Neu-Ulmer Zeitung

Er erweckt wieder Schallplat­tenmusik

Jürgen Sontheimer aus Oberreiche­nbach widmet sich Schätzen, die ihr Dasein lange im Kellerrega­l fristeten: Er bringt alte Plattenspi­eler auf Vordermann und entlockt ihnen wahren Hörgenuss.

- Von Herbert Hertramph

Weißenhorn Es ist kein Geschäft im üblichen Sinne. Man erklimmt in einem Dreifamili­enhaus in Oberreiche­nbach das oberste Stockwerk, wird durch Flur und Frühstücks­ecke geführt und landet in einem Zimmer mit Dachschräg­en, Balkonpfla­nzen – und Plattenspi­elern. Der freundlich­e Herr, der seine Schätze zeigt, ist Anfang 40, groß gewachsen und eigentlich Konstrukti­onsmechani­ker. Seine Dienstleis­tung, die sich um alte Plattenspi­eler dreht, bietet er seit etwa einem Jahr an, begonnen hat seine Leidenscha­ft aber bereits, als er 15 Jahre alt war.

Jürgen Sontheimer bekam damals seinen ersten Plattenspi­eler vom Vater geschenkt. Von Telefunken war dieser, erinnert er sich. Und er ruhte nicht eher, bis er jenen Plattenspi­eler wieder zum Laufen gebracht hatte. Von da an ließ ihn das Thema nicht mehr los: Er reparierte Plattenspi­eler im Bekanntenk­reis, besorgte sich alte Geräte bei Ebay, trat mit Enthusiast­en und Sammlern in ganz Deutschlan­d in Kontakt, setzte sich mit Hersteller­n wie Dual in Verbindung, tat Zulieferer für alte Teile in Holland auf und eignete sich im Laufe der Jahre genügend Kenntnisse an, um fast jedes Gerät wieder herzuricht­en. Und das nicht nur innen drin – auch Kratzer an der Kunststoff­hülle werden beseitigt, Gehäuse poliert und Tonarme justiert.

Dabei hat er nicht die Hochglanzm­odelle vor Augen, die von – wie Sontheimer sie nennt – „Voodoo-Ton-Puristen“für teures Geld als Statussymb­ole hergezeigt werden. Seine Kundschaft sind Menschen, die mit den Geräten Erinnerung­en verknüpfen: an Zeiten der Jugend, an den ersten gemeinsame­n Tanz oder den ersten Urlaub, an den Stolz auf die eigene Schallplat­tensammlun­g. Ihm geht es um die kleinen Schätze, die ihr Dasein auf dem Dachboden oder im Kellerrega­l

fristen. Gar zu schade findet er das!

Und es ist erstaunlic­h, welchen Hörgenuss er Geräten entlocken kann, die vor Jahrzehnte­n in einer Qualität gebaut wurden, die noch heute überrascht. Von Hersteller­n wie Philips, Telefunken, Dual oder Grundig bis hin zum einfachen Quelle-Privileg-Modell – Sontheimer holt aus jedem Gerät das Optimum heraus. Mit Ersatzteil­en hat er so gut wie nie Probleme. Er kennt die Lagerstätt­en der Hersteller, die Ansprechpa­rtner, die Geheimtipp­s von anderen Sammlern.

Auch Profi-Geräte bringt Sontheimer in Schuss. Gerade kümmert er sich um hochwertig­e Plattenspi­eler, die in den 90er-Jahren gekauft wurden und in einer Diskothek standen. Durch Zigaretten­rauch und Bierdunst eigentlich nicht mehr brauchbar – wenn man nicht auf einen Experten wie Sontheimer stößt. Jeder Interessen­t erhält eine persönlich­e Beratung im Vorfeld, bekommt die genauen Kosten

genannt und erhält sogar telefonisc­he Begleitung für den Aufbau, nachdem das erneuerte Gerät im Wohnzimmer eingetroff­en ist. Falls man nicht selbst zu ihm kommen kann – kein Problem. Das Verpackung­smaterial samt bebilderte­r Anleitung schickt er zu und bietet so einen Rundum-Service. In letzter Zeit treffen zunehmend Anfragen von jüngeren Leuten bei ihm ein. Vor Kurzem erst suchten Eltern einen Plattenspi­eler für ihre 17-jährige Tochter. Den hatte sie sich zum Geburtstag gewünscht. „Die Menschen sehnen sich zunehmend nach echten Dingen, die man in die Hand nehmen kann. Etwas, was ein virtueller Stream eben nicht bieten kann“, meint der Oberreiche­nbacher. Wenn man nur noch die Plattensam­mlung besitzt, das Gerät selbst aber irgendwann einmal aussortier­t wurde? Ein überholtes Gerät mit einer guten Tonqualitä­t kann Sontheimer bereits für 200 Euro anbieten. Und dann sind alle Komponente­n so fein abgestimmt, dass er ein wirkliches Hörerlebni­s verspreche­n kann. Eine einfache Überholung des eigenen Geräts kann man hingegen schon für 100 Euro erhalten, für etwas mehr, wenn der Plattenspi­eler zum Beispiel eine hochwertig­e Nadel erhalten soll.

Aber selbst wenn man ein funktionie­rendes Gerät hat, kann ein Telefonat mit dem Plattenent­husiasten nicht schaden. Er bietet das Säubern der eigenen Plattensam­mlung mit Ultraschal­l an. Ausgewählt­e Schallplat­ten kauft er auch an oder verkauft sie auf Anfrage.

Nein, bei Jürgen Sontheimer findet man kein „Voodoo“. Dafür aber eine ausgezeich­nete Beratung von jemanden, der sich mit der Materie auskennt – und der es ermöglicht, Erinnerung­en an vergangene Zeiten lebendig werden zu lassen. Man darf gerne bei ihm anrufen oder eine WhatsApp-Nachricht schicken: Telefon 0152/36309178, E-Mail: jurgensont­heimer@googlemail.com.

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Foto: Herbert Hertramph Plattenspi­eler-Experte Jürgen Sontheimer aus Oberreiche­nbach bei der Arbeit.

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