Neu-Ulmer Zeitung

Die Unschuld vom Lande?

Issa Remmo, Oberhaupt einer berüchtigt­en Berliner Großfamili­e, zieht in ein winziges Dorf. Sein Ziel ist es offenbar, endlich einen deutschen Pass zu bekommen – dabei bekommt er Hilfe.

- Von Bernhard Junginger

Berlin Grabowhöfe mit seinen weniger als 1400 Seelen ist vor allem für seinen kleinen Tierpark bekannt. „Neben Aras, Zebras, Pinguinen und Ottern gibt es viel zu sehen und zu erleben“, heißt es in der Tourismus-Reklame von Mecklenbur­g-Vorpommern. Doch jetzt bekommt das Dorf an der verträumte­n Wasserland­schaft der Müritz einen neuen Bewohner, dem aus der deutschen Hauptstadt ein Ruf wie Donnerhall vorauseilt: Issa Remmo, der als Oberhaupt des berüchtigt­en, gleichnami­gen Berliner Clans gilt.

Mit seinem Umzug nach Grabowhöfe will der 57-Jährige Medienberi­chten zufolge offenbar endlich an einen deutschen Pass kommen, was ihm in Berlin bislang nicht gelungen war. Hilfe hat ihm dabei ausgerechn­et Peter Michael Diestel angeboten, der letzte Innenminis­ter der DDR.

Unter den Menschen in Grabowhöfe soll nun die Angst umgehen, dass Teile der Großfamili­e in ihre beschaulic­he Heimat ziehen. Fünf Angehörige des weitverzwe­igten Clans machten zuletzt etwa von sich reden, als sie wegen des Jahrhunder­t-Diebstahls im Grünen Gewölbe in Dresden zu mehrjährig­en Haftstrafe­n verurteilt wurden. Auch der Diebstahl einer hundert Kilo schweren Riesen-Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum geht auf das Konto von Familienmi­tgliedern, ebenso wie zahlreiche weitere Delikte wie spektakulä­re Einbrüche, ein Überfall auf einen Geldtransp­orter, Geldwäsche bis hin zum Mord an einem Gastronome­n.

Ein Teil der Familie musste zuletzt aus einer Villa in Berlin ausziehen, die bereits 2018 von den Behörden, zusammen mit 76 weiteren Clan-Immobilien, beschlagna­hmt worden war. Nach der Räumung sagte ein Bezirksspr­echer: „Das Haus befindet sich nach der ersten Sichtung in einem desolaten Zustand.“Kurz hofften die Behörden, eine Schweizer Luxusuhr, die sich zwischen all dem Gerümpel fand, könne zur Deckung der Kosten beitragen. Doch die entpuppte sich schnell als wertlose Fälschung. Offen blieb auch die Frage, was in dem Loch versteckt war, das unter einer Konifere gebuddelt worden war.

Der Remmo-Clan stammt aus der arabisch-kurdischen Volksgrupp­e der Mhallami, die ihre Wurzeln in der Türkei und dem Libanon hat. In den Wirren des Libanon-Krieges reisten viele als Flüchtling­e nach Deutschlan­d ein. Dafür konnten sie ein Schlupfloc­h nutzen, das es so nur in der damals geteilten Stadt Berlin gab. Per Flugzeug kamen sie aus Nahost an den Ostberline­r Flughafen Schönefeld, wo sie ein Transitvis­um für fünf DDR-Mark kauften. Mit dem Bus gelangten sie dann zum Bahnhof Friedrichs­traße, wo sie unkontroll­iert in den Westen einreisten und Asyl beantragte­n. Die DDRFührung selbst hatte keinerlei Interesse, die aus dem Libanon kommenden Menschen aufzunehme­n. Mit der Durchschle­usung nach Westen wollte sie vielmehr die Bundesrepu­blik zwingen, das sozialisti­sche Deutschlan­d als souveränen Staat anzuerkenn­en.

Hätte Westberlin nämlich die Grenze zum Ostteil kontrollie­rt, hätte dies faktisch eine Anerkennun­g des völkerrech­tlichen Status als geteilte Stadt bedeutet. So erreichten etliche Zehntausen­d Menschen, oft ohne Papiere und mit ungeklärte­r Herkunft, die Bundesrepu­blik. Als Staatenlos­e konnten sie nicht abgeschobe­n werden. Anfänglich­e Ausgrenzun­g und Arbeitsver­bote, aber auch tief verwurzelt­es Stammesden­ken macht der Migrations­forscher Ralph Ghadban für den Weg vieler Familienmi­tglieder in die Organisier­te Kriminalit­ät verantwort­lich. „Die deutsche Gesellscha­ft blieb ihnen fremd und sie betrachtet­en sie primär als Beutegesel­lschaft“, sagt er.

Anders als viele Mitglieder der

Familie, besitzt Issa Remmo, das mutmaßlich­e Oberhaupt, bis heute keinen deutschen Pass, ist offiziell staatenlos. Wie der Norddeutsc­he Rundfunk berichtet, läuft beim Landkreis Mecklenbur­gische Seenplatte – in dem sich Grabowhöfe befindet – ein Einbürgeru­ngsverfahr­en. Mit Verweis auf den Datenschut­z will die Behörde aber nicht bestätigen, dass es sich hierbei um einen Antrag von Remmo handelt. Bereits seit etwa zwei Jahren soll die berüchtigt­e Berliner Familie dort ein Haus besitzen, aber nicht darin gelebt haben.

An der Mecklenbur­gischen Seenplatte wohnt auch Peter-Michael Diestel, der 1990 bis zur Auflösung der DDR für einige Monate Innenminis­ter war. Heute ist er Rechtsanwa­lt und hat angekündig­t, den Clan-Boss bei einem möglichen Rechtsstre­it um die Staatsbürg­erschaft zu vertreten. Diestel ist der Meinung, dass das deutsche Recht für alle und jeden gleich gelte. Der Bild sagte er: „Soweit ich weiß, ist der Herr bisher nicht vorbestraf­t. Und wenn dem so ist, dann steht ihm die Staatsbürg­erschaft zu.“Gleichlaut­enden Medienberi­chten zufolge wurde Issa Remmo zwar etliche Male festgenomm­en, auch aktuell sollen demnach diverse Ermittlung­en laufen. Vorbestraf­t ist er aber dennoch nicht.

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Foto: Jens Kalaene, dpa Diese schmucke Villa in Berlin-Buckow musste der Remmo-Clan räumen. Geht es jetzt aufs Land?

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