Knappe Kassen
Jahrelang haben Städte und Gemeinden mehr eingenommen als ausgegeben. Doch für 2023 steht ein Minus da. Bekommen die Bürger das bald zu spüren?
Berlin Die Kommunen in Deutschland sind nach jahrelangen Überschüssen jetzt doch wieder knapp bei Kasse. Erstmals seit 2011 schrieben Städte und Gemeinden im vergangenen Jahr rote Zahlen: Das Statistische Bundesamt wies am Mittwoch ein Finanzierungsdefizit von 6,8 Milliarden Euro aus. Die großen Kommunalverbände fürchten, dass es in Zukunft noch schlimmer kommen könnte. Und sie warnen, dass deshalb womöglich wichtige Investitionen auf der Strecke bleiben.
Zehn Jahre lang, von 2012 bis 2022, hatten die Kommunen durch eigene Steuereinnahmen und die Zuweisungen von Bund und Ländern stets Finanzierungsüberschüsse erwirtschaftet. Das größte Plus machten sie im Jahr 2017 mit 9,2 Milliarden Euro. Während der Corona-Krise konnten sich die Gemeinden auch deshalb über Wasser halten, weil die Überweisungen von Bund und Ländern aufgestockt wurden.
Jetzt sind nicht die Einnahmen das Problem, sondern wachsende Ausgaben. Innerhalb eines Jahres stiegen die kommunalen Ausgaben laut Statistikamt um satte zwölf Prozent auf 364,9 Milliarden Euro. Vor allem Sozialausgaben lasten auf den Schultern der Kommunen. Sie stiegen um 11,7 Prozent auf 76 Milliarden Euro.
Hauptgrund waren die zum 1. Januar 2023 erhöhten Regelsätze für das Bürgergeld und für die Sozialhilfe.
Zu dem Anstieg habe auch beigetragen, dass Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine Bürgergeld beziehen können – wobei im Gegenzug die Ausgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz um 7,9 Prozent niedriger ausfielen als im Vorjahr.
Doch das ist es nicht allein. Auch die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst mit Zusatzkosten von rund 80 Milliarden und stark steigende Zinsausgaben vermiesten den Kommunen die Bilanz. Zwar gab es auf der Einnahmeseite
ebenfalls ein deutliches Plus von neun Prozent und es flossen fast 30 Milliarden zusätzlich in die Kassen der Kämmerer. „Sie konnten damit aber den Anstieg auf der Ausgabenseite nicht ausgleichen“, erklärten die Statistiker.
„Inflationsbedingte dramatische Ausgabensteigerungen und gering wachsende Einnahmen bilden eine unheilvolle Allianz“, warnt der Deutsche Städtetag. Die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Verena Göppert rechnet nicht mit einer schnellen Erholung.
„Die Zeiten ausgeglichener Haushalte sind für die Kommunen vorbei“, sagt sie stattdessen voraus. Sollten Bund und Länder den Städten und Gemeinden nicht nachhaltig mehr Geld geben, seien auch in den kommenden Jahren hohe Defizite unvermeidbar.
Das ist für viele nichts Neues, denn viele deutschen Kommunen waren früher über Jahre quasi notorisch klamm. Im Jahr 2003 zum Beispiel gab es ein Minus von mehr als acht Milliarden, 2009 und 2010 nach der Finanzkrise sah es ebenfalls schlecht aus. Häufig bekommen das auch die Bürger zu spüren, wenn Freibäder schließen, Theater verfallen oder Schulen nicht saniert werden. Göppert mahnt auch jetzt: „Die Kommunen werden dann nicht ausreichend investieren können.“
Der Deutsche Städtetag sieht grundsätzlichen Reformbedarf bei der finanziellen Ausstattung der Kommunen. „Wir müssen weg vom Förderwirrwarr, insbesondere für die zentralen Transformationsaufgaben, die von den Kommunen umgesetzt werden müssen“, erklärte der Verband.
Lange nicht alle Kommunen stehen gleich schlecht da – oft abhängig davon, ob sich auf ihrem Gebiet große Unternehmen angesiedelt habe, die hohe Steuern zahlen. Besonders im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz gibt es aber Orte mit sehr hohen Altschulden. (dpa)