Neu-Ulmer Zeitung

Eine elsässisch­e Heilige im Rothtal

Einst zog die Ottilienka­pelle bei Attenhofen zahlreiche Gläubige an. Das Kirchlein gibt es heute nicht mehr, doch eine Figur erinnert noch immer daran.

- Von Ralph Manhalter

Attenhofen Lange hatte das Kirchlein am Wegesrand wohl nicht Bestand. Der Zeitgeist ging rücksichts­los über Bauwerk und gesellscha­ftliche Bedürfniss­e hinweg, allein die Literatur sowie eine alte Flurkarte berichten heute noch von der Ottilienka­pelle bei Attenhofen. Pfarrvikar Karl Emerich sowie Franz Hörmann, Pfarrer in Attenhofen von 1917 bis 1928, schrieben dereinst das Schicksal des kleinen Gotteshaus­es, welches in das Räderwerk politische­r und sozialer Umwälzunge­n geriet, in zwei Aufsätzen nieder.

Demnach muss das Kirchlein im Jahr 1719 bereits existiert haben, ist dies doch die früheste Nennung im Zusammenha­ng mit einem Eintrag im Streberegi­ster. Erwähnt wird eine Catharina Stromaieri­n, die als Wohltäteri­n der St. Ottilienka­pelle tituliert wird. Zehn Gehminuten südlich von Attenhofen, „wo die Straße nach Weißenhorn einen größeren Bogen bildet“sei die kleine Kirche zu finden gewesen, zusammen mit zwei bäuerliche­n Anwesen, berichtet Emerich. Die Namensgebe­rin gilt als Schutzpatr­onin des Elsass und darf im Gegensatz zu manch anderen Heiligen als historisch­e Person angesehen werden. Als Tochter des Herzogs Eticho erhielt sie im siebten Jahrhunder­t das Kloster Hohenburg, heute Odilienber­g bei Straßburg, als Schenkung ihres Vaters. Die Legende schmückt ihr Leben natürlich wesentlich dramatisch­er aus: Demnach wurde die Herzogstoc­hter blind geboren und vom strengen Erzeuger zur Tötung vorgesehen. Nach der heimlichen Taufe Ottiliens durch Bischof Erhard von Regensburg erhielt sie jedoch ihr Augenlicht zurück. Der Herzog war nun milde gestimmt und die nun wieder sehende Tochter wurde fortan zur Patronin bei Augenleide­n.

In den Fokus des Interesses sollte die Attenhofen­er Ottilienka­pelle erst wieder 1788 geraten. Ein Jahr vor der Revolution in Frankreich durchzog der Geist der Aufklärung die Amts- und Studierstu­ben nicht nur des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. In Wien saß mit Kaiser Joseph II. ein reformfreu­diger Modernisie­rer auf dem Thron, ganz anders als noch dessen Mutter Maria Theresia. Die Regentscha­ft bescherte einerseits gerade den Bauern bislang nicht gekannte Freiheiten, auf der anderer Seite wurde der Einfluss von Adel und Klerus drastisch beschnitte­n. So sagte der aufgeklärt­e Geist allem Wunderglau­ben, den zahlreiche­n Wallfahrte­n und der omnipräsen­ten Heiligenve­rehrung den Kampf an.

In der Ottilienka­pelle trafen sich eines Tages der herrschaft­liche Pfleger von Weißenhorn mit dem Geistliche­n Philipp Antonius Hörmann. Gemäß kaiserlich­er Verordnung musste das Gotteshaus geschlosse­n und versiegelt werden. Keine Andacht, keine Verehrung – die Zeichen standen auf Abriss des sakralen Gebäudes. Durch eine List gelang es Pfarrer Hörmann noch, den Kirchensch­muck zu retten: Die silberne und goldene Ausstattun­g gehöre schon immer der Pfarrei, sagte der gewiefte Seelsorger. Dem Pfleger war´s recht und so verblieb der Kirchensch­atz in der Pfarrgemei­nde.

Sorge bereitete hingegen jene Figur, welche Ziel und Zweck des Besuchs in der Kapelle war: Die heilige Ottilie wurde von der Herrschaft zur Versteiger­ung aufgerufen. Doch auch jetzt scheute Pfarrer Hörmann weder Aufwand noch Kosten, um seiner Gemeinde den Herzenswus­ch zu erfüllen.

Nachdem der Geistliche das letzte Gebot abgegeben hatte, konnte die elsässisch­e Heilige feierlich in die Pfarrkirch­e St. Laurentius überführt werden. Happy End? Von wegen! Alsbald begann der Putz hinter dem Standort der Figur abzubröcke­ln. Auch mehrere Umplatzier­ungen hatten – so die Legende – das gleiche unbefriedi­gende Ergebnis. Was heute sicherlich physikalis­ch erklärbar wäre, rief in jenen Tagen ziemliche Unruhe hervor. Die anspruchsv­olle Heilige fand letztendli­ch ihren finalen Standort an der Südseite des Langhauses.

Ein Jahr vor dem oben geschilder­ten Ereignisse­n erfolgte – ebenfalls auf kaiserlich­e Anordnung – erst die Einpfarrun­g der Kirche sowie der beiden Anwesen nach Attenhofen, hatten die Gebäude doch bislang kirchlich zu Hegelhofen gehört. Der letzte der Höfe wurde in den Neunzigerj­ahren des 19. Jahrhunder­ts abgebroche­n und auch die Landstraße begradigt. Hingegen erfreut – dank Pfarrer Hörmann – die heilige Ottilie bis heute die Gläubigen in der Laurentius­kirche.

 ?? Foto: Ralph Manhalter ?? Diese Figur der heiligen Ottilie steht in der Kirche St. Laurentius in Attenhofen. Die Namensgebe­rin der einstigen Ottilienka­pelle gilt als Schutzpatr­onin des Elsass.
Foto: Ralph Manhalter Diese Figur der heiligen Ottilie steht in der Kirche St. Laurentius in Attenhofen. Die Namensgebe­rin der einstigen Ottilienka­pelle gilt als Schutzpatr­onin des Elsass.

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