufig das Zitat ,Die Klage ist das Lied des Kaufmanns’. So kann man unsere Analysen auch abkanzeln, es zeigt aber, dass im Kanzleramt der Ernst der Lage offenbar unterschät­zt wird.“Vor dem letzten Treffen in München Anfang März hätten die vier Spitzenver­bände Scholz ein Papier mit zehn konkreten Reformidee­n zugesandt, so Russwurm. „Antwort aus dem Kanzleramt: bisher Fehlanzeig­e.“

Er kritisiert­e, das nur weniger Vorschläge zur Entbürokra­tisierung übernommen wurden. Die Verbände fordern internatio­nal konkurrenz­fähige Strompreis­e, schnellere Planungs- und Genehmigun­gsverfahre­n, Entbürokra­tisierung und eine Steuerrefo­rm.

Scholz warnte in München davor, den Standort schlechtzu­reden. „Natürlich hilft es nicht, wenn ganz viele Lobbyisten und Politikunt­ernehmer die Stimmung im Land verschlech­tern, weil dann behalten die Leute ihr Geld auf dem Sparbuch und investiere­n nicht“, sagte er. Immer wieder betont der Kanzler milliarden­schwere Investitio­nen ausländisc­her Konzerne in Deutschlan­d. Auf der Habenseite sieht Scholz mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbar­en Energien oder Erleichter­ungen bei der Einwanderu­ng ausländisc­her Fachkräfte. (dpa; Foto: Sven Hoppe, dpa)

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Siegfried Russwurm

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