„Wir sind in Deutschland zu langsam“
Uwe Lauber leitet den Augsburger Maschinenbauer MAN Energy Solutions. Nach einem massiven Jobabbau geht es mit klimafreundlichen Antrieben bergauf. Jetzt müsse nur noch die Bundesregierung mitziehen.
Herr Lauber, der Augsburger Motorenhersteller MAN Energy Solutions hat harte Zeiten hinter sich. Um wettbewerbsfähiger zu werden, fielen rund 800 der einst 4400 Arbeitsplätze in Augsburg weg. Und die Vorsteuerrendite sollte nach der Sanierung von mageren 1,3 auf 9,0 Prozent steigen. Wo steht das Unternehmen heute? Uwe Lauber: Das Jahr 2023 hat MAN Energy Solutions mit Bravour gemeistert. Wir haben unser Unternehmen deutlich effizienter und zukunftsorientierter aufgestellt. Dazu wurde in Abstimmung mit unserem Eigentümer Volkswagen das Programm Performance 2023 aufgesetzt. Wir haben die Kosten in den Griff bekommen, die mit VW vereinbarten rund 450 Millionen Euro nahezu eingespart und wachsen wieder. Der Abbau von rund 800 Arbeitsplätzen ist vollständig abgeschlossen. Er erfolgte sozialverträglich, also ohne betriebsbedingte Kündigungen. Beschäftigte gingen in Altersteilzeit oder schieden freiwillig aus.
Ist MAN Energy Solutions damit saniert?
Lauber: Wir haben weitgehend unsere Ziele erreicht. Noch gibt es einige Effizienz-Themen. Doch es läuft sehr gut: So stieg die operative Rendite von 7,9 Prozent im Jahr 2022 auf 9,1 Prozent im vergangenen Jahr an, also auf die mit VW vereinbarte Höhe. Damit haben wir unsere Finanzkraft gestärkt, können aus eigener Kraft in neue Technologien investieren und sind hier nicht wie in der Vergangenheit auf die Mutter VW angewiesen.
Befindet sich das Unternehmen nach dem guten Jahr 2022 weiter auf Rekordkurs?
Lauber: Nachdem wir schon 2022 einen Rekord-Auftragseingang erzielt haben, setzte sich die Entwicklung im vergangenen Jahr fort: Wir haben 2023 so viele Aufträge wie nie zuvor geholt. Der Auftragseingang schnellte von 4,3 auf rund 5,0 Milliarden Euro in die Höhe. Wir haben damit erstmals die Fünf-Milliarden-Marke geknackt. Und auch beim Umsatz gelang es uns, erstmals die Schwelle von vier Milliarden Euro zu erreichen. Im Jahr 2022 hatten wir hier noch 3,6 Milliarden Euro erlöst. Die Mannschaft hat richtig die Ärmel hochgekrempelt und gute Arbeit geleistet.
Im Krisenjahr 2020 lag der Auftragseingang noch bei mageren 2,9 Milliarden Euro.
Lauber: Wir haben uns also enorm positiv entwickelt. MAN Energy Solutions erlebt einen Boom. Natürlich fordert der hohe Auftragseingang die Beschäftigten heraus. Es knirscht hie und da. Deswegen bauen wir wieder kräftig Arbeitsplätze auf. So haben wir 2023 schon 350 Beschäftigte allein in Augsburg neu eingestellt, sodass die Zahl der Mitarbeiter an unserem Hauptstandort auf 3840 gestiegen ist. Natürlich gab es auch Abgänge, aber wir bauen unter dem Strich deutlich Personal auf.
Nach dem Deal mit VW darf MAN Energy Solutions nun als Belohnung länger unter dem schützenden Dach des Volkswagen-Konzerns bleiben, nachdem die wirtschaftlichen Ziele erreicht wurden.
Lauber: Wir dürfen jetzt bis 2026 bei Volkswagen bleiben.
Was passiert dann? Verkauft VW MAN Energy Solutions wie einst den Augsburger Getriebehersteller Renk? Oder steht ein Börsengang bevor?
Lauber: Das ist offen. Aber MAN Energy Solutions ist inzwischen innerhalb des VW-Konzerns ein wenig zu einem Aushängeschild geworden, auch wenn wir mit weltweit gut 15.000 Beschäftigten ein kleiner Fisch in dem Konzern mit über 680.000 Mitarbeitern sind. Im Dezember 2023 durfte ich das erste Mal auf der VW-Management-Tagung unsere Strategie vorstellen, also darlegen, wie wir die Rendite gesteigert haben, um mit dem dadurch gewonnenen Geld in neue klimafreundliche Technologien investieren zu können. Die VW-Verantwortlichen sehen, dass wir den Wandel vom dreckigen Image eines DieselmotorHerstellers zu einem Anbieter von Motoren und Anlagen für neue Kraftstoffe, die mit erneuerbaren Energien erzeugt werden, geschafft haben.
