Neu-Ulmer Zeitung

Altkanzler im Abseits

Das Verhältnis zwischen Gerhard Schröder und der SPD ist komplizier­t – und das keineswegs nur wegen seiner Freundscha­ft zu Wladimir Putin. Auf Olaf Scholz allerdings lässt der bald 80-Jährige nichts kommen.

- Von Rudi Wais

Berlin Leicht hatten sie es nie miteinande­r – Gerhard Schröder und die SPD. Dem alten sozialdemo­kratischen Ideal vom Arbeiterfü­hrer, bodenständ­ig, klassenbew­usst und im Zweifel links, entsprach er schon als Kanzler nicht mehr, und das lag keineswegs nur an den dicken Cohiba-Zigarren, die er rauchte, oder an den teuren Anzügen von Brioni, die er trug. Schröder, aufgewachs­en in ärmlichen Verhältnis­sen als Sohn einer Kriegerwit­we, ist im Herzen zwar noch immer ein Genosse – zeigen aber konnte (und kann) er es nur selten. Im Gegenteil: Wer sich unter Unternehme­rn erkennbar wohler fühlt als in sozialdemo­kratischen Ortsverein­en, wer elementare Teile des Sozialstaa­tes zur Dispositio­n stellt und viel Geld als Lobbyist für einen russischen Gaskonzern verdient, wird in der SPD allenfalls respektier­t. Geliebt wird er nicht.

So sehr ihn die Partei für seine Wahlsiege gefeiert hat, erst in Niedersach­sen und dann 1998 und 2002 im Bund, so dankbar sie ihm für sein Nein zu einer Beteiligun­g der Bundeswehr am Krieg im Irak war, so häufig ist sie auch an ihm verzweifel­t. An seinen Sozialrefo­rmen, die Deutschlan­d nach einer langen konjunktur­ellen Durststrec­ke wieder wettbewerb­sfähig gemacht, der Sozialdemo­kratie aber viel zugemutet haben. An seiner Basta-Politik, die so gar nicht zu einer Partei passen wollte, die jedes Problem bis ins Letzte ausdiskuti­eren will. Und, nicht zuletzt, an seiner Loyalität zu Wladimir Putin, den er einst einen lupenreine­n Demokraten nannte, der ihm und seiner damaligen Frau Doris half, zwei russische Kinder zu adoptieren, der sich inzwischen aber außerhalb jeder Ordnung gestellt hat. „Man muss sich leider für ihn schämen“hat Gesundheit­sminister Karl Lauterbach gerade erst geklagt und damit nicht Putin gemeint, sondern Gerhard Schröder, der an diesem Sonntag 80 Jahre alt wird.

Sie leiden aneinander, die SPD an Schröder und er an ihr, aber ganz ohne einander können sie eben auch nicht. Wolfgang Clement, den er einst zum Superminis­ter

für Wirtschaft und Arbeit gemacht hat, ist irgendwann aus Verdruss ausgetrete­n, Thilo Sarrazin akzeptiert­e seinen Ausschluss zermürbt von den quälend langen Auseinande­rsetzungen – Gerhard Schröder aber, so scheint es, verbindet noch etwas mit dieser Partei. Gerade erst hat er sich in einem Interview darüber empört, dass im Willy-Brandt-Haus auf der Vorstandse­tage kein Bild von ihm hänge, wo er doch auch fünf Jahre Parteivors­itzender war. Gleichzeit­ig aber schont er die Partei auch nicht, wenn er in einer ARD-Dokumentat­ion poltert: „Ich brauch’ doch für mein Lebenswerk nicht die Zustimmung der SPD-Führung.“Das seien alles „armselige

Gestalten“, stichelt er da, und Generalsek­retär Kevin Kühnert sei auch nur „ein armer Wicht.“

Die SPD aber, findet Schröder, „ist größer als diese Leute.“Dass sie ihn inzwischen nicht einmal mehr zu ihren Parteitage­n einlädt?

