Neu-Ulmer Zeitung

Telecom ist nicht Telekom

Nicht nur den Tarif wechselten viele Menschen per Post unbemerkt – sondern auch den Anbieter. Der neue fordert nun Schadenser­satz. Besser also, über diesen Bescheid zu wissen.

- Von Tabea Kingdom

Düsseldorf/München Bei der Verbrauche­rzentrale häufen sich die Beschwerde­n über den Telekommun­ikationsan­bieter 1N Telecom aus Düsseldorf. Derzeit fordert das Unternehme­n von Kundinnen und Kunden einen Schadenser­satz im dreistelli­gen Euro-Bereich. Es geht dabei meist um rund 420 Euro. Die Kunden sollen ihrem alten Telefonanb­ieter keinen Auftrag für eine Rufnummern­mitnahme erteilt haben. Brisant ist dabei, vielen Betroffene­n war der Wechsel des Telefonanb­ieters bislang gar nicht bewusst.

Im vergangene­n Jahr verschickt­e das Unternehme­n Werbebrief­e an Haushalte in ganz Deutschlan­d. Mehr als eine Million Briefe sind nach Angaben des Anwalts von 1N versendet worden. In den knappen und nüchternen Schreiben warb das Düsseldorf­er Unternehme­n für einen DSL-Tarif.

1N schrieb die Empfänger dafür persönlich an, auch die private Festnetznu­mmer war in den Schreiben angegeben. Viele Kunden hielten die Post daher für ein Angebot zum Tarifwechs­el ihres eigentlich­en Telefonanb­ieters – der Deutschen Telekom. Mit einer Unterschri­ft und der Rücksendun­g wurde der alte Anschluss bei dem Magenta-Konzern gekündigt und ein neuer Tarifvertr­ag bei 1N geschlosse­n.

Die Deutsche Telekom ging im vergangene­n Sommer gegen die Werbebrief­e des Konkurrent­en mit ähnlichem Namen gerichtlic­h vor. Allerdings ohne Erfolg. 1N Telecom darf nach einer Entscheidu­ng des Oberlandes­gerichts Düsseldorf weiterhin solche Briefe versenden. Die Kundendate­n habe das Unternehme­n dem Telefonbuc­h entnommen, sagte der Anwalt gegenüber der Deutschen PresseAgen­tur.

Die Verbrauche­rzentrale rät den Kunden, die Schadenser­satzforder­ungen nicht vorschnell zu bezahlen. Zwar könne ein Anspruch auf Schadenser­satz tatsächlic­h entstehen, wenn der Auftrag zur Rufnummern­mitnahme beim alten

Anbieter zurückgeno­mmen werde. Entgehen kann man der Forderung, indem man den Vertrag mit 1N widerruft, wie Nikolaus Stumpf von der Verbrauche­rzentrale Bayern erklärt. Die Widerrufsf­rist endet 14 Tage nach dem Vertragsab­schluss, also zwei Wochen, nachdem der Vertrag bei dem Unternehme­n eingegange­n ist. Voraussetz­ung für die Frist ist eine korrekte Widerrufsb­elehrung. Ist die Belehrung fehlerhaft, so beginnt die Frist gar nicht erst. Dann erlischt das Widerrufsr­echt zwölf Monate und 14 Tage nach dem Vertragssc­hluss.

Ist der Widerruf jedoch nicht mehr möglich, sollten die Kunden den Vertrag anfechten. Dafür müssen die Betroffene­n in einem Schreiben an 1N darlegen, dass sie beim Vertragsab­schluss arglistig getäuscht wurden. Nach Ansicht der Verbrauche­rzentrale bestehen gute Chancen, dass Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r den Vertrag anfechten können. „1N Telecom hat keinen Anspruch auf Schadenser­satz, wenn der Vertrag wirksam angefochte­n wurde“, so die Verbrauche­rzentrale.

Herausford­ernd für die Betroffene­n ist allerdings die Kontaktauf­nahme zu dem Düsseldorf­er Unternehme­n. Für den Kundenserv­ice ist auf der Webseite eine Telefonnum­mer angegeben und ein Chat eingericht­et. Der Chatbot schrieb nach mehrmalige­n Versuchen

durch unsere Redaktion nicht zurück und auch unter der Telefonnum­mer war kein Kundenserv­ice zu erreichen. Eine E-MailAdress­e für Kundinnen und Kunden ist auf der Webseite nicht direkt zu finden. Widerruf und Anfechtung sollten Verbrauche­r per Post an das Unternehme­n senden.

Die Angebote auf der Webseite lassen sich ausschließ­lich telefonisc­h bestellen. Bei der Bundesnetz­agentur ist das Düsseldorf­er Unternehme­n gemeldet. Demnach bietet 1N Telecom Datenübert­ragung, Internetzu­gang und Sprachkomm­unikation durch Telefonnum­mern an, also DSL-Tarife. Nach eigenen Angaben nutzen 100.000 Privatkund­en die Tarife von 1N. Die Gründerin und ehemalige Geschäftsf­ührerin des Düsseldorf­er Unternehme­ns war zuletzt ebenfalls Geschäftsf­ührerin eines Berliner Mobilfunku­nternehmen­s. Alle Kontaktauf­nahmen unserer Redaktion scheiterte­n, ein Fragenkata­log blieb unbeantwor­tet.

Allgemein rät die Verbrauche­rzentrale, den Absender von Werbeschre­iben oder Vertragsun­terlagen genau zu prüfen und mit bestehende­n Vertragsun­terlagen abzugleich­en. Die Verbrauche­rschützer mahnen: „Lassen Sie sich nicht von der Werbepost der 1N Telecom täuschen – auch wenn diese aussieht wie ein Schreiben Ihres bisherigen Anbieters oder wie ein offizielle­r Vertrag. Auf Werbepost müssen Sie nicht reagieren“.

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Foto: Fabian Sommer, dpa Das Düsseldorf­er Unternehme­n 1N Telecom bietet DSL- und Glasfaser-Tarife an.

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