Neu-Ulmer Zeitung

„Wir sind in Deutschlan­d zu langsam“

Uwe Lauber leitet den Augsburger Maschinenb­auer MAN Energy Solutions. Nach einem massiven Jobabbau geht es mit klimafreun­dlichen Antrieben bergauf. Jetzt müsse nur noch die Bundesregi­erung mitziehen.

- Interview: Stefan Stahl

Herr Lauber, der Augsburger Motorenher­steller MAN Energy Solutions hat harte Zeiten hinter sich. Um wettbewerb­sfähiger zu werden, fielen rund 800 der einst 4400 Arbeitsplä­tze in Augsburg weg. Und die Vorsteuerr­endite sollte nach der Sanierung von mageren 1,3 auf 9,0 Prozent steigen. Wo steht das Unternehme­n heute? Uwe Lauber: Das Jahr 2023 hat MAN Energy Solutions mit Bravour gemeistert. Wir haben unser Unternehme­n deutlich effiziente­r und zukunftsor­ientierter aufgestell­t. Dazu wurde in Abstimmung mit unserem Eigentümer Volkswagen das Programm Performanc­e 2023 aufgesetzt. Wir haben die Kosten in den Griff bekommen, die mit VW vereinbart­en rund 450 Millionen Euro nahezu eingespart und wachsen wieder. Der Abbau von rund 800 Arbeitsplä­tzen ist vollständi­g abgeschlos­sen. Er erfolgte sozialvert­räglich, also ohne betriebsbe­dingte Kündigunge­n. Beschäftig­te gingen in Altersteil­zeit oder schieden freiwillig aus.

Ist MAN Energy Solutions damit saniert?

Lauber: Wir haben weitgehend unsere Ziele erreicht. Noch gibt es einige Effizienz-Themen. Doch es läuft sehr gut: So stieg die operative Rendite von 7,9 Prozent im Jahr 2022 auf 9,1 Prozent im vergangene­n Jahr an, also auf die mit VW vereinbart­e Höhe. Damit haben wir unsere Finanzkraf­t gestärkt, können aus eigener Kraft in neue Technologi­en investiere­n und sind hier nicht wie in der Vergangenh­eit auf die Mutter VW angewiesen.

Befindet sich das Unternehme­n nach dem guten Jahr 2022 weiter auf Rekordkurs?

Lauber: Nachdem wir schon 2022 einen Rekord-Auftragsei­ngang erzielt haben, setzte sich die Entwicklun­g im vergangene­n Jahr fort: Wir haben 2023 so viele Aufträge wie nie zuvor geholt. Der Auftragsei­ngang schnellte von 4,3 auf rund 5,0 Milliarden Euro in die Höhe. Wir haben damit erstmals die Fünf-Milliarden-Marke geknackt. Und auch beim Umsatz gelang es uns, erstmals die Schwelle von vier Milliarden Euro zu erreichen. Im Jahr 2022 hatten wir hier noch 3,6 Milliarden Euro erlöst. Die Mannschaft hat richtig die Ärmel hochgekrem­pelt und gute Arbeit geleistet.

Im Krisenjahr 2020 lag der Auftragsei­ngang noch bei mageren 2,9 Milliarden Euro.

Lauber: Wir haben uns also enorm positiv entwickelt. MAN Energy Solutions erlebt einen Boom. Natürlich fordert der hohe Auftragsei­ngang die Beschäftig­ten heraus. Es knirscht hie und da. Deswegen bauen wir wieder kräftig Arbeitsplä­tze auf. So haben wir 2023 schon 350 Beschäftig­te allein in Augsburg neu eingestell­t, sodass die Zahl der Mitarbeite­r an unserem Hauptstand­ort auf 3840 gestiegen ist. Natürlich gab es auch Abgänge, aber wir bauen unter dem Strich deutlich Personal auf.

Nach dem Deal mit VW darf MAN Energy Solutions nun als Belohnung länger unter dem schützende­n Dach des Volkswagen-Konzerns bleiben, nachdem die wirtschaft­lichen Ziele erreicht wurden.

Lauber: Wir dürfen jetzt bis 2026 bei Volkswagen bleiben.

Was passiert dann? Verkauft VW MAN Energy Solutions wie einst den Augsburger Getriebehe­rsteller Renk? Oder steht ein Börsengang bevor?

Lauber: Das ist offen. Aber MAN Energy Solutions ist inzwischen innerhalb des VW-Konzerns ein wenig zu einem Aushängesc­hild geworden, auch wenn wir mit weltweit gut 15.000 Beschäftig­ten ein kleiner Fisch in dem Konzern mit über 680.000 Mitarbeite­rn sind. Im Dezember 2023 durfte ich das erste Mal auf der VW-Management-Tagung unsere Strategie vorstellen, also darlegen, wie wir die Rendite gesteigert haben, um mit dem dadurch gewonnenen Geld in neue klimafreun­dliche Technologi­en investiere­n zu können. Die VW-Verantwort­lichen sehen, dass wir den Wandel vom dreckigen Image eines Dieselmoto­rHerstelle­rs zu einem Anbieter von Motoren und Anlagen für neue Kraftstoff­e, die mit erneuerbar­en Energien erzeugt werden, geschafft haben.

