Wie gratuliert man Gerhard Schröder?
Der einstige Kanzler hat sich mit seiner Putin-Treue in der SPD isoliert. Zum 80. Geburtstag kommen Genossinnen und Genossen nicht umhin, ihm trotzdem Glückwünsche auszurichten. Mehr oder minder herzlich.
Berlin/Hannover Mit dem Gratulieren ist das so eine Sache. Schätzt man den Menschen, fällt es einem leicht, zum runden Geburtstag Glückwünsche auszurichten und das passende Geschenk auszusuchen. Die guten Wünsche kommen von Herzen. Was aber tun, wenn der Jubilar einem zuwider ist, weil er sich auffällig verhält, ja übergriffig agiert? Wenn der Nachbar 80 wird, aber immer noch rüstig sonntags den Rasenmäher herausholt oder nachts laut Blasmusik hört, stellt sich die Grundsatzfrage, ob es angebracht ist, ihm zum Geburtstag zähneknirschend ein Fläschchen Wein und eine Glückwunschkarte an die Tür zu stellen.
Ist es besser, Diplomatie walten zu lassen, den Nachbarschaftsstreit nicht weiter anzuheizen und den Schein zu wahren? Oder sollte man konsequent sein, also eine komplette Gratulations- und Schenk-Abstinenz walten lassen? Bekanntlich verträgt kein Prinzip seine letzte Konsequenz. Mit Pragmatismus kommt der Mensch leichter durchs Leben. Und so standen führende Sozialdemokraten, was Ex-Kanzler Gerhard Schröder betrifft, der am Sonntag 80 Jahre alt geworden ist, vor einer kniffligen Frage, schließlich will der heutige Lobbyist von seiner Freundschaft zum Kriegstreiber Wladimir Putin nicht abschwören. Natürlich erwartet keiner, dass Genossinnen und Genossen „GasGerd“,
wie er abfällig genannt wird, Golfbälle oder eine Einladung zum geheimen CurrywurstEssen, von dem seine gesundheitsbewusste Frau nichts wissen darf, schenken. Es reichen schon einige Zeilen, schließlich hat der Mann Wahlen für die Sozialdemokarten gewonnen – und das mit Ergebnissen, die heute wie von einem anderen Stern wirken.
Und so haben Bundeskanzler Olaf Scholz und die SPD-Spitze dem früheren Kanzler und einstigen Parteivorsitzenden zu seinem 80. Geburtstag trotz aller Zerwürfnisse doch gratuliert. Die Sozialdemokraten rangen sich zur Diplomatie durch. Dabei drucksen Scholz & Co. allerdings herum und verraten nicht zu viele Details. Irgendwie ist ihnen die Sache wohl peinlich, so wie einer Familie ein Onkel, der alle mit Prozessen überzieht, gegen den Strich geht. Deswegen teilte eine Regierungssprecherin nur knapp mit: „Der Bundeskanzler gratuliert dem Bundeskanzler a. D. zum runden Geburtstag wie üblich in Form eines Glückwunschschreibens“. Ein SPD-Sprecher gab sich nicht minder wortkarg und ließ verlauten, die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil hätten Schröder schriftlich gratuliert. Die Parteispitze hat mit dem Altkanzler gebrochen. Ein Ausschlussverfahren gegen ihn scheiterte indes.
Schröder unternahm über sein Festhalten an Putin, was schon provokativ genug ist, alles, um allzu herzliche Glückwünsche von
Genossenseite proaktiv zu verhindern. Vor seinem Geburtstag attackierte er die SPD-Führungsriege als „Menschen, die ich nur begrenzt politisch ernst nehmen kann“. Dabei beließ er es nicht und meinte: „Was mich wirklich traurig macht, ist die Provinzialität der gegenwärtigen Führungsfiguren.“Dann trat Schröder mit Blick auf die Umfragewerte nach: „Wenn ich bei 15 Prozent gewesen wäre, wäre ich sofort zurückgetreten.“
Doch sein alter Weggefährte, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, gratulierte dem Altkanzler dann doch mit einem Schreiben auf offiziellem Briefpapier etwas persönlicher. Der SPDMann überbrachte so seine „herzliche Gratulation und die besten Wünsche für Deine Gesundheit und die Deiner Familie“. Auch die frühere Ehefrau Doris SchröderKöpf hat einen Brief geschrieben. Sie wünscht dem „lieben Gerd“nicht nur Gesundheit, sondern auch, „dass seine politischen Leistungen eines Tages wieder stärker in Gänze betrachtet werden“. Ob das ein frommer Wunsch ist, wird sich zeigen. (mit dpa)