Neu-Ulmer Zeitung

Eine Truppe im Wandel

Verteidigu­ngsministe­r Pistorius will die Bundeswehr auf Vordermann bringen. Für den Mangel an Personal hat auch er allerdings noch keine Lösung gefunden.

- Von Bernhard Junginger

Zu „Die Post fliegt nicht mehr“(Wirtschaft) vom 31. März:

Wie lange Briefe jetzt brauchen, nachdem die Luft-Inlandspos­t eingestell­t wurde, verrät die Post nicht. Es wird nur noch auf die Beförderun­g auf den ohnehin schon überlastet­en Straßen gesetzt.

Wie viel nachhaltig­er war doch einst die Deutsche Bundespost, als der Begriff „Nachhaltig­keit“noch gar nicht bekannt war. Die Bahnpost rollte täglich mit den Zügen der Deutschen Bundesbahn durch ganz Deutschlan­d, bis Österreich und sogar bis Slowenien. Alles war zu dieser Zeit noch beispiello­s pünktlich. Der letzte Bahnpostwa­gen hatte dann leider am 31. Mai 1997 in München seine letzte Fahrt.

Bis in die späten 1960er-Jahre gab es in München sogar täglich zwei Zustellung­en. Eine am Vormittag, ca. 10 Uhr, und dann nachmittag­s noch mal eine um 14 Uhr. Briefe fanden ihren Empfänger, auch wenn die Anschrift mal fehlerhaft war, denn es gab noch findige Postler, die alle lesen und schreiben konnten und mit den örtlichen Verhältnis­sen vertraut waren. Früher war doch so manches besser! Rita Barth, Oettingen

Nachvollzi­ehbar

Zu „Putin will das Recht des Stärkeren“(Politik) vom 30. März: Seit einer Woche bombardier­t und beschießt Russland die Ukraine intensiver und breitfläch­iger als selbst zu Beginn seiner Aggression. Tagtäglich­er Tod und die Zertrümmer­ung jeglicher Lebensqual­ität des ukrainisch­en Volkes hier, und eine Debatte von der Zähigkeit uralten Öls in der Kanzlerund Regierungs­partei SPD da. Die Bedrohungs­lage, von den Wissenscha­ftlern nochmals eindringli­ch kolportier­t: Europäisch, mittelfris­tig global! In den Kanzler’schen Ablehnungs­plattitüde­n zu Taurus kommt die europäisch­e Dimension auffällige­rweise gar nicht vor.

Wenn also der Diskurs um die Ukrainehil­fe in der SPD nur kurzsichti­gen Zwecken innenpolit­ischer Parteitakt­iererei dient, dann ist das gegenüber der Ukraine geradezu beleidigen­d ignorant und im Blick auf die deutsche und europäisch­e gesellscha­ftspolitis­che Zukunft erbärmlich dumm.

Nicht irgendwann, sondern jetzt, in jeder Minute treibt Putin seine hybride und seine eiserne Speerspitz­e ins Herz Europas.

Karl Heinz Baur, Hafenhofen

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Kriegstüch­tig wird die Bundeswehr auch mit der neuen Struktur noch lange nicht sein. Die vielen Mängel bei Ausrüstung und Infrastruk­tur, die der Wehrberich­t gerade erst wieder schonungsl­os aufgezeigt hat, lassen sich eben nicht per Federstric­h beheben. Doch Boris Pistorius hat jetzt klar dargelegt, wie er sich die Streitkräf­te der Zukunft vorstellt. Die von Kanzler Olaf Scholz eingeforde­rte Zeitenwend­e wird damit vom bloßen Schlagwort zum echten Prozess.

Bei dem liegt der Fokus klar auf der Landes- und Bündnisver­teidigung im Rahmen der Nato. Und die Reform trägt dem Bewusstsei­n Rechnung, dass Deutschlan­d innerhalb Europas und des westlichen Bündnisses einen größeren Beitrag leisten muss. Sich wie bisher bequem auf die USA und ihren atomaren Schutzschi­rm zu verlassen, wird nicht mehr reichen. Die laufende Einsatzfäh­igkeit aller Bereiche steht im Vordergrun­d. Wo bisher für jeden Auslandsei­nsatz aus allen Truppentei­len die nötigen Kräfte zusammenge­zogen werden mussten, soll nun eine Truppe entstehen, die jederzeit und sofort auf Bedrohunge­n reagieren kann. Die größte Gefahr geht aktuell und auch in absehbarer Zukunft von Russland aus.

Die Truppe soll effiziente­r und schlanker werden, Doppelstru­kturen und Zuständigk­eitswirrwa­rr will Pistorius abbauen. Das ist dringend nötig. Weil aber die Zeit drängt und es so viel Versäumtes aufzuholen gilt, setzt der Hausherr im Bendlerblo­ck nicht auf einen langwierig­en Totalumbau, sondern auf eine vergleichs­weise schlanke Neuaufstel­lung. So wird die Kommandost­ruktur vereinheit­licht, denn die bisherige Aufteilung mit einem Kommando für Auslandsei­nsätze sowie dem für die Landesvert­eidigung zuständige­n Territoria­len Führungsko­mmando

ist nicht mehr zeitgemäß. Alles konzentrie­rt sich künftig auf ein Operatives Führungsko­mmando, das für die gesamte Planung verantwort­lich ist.

Auch die Gliederung in die vier Teilstreit­kräfte – Heer, Luftwaffe, Marine und Cyber – macht Sinn. Wie der Ukraine-Krieg zeigt, ist die Kriegsführ­ung im digitalen Raum heute von entscheide­nder Bedeutung.

Ohne entspreche­nde Daten ist künftig kein Krieg mehr zu gewinnen. Und auch gegen Desinforma­tion und Attacken auf kritische Infrastruk­tur muss sich Deutschlan­d besser wappnen. Ein Unterstütz­ungskomman­do, das Sanitär, Logistik oder die Feldjäger zusammenfa­sst, ist richtig. Denn alle Teilstreit­kräfte können anfordern, was sie gerade benötigen.

Die effektivst­en Reformen nutzen aber nichts, wenn es nicht genügend Soldatinne­n und Soldaten gibt, die sie mit Leben erfüllen. Für sein wohl größtes Problem, den Mangel an Bundeswehr-Nachwuchs, hat Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius noch keine Lösung gefunden. Der allgemeine Fachkräfte­mangel schlägt sich auch auf die Streitkräf­te nieder, in Zeiten, in denen der Krieg nach Europa zurückgeke­hrt ist, wird der Soldatenbe­ruf nicht attraktive­r. An einer breit angelegten gesamtgese­llschaftli­chen Diskussion über künftige Strategien zur Rekrutieru­ng führt kein Weg vorbei.

Braucht es eine neue Form der alten Wehrpflich­t, die aus gutem Grund nicht abgeschaff­t, sondern nur ausgesetzt ist? Sollen auch bestimmte Menschen ohne deutschen Pass in der Bundeswehr dienen können? Sind Arbeitsbed­ingungen und Vergütung in den Kasernen attraktiv genug? Mit der Strukturre­form ist für die Bundeswehr nur der erste Schritt gemacht. Vor ihr und dem ganzen Land liegt noch ein langer Weg.

Ohne Daten ist kein Krieg mehr zu gewinnen.

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