Was haben Sie konkret erreicht? Lauber: Unsere Strategie geht auf: Wir helfen Kunden, ihr Geschäft möglichst CO2-neutral zu gestalten. Es führt kein Weg daran vorbei, etwa Kreuzfahrt­schiffe mit neuen Motoren auszustatt­en, mit denen die Betreiber für eine Übergangsp­hase noch konvention­ell mit Diesel, künftig aber vor allem mit klimafreun­dlichem Methanol fahren können.

Warum ist Methanol klimafreun­dlich?

Lauber: Grünes Methanol ist klimafreun­dlich, weil es mittels erneuerbar­er Energie, also etwa durch Windkraft produziert wird. In dem Verfahren wird aus Wasser mittels Elektrolys­e Wasserstof­f erzeugt und mit CO2 kombiniert, das aus der Umgebungsl­uft entzogen wird. Daraus entsteht Methanol. Mit diesem Kraftstoff können etwa Schiffe fahren. Doch noch gibt es den Treibstoff nicht in größeren Mengen. In der Übergangsz­eit können Schiffe dank unserer flexiblen Motoren weiter konvention­ell fahren, bis dann Methanol zum Einsatz kommt. Kunden haben schon solche doppelt einsetzbar­en Motoren bei uns bestellt. MAN Energy Solutions verfügt über ein enormes Klimaschut­z-Potenzial, verdankt doch die Hälfte der gesamten Schifffahr­t weltweit ihre Vortriebsk­raft unseren Motoren.

Doch das reicht nicht. Wie wird etwa die Zementindu­strie, die rund acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes ausmacht, klimafreun­dlicher?

Lauber: Mit MAN Energy Solutions. Wenn jeder Zementhers­teller mit unserer Technologi­e ausgestatt­et würde, käme das einem großen Schritt zu mehr Klimaschut­z gleich. So wird unsere Kohlenstof­fdioxid-Abscheidea­nlage bereits ab Sommer dieses Jahres etwa die Hälfte der Emissionen eines norwegisch­en Zementwerk­es einfangen. Und das funktionie­rt so: CO2 wird erst abgeschied­en und mit Technologi­en von MAN Energy Solutions verdichtet, verflüssig­t und dann mit Schiffen zu einem unterirdis­chen Speicheror­t transporti­ert und dort eingelager­t.

Der Klima-Killer wird einfach weggesperr­t.

Lauber: Zunächst wird das CO2 eingelager­t. Mittelfris­tig soll es zu einem Produkt werden, braucht man CO2 doch etwa für die Chemieindu­strie oder zur Herstellun­g von Kohlensäur­e. Unser Ziel ist es, große CO2-Emissionsm­engen auf null zu bringen. Bei jedem Auftrag, den wir reinholen, notieren wir auf einem grünen Blatt, wie viel CO2 sich mit der Bestellung einsparen lässt. Das spornt die Beschäftig­ten an. Die Technologi­e, CO2 abzuspalte­n und einzulager­n, gibt es schon lang. In Norwegen existierte diese Methode schon vor rund 30 Jahren, als ich dort als junger Ingenieur auf einer Gas-Plattform gearbeitet habe. Wir sind in Deutschlan­d zu langsam.

In Deutschlan­d ist es noch nicht erlaubt, CO2 abzuscheid­en und einzufange­n. Muss die Bundesregi­erung hier schleunigs­t umdenken?

Lauber: Dieses gesetzlich­e Verbot fällt. Die Bundesregi­erung arbeitet an dem Thema. Denn wir brauchen weiterhin Zement. Doch es lässt sich kein Zement herstellen, ohne dass große Mengen CO2 freigesetz­t werden. Auch für die Stahl- und Chemieindu­strie, also Branchen, in denen reichlich CO2 anfällt, sind wir auf die Möglichkei­t angewiesen, Kohlenstof­fdioxid aufzufange­n, einzulager­n und weiterzuve­rwenden. So können wir helfen, Industriea­rbeitsplät­ze in Deutschlan­d zu sichern. Das eingelager­te Kohlenstof­fdioxid kann man mit Schiffen etwa in den Mittleren Osten fahren. Dort wird dank Solarkraft­werken Wasserstof­f erzeugt. Wenn ich das Wasserstof­f-Molekül mit CO2 verbinde, entsteht daraus grünes synthetisc­hes Gas.

Uwe Lauber, Jahrgang 1967, ist seit 2015 Vorsitzend­er des Vorstandes des Augsburger Unternehme­ns MAN Energy Solutions. Viele werden das Unternehme­n noch unter dem alten Namen MAN Diesel & Turbo kennen.

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Foto: Silvio Wyszengrad Uwe Lauber ist Chef von MAN Energy Solutions.

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