Was haben Sie konkret erreicht? Lauber: Unsere Strategie geht auf: Wir helfen Kunden, ihr Geschäft möglichst CO2-neutral zu gestalten. Es führt kein Weg daran vorbei, etwa Kreuzfahrtschiffe mit neuen Motoren auszustatten, mit denen die Betreiber für eine Übergangsphase noch konventionell mit Diesel, künftig aber vor allem mit klimafreundlichem Methanol fahren können.
Warum ist Methanol klimafreundlich?
Lauber: Grünes Methanol ist klimafreundlich, weil es mittels erneuerbarer Energie, also etwa durch Windkraft produziert wird. In dem Verfahren wird aus Wasser mittels Elektrolyse Wasserstoff erzeugt und mit CO2 kombiniert, das aus der Umgebungsluft entzogen wird. Daraus entsteht Methanol. Mit diesem Kraftstoff können etwa Schiffe fahren. Doch noch gibt es den Treibstoff nicht in größeren Mengen. In der Übergangszeit können Schiffe dank unserer flexiblen Motoren weiter konventionell fahren, bis dann Methanol zum Einsatz kommt. Kunden haben schon solche doppelt einsetzbaren Motoren bei uns bestellt. MAN Energy Solutions verfügt über ein enormes Klimaschutz-Potenzial, verdankt doch die Hälfte der gesamten Schifffahrt weltweit ihre Vortriebskraft unseren Motoren.
Doch das reicht nicht. Wie wird etwa die Zementindustrie, die rund acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes ausmacht, klimafreundlicher?
Lauber: Mit MAN Energy Solutions. Wenn jeder Zementhersteller mit unserer Technologie ausgestattet würde, käme das einem großen Schritt zu mehr Klimaschutz gleich. So wird unsere Kohlenstoffdioxid-Abscheideanlage bereits ab Sommer dieses Jahres etwa die Hälfte der Emissionen eines norwegischen Zementwerkes einfangen. Und das funktioniert so: CO2 wird erst abgeschieden und mit Technologien von MAN Energy Solutions verdichtet, verflüssigt und dann mit Schiffen zu einem unterirdischen Speicherort transportiert und dort eingelagert.
Der Klima-Killer wird einfach weggesperrt.
Lauber: Zunächst wird das CO2 eingelagert. Mittelfristig soll es zu einem Produkt werden, braucht man CO2 doch etwa für die Chemieindustrie oder zur Herstellung von Kohlensäure. Unser Ziel ist es, große CO2-Emissionsmengen auf null zu bringen. Bei jedem Auftrag, den wir reinholen, notieren wir auf einem grünen Blatt, wie viel CO2 sich mit der Bestellung einsparen lässt. Das spornt die Beschäftigten an. Die Technologie, CO2 abzuspalten und einzulagern, gibt es schon lang. In Norwegen existierte diese Methode schon vor rund 30 Jahren, als ich dort als junger Ingenieur auf einer Gas-Plattform gearbeitet habe. Wir sind in Deutschland zu langsam.
In Deutschland ist es noch nicht erlaubt, CO2 abzuscheiden und einzufangen. Muss die Bundesregierung hier schleunigst umdenken?
Lauber: Dieses gesetzliche Verbot fällt. Die Bundesregierung arbeitet an dem Thema. Denn wir brauchen weiterhin Zement. Doch es lässt sich kein Zement herstellen, ohne dass große Mengen CO2 freigesetzt werden. Auch für die Stahl- und Chemieindustrie, also Branchen, in denen reichlich CO2 anfällt, sind wir auf die Möglichkeit angewiesen, Kohlenstoffdioxid aufzufangen, einzulagern und weiterzuverwenden. So können wir helfen, Industriearbeitsplätze in Deutschland zu sichern. Das eingelagerte Kohlenstoffdioxid kann man mit Schiffen etwa in den Mittleren Osten fahren. Dort wird dank Solarkraftwerken Wasserstoff erzeugt. Wenn ich das Wasserstoff-Molekül mit CO2 verbinde, entsteht daraus grünes synthetisches Gas.
Uwe Lauber, Jahrgang 1967, ist seit 2015 Vorsitzender des Vorstandes des Augsburger Unternehmens MAN Energy Solutions. Viele werden das Unternehmen noch unter dem alten Namen MAN Diesel & Turbo kennen.