Geschenkt. „Ich bin Sozialdemo­krat, und solange man mich lässt, will ich das auch bleiben.“Das große Zerwürfnis mit seiner Partei und dem großen Rest der Republik erklärt er sich vor allem damit, dass er halt schon immer anders gewesen sei als andere Politiker. Weniger berechenba­r. Ungeduldig­er auch. Nicht so stromlinie­nförmig. Und seine Freundscha­ft zu Putin? „Ich bereue nichts.“

Der Versuch, ihn aus der SPD auszuschli­eßen, ist jedenfalls gescheiter­t. Etwas verschämt hat die Partei ihn im Oktober sogar für 60 Jahre Mitgliedsc­haft geehrt, auch wenn viele Spitzengen­ossen ihn noch immer gerne los wären. Schröder selbst aber schert sich darum wenig. Lieber spielt er Golf mit seiner Frau Soyeon, die auch darauf achtet, dass er sich gesünder ernährt, er hält Vorträge in China, wo er immer noch wie ein Staatsgast hofiert wird, oder sammelt Geld für ein neues Kirchenfen­ster in seiner Heimatstad­t Hannover. Neuerdings mischt er sich sogar wieder in die aktuelle Politik ein, aus der er sich lange Zeit herausgeha­lten hat. Die defensive Linie von Olaf Scholz im Streit um die Waffenlief­erungen an die Ukraine etwa heißt er ausdrückli­ch gut: „Es kann ja nie schaden, in der politische­n Diskussion als jemand zu gelten, der sehr zurückhalt­end ist, was die Beteiligun­g an einem Krieg betrifft“, sagt Schröder. Er selbst hat es beim Irak-Krieg ja genauso gehalten und war zugleich der erste deutsche Kanzler, der die Bundeswehr in einen Krieg geschickt hat – 1999 im Kosovo. Zwei Jahre später folgte dann der Einsatz in Afghanista­n.

Wer seinen 80. Geburtstag alles mit ihm feiere, sagt er, sei noch ein Geheimnis. „Das ist eine Überraschu­ng für mich. Meine Frau hat Freunde und Freundinne­n eingeladen. Ich weiß weder welche, und ich weiß nichts über ein denkbares Programm. Ich weiß nur, dass es in Berlin stattfinde­t.“Die offizielle SPD in Gestalt ihrer Vorsitzend­en Saskia Esken und Lars Klingbeil wird dabei kaum vertreten sein, und Kevin Kühnert, der arme Wicht, sicher auch nicht, wohl aber ein paar alte Genossen, die den Kontakt auch nicht haben abreißen lassen, als aus dem Altkanzler ein allseits Geächteter wurde. Sigmar Gabriel etwa, ebenfalls ein paar Jahre SPD-Chef, der frühere Innenminis­ter Otto Schily oder Schröders erster Kanzleramt­schef Bodo Hombach. Zu seinem 70. hat die SPD dem kunstsinni­gen Schröder noch einen großen Empfang in einem Berliner Museum organisier­t – undenkbar heute. Sogar die Kaffeetass­en mit seinem Konterfei hat die Partei aus ihrem Onlineshop genommen.

Vom Krieg in der Ukraine hat der Altkanzler sich distanzier­t, nicht aber von Putin. Sein Versuch, kurz nach Kriegsbegi­nn zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln, scheiterte zwar früh. Schröder aber plädiert weiter für eine Lösung auf dem Verhandlun­gsweg und wähnt sich dabei, wie er selbst sagt, „in der Mitte der Sozialdemo­kratie“. Dass die das ganz ähnlich sieht, ist allerdings nur ein Gerücht.

„Ich bereue nichts.“

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Altkanzler Gerhard Schröder hält trotz des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine an seiner Freundscha­ft mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin fest.
Foto: Michael Kappeler, dpa Altkanzler Gerhard Schröder hält trotz des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine an seiner Freundscha­ft mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin fest.

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