Trainer-Karussell nimmt Fahrt auf
Nagelsmann, Xavi, Klopp, Tuchel, De Zerbi und wer noch? Selten war auf dem Top-Trainermarkt so viel Bewegung. Das wird sich auch auf kleinere Vereine auswirken.
Augsburg Zumindest in einem Fall herrscht jetzt Klarheit: Der DFB will nun definitiv mit Julian Nagelsmann weitermachen, unabhängig vom Ausgang der EM im eigenen Land. Das bestätigte Sportdirektor Rudi Völler am Rande des Pokalspiels zwischen Leverkusen und Düsseldorf am Mittwochabend. „Er kennt die Signale, dass wir gerne mit ihm weitermachen wollen.“Das ist aber auch eines der wenigen Dinge, die klar zu sein scheinen. Denn ob Nagelsmann nach dem Sommer Bundestrainer bleibt, ist offen und dürfte auch von der Gesamtsituation auf dem Trainermarkt abhängen, auf dem gerade im Spitzenbereich so viel Bewegung ist wie selten zuvor. Wenig überraschend also, dass Völler über Nagelsmann auch zu berichten weiß: „Er hat viele Anfragen.“Nagelsmann und der DFB sind einige der großen Dominosteine, die in diesem Jahr fallen und eine Kettenreaktion auslösen könnten – aber nicht die einzigen.
Denn schon jetzt steht fest, dass so viele Top-Klubs wie selten für den Sommer einen neuen Übungsleiter benötigen. Beim FC Liverpool kündigte Jürgen Klopp seinen Abschied zum Saisonende an, beim FC Barcelona tat der bisherige Coach Xavi dasselbe. Der FC
Bayern und Thomas Tuchel werden ebenfalls im Sommer getrennte Wege gehen – sollte der Klub gegen Arsenal London aus der Champions League ausscheiden, wäre das auch schon früher durchaus denkbar. Bei Real Madrid hat Trainer Carlo Ancelotti zwar einen Vertrag bis 2026 – immer wieder ist aber zu hören, dass sich der Italiener auch einen Posten in der sportlichen Leitung vorstellen könnte und stattdessen Platz für einen neuen Mann auf der Trainerbank lassen würde.
Und dazu kommt eine gute Handvoll Spitzenvereine, bei denen ein Handlungsbedarf im Sommer zumindest vorstellbar ist. Bei Paris St. Germain etwa, das eigentlich jedes Jahr ein Kandidat für einen Trainerwechsel ist. Der Spanier Luis Enrique dominiert zwar in der Ligue 1 nach Belieben, kann aber wie viele seiner Vorgänger über ein Aus in der Champions League stolpern. Im Viertelfinale geht es gegen seinen Ex-Klub Barcelona. Bei Manchester United wackelt Erik ten Hag immer wieder bedenklich, weder Fans noch die sportliche Leitung der Red Devils scheinen vollends überzeugt vom ehemaligen Ajax-Coach zu sein. Milliardär Jim Ratcliffe hat sich mit 1,25 Milliarden Pfund beim englischen Rekordmeister eingekauft, hält nun ein Viertel der Anteile am Verein und will dem Vernehmen
nach seinen Einfluss im Sommer geltend machen – was für ten Hag das Aus bei Manchester United bedeuten würde.
Es ist Kuriosität wie Gesetzmäßigkeit, dass ten Hag zugleich auch schon bei anderen Vereinen gehandelt wird – denn letztlich fischen alle Top-Vereine im selben Teich. Dem Niederländer werden Außenseiterchancen bei der Trainersuche des FC Bayern eingeräumt. Schließlich genießt der 54-Jährige beim deutschen Rekordchamp immer noch hohes Ansehen, seit er zwischen 2013 und 2015 die zweite Mannschaft der Bayern trainiert hatte. Auch ein anderer ehemaliger Trainer von United wurde zuletzt an der Säbener Straße gehandelt: Ralf Rangnick. Kleines Problem beim 65-Jährigen: Er steht noch bis 2026 in Österreich unter Vertrag. Es ist aber eines, das sicherlich mit Geld zu lösen wäre. Und natürlich wird auch längst darüber spekuliert, dass eine der vielen Anfragen für Julian Nagelsmann auch von seinem Ex-Klub FC Bayern stammt.
Xabi Alonso, ehemaliger TopKandidat bei den Bayern, hat sich bekanntlich selbst aus dem Rennen genommen – und seinem Verein Bayer Leverkusen damit einen großen Gefallen getan. Denn einerseits kann die Erfolgsgeschichte des Spaniers weitergehen – zum anderen muss die Werkself nun im jetzt schon überhitzten Trainermarkt keinen Nachfolger suchen. Auf der anderen Seite scheinen die Erfolgsaussichten für hoch gehandelte Coaches gut wie selten zu sein – erst recht, wenn man wie Roberto De Zerbi offenbar mit einer Ausstiegsklausel im Vertrag punkten kann. Im Falle des Trainers von Brighton soll diese bei 14 Millionen Euro liegen. Für gut situierte TopVereine ist das ein Schnäppchen. Natürlich soll sich auch der FC Bayern für den Italiener interessieren, Buchmacher sehen ihn sogar als den Top-Favoriten.
Und klar ist auch noch etwas vor diesem an Spekulationen nicht armen Trainer-Transfer-Sommer: Auch die kleineren Vereine werden die Auswirkungen zu spüren bekommen, schließlich benötigen ambitionierte Mittelklasse-Klubs wie Brighton in der neuen Saison jemanden, der das Training leitet. Wer jetzt zeigt, dass er aus wenig viel macht, könnte bald auf der Karriereleiter weiter oben stehen. Aus der Bundesliga etwa machte zuletzt Jess Thorup, Trainer des FC Augsburg, auf sich aufmerksam. Der Vertrag des Dänen, der aus einem Kellerkind einen Europapokal-Aspiranten machte, läuft bis 2025. Bedeutet: In diesem Sommer würde es noch Ablöse für ihn geben. Die muss ja nicht gleich vom FC Bayern stammen, auch in Brighton wird gut gezahlt. Übersetzt: Keiner wird zu seinem Schutz gezwungen.
Nach dem Pokalspiel seiner Leverkusener wurden die Mikroschoner von Wirtz im Interview mit Sky-Experte Erik Meijer thematisiert. Meijer, gelernter Metzger und als Stürmer für Uerdingen und Leverkusen kein Kind von Traurigkeit, hatte zu dieser Gelegenheit seine alte Ausrüstung mitgebracht und diese mit der von Wirtz verglichen, nachdem dieser seine Briefmarke aus dem Stutzen gefischt hatte. Mit sardonischem Lächeln tätschelte Meijer Wirtz auf die Schulter und sagte: „Du bist so schnell, du brauchst das nicht.“Mit einem ähnlichen Tonfall hätte er auch sagen können: „Du musst dich nicht anschnallen im Auto. Wofür gibt es Schutzengel?“Wirtz selbst erklärte seine Schutztaktik wie folgt: „Ich versuche immer aufzupassen, dass mich nicht allzu viele erwischen.“Ah ja.
Tatsächlich wären die Zeiten für Wirtz, diesen feinen Dribbler und Techniker, früher wohl nicht leicht gewesen. In Zeiten von Minipli und Vokuhila war ein Schienbein schnell mal blau getreten. Das schwante wohl auch Wirtz selbst, der mit einem Blick auf seine Schoner anfügte: „Vielleicht hol ich mir auch bald wieder größere.“Das würde ihn Norbert Siegmann wohl auch raten, falls ihn Wirtz um seine Meinung fragen sollte.