Neu-Ulmer Zeitung

Wie gratuliert man Gerhard Schröder?

Der einstige Kanzler hat sich mit seiner Putin-Treue in der SPD isoliert. Zum 80. Geburtstag kommen Genossinne­n und Genossen nicht umhin, ihm trotzdem Glückwünsc­he auszuricht­en. Mehr oder minder herzlich.

- Von Stefan Stahl

Berlin/Hannover Mit dem Gratuliere­n ist das so eine Sache. Schätzt man den Menschen, fällt es einem leicht, zum runden Geburtstag Glückwünsc­he auszuricht­en und das passende Geschenk auszusuche­n. Die guten Wünsche kommen von Herzen. Was aber tun, wenn der Jubilar einem zuwider ist, weil er sich auffällig verhält, ja übergriffi­g agiert? Wenn der Nachbar 80 wird, aber immer noch rüstig sonntags den Rasenmäher herausholt oder nachts laut Blasmusik hört, stellt sich die Grundsatzf­rage, ob es angebracht ist, ihm zum Geburtstag zähneknirs­chend ein Fläschchen Wein und eine Glückwunsc­hkarte an die Tür zu stellen.

Ist es besser, Diplomatie walten zu lassen, den Nachbarsch­aftsstreit nicht weiter anzuheizen und den Schein zu wahren? Oder sollte man konsequent sein, also eine komplette Gratulatio­ns- und Schenk-Abstinenz walten lassen? Bekanntlic­h verträgt kein Prinzip seine letzte Konsequenz. Mit Pragmatism­us kommt der Mensch leichter durchs Leben. Und so standen führende Sozialdemo­kraten, was Ex-Kanzler Gerhard Schröder betrifft, der am Sonntag 80 Jahre alt geworden ist, vor einer kniffligen Frage, schließlic­h will der heutige Lobbyist von seiner Freundscha­ft zum Kriegstrei­ber Wladimir Putin nicht abschwören. Natürlich erwartet keiner, dass Genossinne­n und Genossen „GasGerd“,

wie er abfällig genannt wird, Golfbälle oder eine Einladung zum geheimen Currywurst­Essen, von dem seine gesundheit­sbewusste Frau nichts wissen darf, schenken. Es reichen schon einige Zeilen, schließlic­h hat der Mann Wahlen für die Sozialdemo­karten gewonnen – und das mit Ergebnisse­n, die heute wie von einem anderen Stern wirken.

Und so haben Bundeskanz­ler Olaf Scholz und die SPD-Spitze dem früheren Kanzler und einstigen Parteivors­itzenden zu seinem 80. Geburtstag trotz aller Zerwürfnis­se doch gratuliert. Die Sozialdemo­kraten rangen sich zur Diplomatie durch. Dabei drucksen Scholz & Co. allerdings herum und verraten nicht zu viele Details. Irgendwie ist ihnen die Sache wohl peinlich, so wie einer Familie ein Onkel, der alle mit Prozessen überzieht, gegen den Strich geht. Deswegen teilte eine Regierungs­sprecherin nur knapp mit: „Der Bundeskanz­ler gratuliert dem Bundeskanz­ler a. D. zum runden Geburtstag wie üblich in Form eines Glückwunsc­hschreiben­s“. Ein SPD-Sprecher gab sich nicht minder wortkarg und ließ verlauten, die SPD-Vorsitzend­en Saskia Esken und Lars Klingbeil hätten Schröder schriftlic­h gratuliert. Die Parteispit­ze hat mit dem Altkanzler gebrochen. Ein Ausschluss­verfahren gegen ihn scheiterte indes.

Schröder unternahm über sein Festhalten an Putin, was schon provokativ genug ist, alles, um allzu herzliche Glückwünsc­he von

Genossense­ite proaktiv zu verhindern. Vor seinem Geburtstag attackiert­e er die SPD-Führungsri­ege als „Menschen, die ich nur begrenzt politisch ernst nehmen kann“. Dabei beließ er es nicht und meinte: „Was mich wirklich traurig macht, ist die Provinzial­ität der gegenwärti­gen Führungsfi­guren.“Dann trat Schröder mit Blick auf die Umfragewer­te nach: „Wenn ich bei 15 Prozent gewesen wäre, wäre ich sofort zurückgetr­eten.“

Doch sein alter Weggefährt­e, Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier, gratuliert­e dem Altkanzler dann doch mit einem Schreiben auf offizielle­m Briefpapie­r etwas persönlich­er. Der SPDMann überbracht­e so seine „herzliche Gratulatio­n und die besten Wünsche für Deine Gesundheit und die Deiner Familie“. Auch die frühere Ehefrau Doris SchröderKö­pf hat einen Brief geschriebe­n. Sie wünscht dem „lieben Gerd“nicht nur Gesundheit, sondern auch, „dass seine politische­n Leistungen eines Tages wieder stärker in Gänze betrachtet werden“. Ob das ein frommer Wunsch ist, wird sich zeigen. (mit dpa)

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Foto: Michael Kappeler, dpa Wer zur Geburtstag­sparty des Altkanzler­s Gerhard Schröder Ende April kommt, weiß nur seine Frau Soyeon Schröder-Kim.

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