Als der Kult um Abba begann
1974 triumphierte die Band beim Grand Prix d’Eurovision de la Chanson – der Auftakt zu einer Weltkarriere. Björn Ulvaeus erinnert sich, wie die Schweden mit ihren Plänen zunächst gescheitert waren.
London Ihre Alben verkauften sich millionenfach. Ihre Songs sind Ohrwürmer für die Ewigkeit. Die Band Abba zählt zu den erfolgreichsten Gruppen der Musikgeschichte und ist ein echtes Phänomen. Dass es so kam, haben die Schweden ihrer Teilnahme am Grand Prix d’Eurovision de la Chanson, wie der Wettbewerb damals noch hieß, zu verdanken, ist Björn Ulvaeus (78) überzeugt. „Ich denke, das war tatsächlich ausschlaggebend“, sagt der Songwriter und Produzent.
Vor 50 Jahren, am 6. April 1974, begeisterten Agnetha Fältskog, Björn Ulvaeus, Benny Andersson und Anni-Frid Lyngstad im südenglischen Seebad Brighton mit ihrem Song „Waterloo“das Saalpublikum, Millionen Fernsehzuschauer weltweit und Teile der internationalen Jurys. Schweden belegte erstmals den ersten Platz, und für Abba war es der Beginn eines globalen Siegeszuges. „Damals war es sehr schwer, außerhalb von Schweden den Durchbruch zu erzielen“, erinnert sich Ulvaeus. „Ich glaube, Eurovision war der einzige Weg nach draußen.“
Eigentlich hatte er mit Abba schon ein Jahr vorher teilnehmen wollen. Beim Melodifestivalen, dem schwedischen Vorentscheid, ging das Quartett mit „Ring Ring“ins Rennen – erfolglos. „1973 hatte der schwedische Vorentscheid eine Jury, sogenannte Experten, die den falschen Song gewählt haben“, sagt Ulvaeus. „Und es gab einen riesigen Aufschrei in den schwedischen Zeitungen. Die Leute waren total sauer und meinten, dass sie stattdessen ,Ring Ring’ hätten nehmen sollen.“Dieser „falsche Song“war „You’re Summer – You Never Tell Me No“von Nova. An das Popduo erinnern sich außerhalb Schwedens wohl nur noch absolute Grand-Prix-Experten. Immerhin
landete Schweden 1973 auf Platz fünf.
Für Ulvaeus war es im Nachhinein ein Glücksfall, dass er mit Abba im ersten Anlauf gescheitert war. „Ich bin froh, dass sie den falschen Song ausgesucht haben“, erzählt die Musiklegende. „Das war gut für uns, denn im Jahr darauf haben sie zum ersten Mal die Zuschauer wählen lassen, und wir haben mit ,Waterloo’ haushoch gewonnen.“Die Band und ihre Plattenfirma hatten alles für eine weltweite Veröffentlichung vorbereitet. Das Album „Waterloo“kam bereits im März auf den Markt. „Einige von uns dachten möglicherweise, dass wir gewinnen. Ich dachte, dass wir vielleicht Platz sechs oder sieben oder so erreichen. Ich habe aber erwartet, dass wir herausstechen, weil das Lied so anders war als die üblichen EurovisionSongs.“
17 Künstler traten am 6. April 1974 in Brighton gegeneinander an. Für Deutschland gingen Cindy und Bert mit „Die Sommermelodie“an den Start. Strahlend und mit Glitzer-Make-up liefen AnniFrid und Agnetha, die vom BBCModerator wiederholt fälschlich Anna genannt wurde, auf die Bühne. Eine Choreografie oder spektakuläre Bühnenshow gab es damals noch nicht. Den mitreißenden Auftritt hatten die Perfektionisten von Abba nicht extra einstudiert. „Nein, da gab es nicht viel Vorbereitung“, sagt Ulvaeus, „denn die Ladys wussten, was zu tun ist. Und wir hatten das ja schon im schwedischen Vorentscheid gemacht.“
Dort hatten sie „Waterloo“auf Schwedisch gesungen. Davon abgesehen blieb alles gleich, auch die heute ikonischen Glitzerkostüme.
Für ihren Auftritt erhielten Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid tosenden Applaus. Das Urteil der Jurys fiel knapper aus. Jedes Land konnte zehn Punkte – einen pro Jury-Mitglied – vergeben, die auf die Teilnehmer verteilt wurden. Aus Deutschland erhielten die Schweden zwei Punkte. Von den Briten, die mit Olivia Newton-John („Long Live Love“) angetreten waren, gab es null. Erst kurz vor Schluss stand Abba mit 24 Punkten als Sieger fest, weil Italien – Zweitplatzierter mit 18 Punkten – bei der Verkündung der Punkteverteilung als letztes Land drankam und sich selbst keine Punkte geben konnte. Deutschland landete punktgleich mit Portugal, Norwegen und der Schweiz auf dem letzten Platz. (Philip Dethlefs, dpa)