Politik, die keinem etwas zumutet, ist eine Zumutung
Deutschland wirkt gelähmt. Nie war politische Führung wichtiger als heute. Doch die meisten Akteure wollen vor allem eines: bloß nichts falsch machen.
Zum Leitartikel „Es ist Zeit für eine Reform des Tarifrechts“von Christian Grimm (Meinung & Dialog) am 27. März:
Für Gewerkschaften mit relativ geringer Mitgliederzahl, die aber in Schlüsselpositionen der Infrastruktur eine hohe Verantwortung für das Allgemeinwesen haben, müssen besondere Regelungen geschaffen werden. Wird deren Macht nämlich in die falschen Hände gelegt, dann wird das Land nachhaltig geschädigt, wie der GDL-Streik gezeigt hat. Hier sind dringend neue Bedingungen vom Gesetzgeber für das Tarifrecht in diesen Bereichen erforderlich. Johann Rößle, Altenmünster
Traurige und teure Posse
Ebenfalls dazu:
Die Politik ist dringend in der Pflicht, dass sich trotz des hohen Guts der Tarifpartnerschaft so eine – traurige und teure – Posse wie der GdL-Streik nicht wiederholen kann. Die verpflichtende Annahme einer Schlichtung nach angemessener Zeit sehe ich da als probates Mittel – nicht nur bei kritischer Infrastruktur. Dies sehe ich auch als Aufruf an Politiker, sich mit den wirklich für die Gesellschaft wichtigen Fragestellungen zu beschäftigen!
Prof. Wolfgang Weber, Stadtbergen
Schulen nicht überfordern
Zu „75 Jahre Stärke und Zweifel“(Politik) vom 4. April:
Sehr gute Zusammenfassung – was in logischer Konsequenz nur fehlt: Die Aufnahme der Ukraine, Georgiens und Moldawiens hätte den heutigen terroristischen Krieg seitens Putin verhindert. Ein unverzeihbarer Fehler von permanenter „German Angst“, was dann „Russland sagt“.
Russland (Jelzin) hatte die NatoOsterweiterung unterzeichnet – staatsrechtlich völlig überflüssig. Jedem, auch Russland, muss klar sein, dass jedes Land das Recht hat, und, wie es sich auch heute zeigt, die Notwendigkeit, in die Nato aufgenommen zu werden, ohne Russland oder sonstige Nachbarn fragen zu müssen!
Churchills bis heute gültige und richtungsweisende Intentionen zeigen, dass Putin nicht nur nicht verhandeln will, sondern „Großrussland“(Moldawien? Baltische Länder?) und noch mehr haben will. Dagegen muss Europa volle Stärke zeigen. Taurus, Patriot, Panzer, Flugzeuge in mehr als ausreichender Menge und schnell! Es gibt keine „roten Linien“bei einem Verteidigungskrieg! Debattieren und „Abwarten“hilft nur Putin! Dr. Ferenc Laszlo Gabris, Kleinaitingen
Immer dagegen
Zu „Lässt Lindner die Koalition platzen?“(Politik) vom 4. April: Man kann mit der Ampel verschiedene Ansichten haben. Aber eines scheint mir bei Herrn Lindner wegweisend zu sein: Er ist dafür, dass er dagegen ist.
Sylvia Droste, Illertissen
Schreiben Sie Ihre Meinung
Die Deutschen sind müde von all den Krisen. Sie spüren, dass nichts so bleiben kann, wie es vielleicht sowieso nie war. Viele würden all die Herausforderungen am liebsten ausblenden. Kriege, Klima, Konjunktur – Augen zu, Fernseher aus, wird schon irgendwie gut gehen. Und wenn nicht, können wir es ohnehin nicht ändern. So fühlen die einen. Andere diskutieren sich in eine völlige Unversöhnlichkeit hinein. Vielleicht war politische Führung nie so wichtig wie heute. Doch ausgerechnet in dieser Zeit erleben wir Politiker, die den Menschen bloß nicht noch mehr zumuten wollen und deshalb zu oft auf halber Strecke stehen bleiben oder gar nicht erst loslaufen.
Bevor ein Ruck durchs Land gehen kann, müssten unangenehme Wahrheiten ausgesprochen werden. Zum Beispiel, dass „Made in Germany“kein Selbstläufer mehr ist. Dass Demokratien ins Wanken geraten, wenn der Lebensstandard sinkt. Dass weniger Leistung auch weniger Wohlstand bedeutet. Dass fast alles in diesem Land überreguliert ist. Dass selbst eine wohlhabende Gesellschaft überfordert ist, wenn sie Jahr für Jahr Hunderttausende Flüchtlinge aufnehmen soll. Dass der Kult um die Schuldenbremse lähmen kann. Dass die Menschheit diesen Planeten eines Tages zu Tode konsumieren wird, wenn wir nichts ändern.
Anstatt sich all dem zu stellen, liefern sich der Kanzler und seine Koalitionspartner nervtötende interne Scharmützel, und die Opposition tut so, als müsste man nur die Ampel ausknipsen und alle könnten so weitermachen wie früher. Können wir aber nicht. Symbol für diese ermüdende Art von Politik ist die FDP, die ständig auf der Bremse steht und den Leuten weismachen will, dass sie sich eben nicht umstellen müssen, weil irgendwann irgendwer irgendwas erfindet. Technologieoffenheit und freier Wettbewerb um die besten Ideen – klingt gut, wird aber zu oft als Alibi genutzt, um klare Entscheidungen aufzuschieben.
Das Kuriose daran: Der FDP nützt die Strategie, den Menschen vermeintliche Zumutungen zu ersparen, überhaupt nicht. Denn den meisten Leuten – so gerne sie all die Krisen auch ausblenden würden – ist ja durchaus bewusst, dass Deutschland wieder in die Gänge kommen muss. Viele sehnen sich danach, dass Politiker aufhören, ständig zu erzählen, was auf gar keinen Fall geht. Wer nur Probleme benennt, ohne Lösungen anzubieten, macht die Zukunft zu einer einzigen großen Bedrohung, spielt skrupellosen Vereinfachern von Links- und Rechtsaußen in die Karten und ermüdet die Menschen umso mehr. Einfach mal anfangen, einfach mal machen, andere überzeugen, anstatt zu lamentieren!
Zur Wahrheit gehört, dass Robert Habecks Waterloo mit dem Heizungsgesetz dazu geführt hat, dass noch mehr Politiker nur noch eins wollen: bloß keine Fehler machen. Aber stellen wir uns mal vor, jene schwarz-gelbe Regierung, die 2011 den Atomausstieg vorgezogen hat, hätte das mit der Energiewende tatsächlich ernst genommen. Dann wären die Stromautobahnen von Nord nach Süd heute fertig. Stattdessen wetterten Spitzenpolitiker wie Horst Seehofer gegen „Monstertrassen“, nahmen der Windkraft den Schwung und zogen dem Projekt den Stecker.
Bayerns damaliger Ministerpräsident ging den Weg des geringsten Widerstands – mit fatalen Folgen. Für kaum ein anderes Bundesland ist die Energiekrise so bedrohlich wie für Bayern. Aus der Scheu, den Bürgerinnen und Bürgern zu viel zuzumuten, wurde am Ende eine weit größere Zumutung. Man könnte daraus lernen.
Es reicht nicht, zu hoffen, dass irgendwer irgendwas erfindet.