Millionen Bürger bald ohne Gasanschluss?
Die Regierung stellt erste Weichen für den Rückbau des Netzes. Verbände üben Kritik. Was die Pläne für Verbraucher bedeuten.
Berlin/München Nachdem die Bundesregierung 2023 mit dem Heizungsgesetz große Verunsicherung bei Verbrauchern mit Gasund Ölheizung ausgelöst hat, droht ein neuer Konflikt. Das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck denkt bereits über den Rückbau des Gasnetzes nach. Dies kann dazu führen, dass Interessenten keinen neuen Gasanschluss mehr bekommen und bisherige Kunden auf Alternativen umschwenken müssen. Verbände wie auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger üben scharfe Kritik. Der Chef des Branchenverbandes DVGW, Gerald Linke, warnte am Montag vor einer „Rückbau-Orgie“und plädierte dafür, das Thema technologieoffen zu gestalten. Auch wasserstoffbetriebene Gasheizungen müssten eine Chance haben.
Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu werden. „Bis dahin muss der Ausstieg aus fossilem Erdgas vollzogen worden sein“, heißt es in einem Papier des Wirtschaftsministeriums zum Gasnetz. Für den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen gibt es inzwischen Fördergelder. Die Folge ist, dass viele Kunden künftig nicht mehr mit Gas heizen werden, heißt es im Papier. „Gasverteilnetze für die bisherige Erdgasversorgung werden dann in der derzeitigen Form nicht mehr benötigt werden.“Sind nur wenige Kunden angeschlossen, könnte der Betrieb nicht mehr rentabel sein. Die Stilllegung oder der Rückbau der Netze wäre die Folge.
Für Verbraucher könnte dies in einigen Jahren bedeuten, „dass neue Gasanschlüsse verweigert und bestehende gekündigt werden können“, dies sehe ein Gesetzentwurf der EU vor. Neue Kunden würden nicht mehr an das Gasnetz angeschlossen werden, bestehende Kunden mit einer Gastherme im Keller müssten sich nach einer Alternative
umsehen. „Falls Erdgasnetze stillgelegt werden, müssen die angebundenen Kunden einen hinreichenden Vorlauf haben, um ihre Energieversorgung umzustellen“, betonte das Ministerium.
Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger kritisiert die Pläne trotzdem scharf. „Diese Debatte löst weitere Verunsicherung bei den Gaskunden aus“, sagte er unserer Redaktion. „Erst mussten sie fürchten, kein Gas mehr zu bekommen, dann mussten sie sehr teure Preise bezahlen und jetzt, da sich die Lage einigermaßen beruhigt hat, redet man vom Rückbau der Netze, ohne schon vernünftige Alternativen zu haben“, so der FreieWähler-Chef. „Es muss auf alle Fälle gewährleistet sein, dass keinem Gaskunden gegen seinen Willen der Hahn abgedreht wird.“
Es gibt aber eine Chance, die Gasnetze weiterzubetreiben – mit klimafreundlichem Wasserstoff. „Nicht das Rausreißen von Leitungen und die Stilllegung sind das Gebot der Stunde, sondern die Ertüchtigung und der Neubau“, sagte DVGW-Chef Linke. „Nur das führt zu einem Erfolg beim Klimaschutz, Wasserstoff ist hier unverzichtbar.“Der Verband legte Studien vor, dass der Bau eines Wasserstoff-Kernnetzes mit rund 20 Milliarden Euro und die Umrüstung des Gasnetzes für vier Milliarden günstiger seien als der Ausbau der Stromnetze, der bis 2045 mit bis zu 730 Milliarden Euro zu Buche schlagen könnte.
Kritiker sehen im Wasserstoff dagegen kaum eine realistische Option, da dieser zu rar und zu teuer sei. „Wasserstoff als Wärmequelle ist extrem ineffizient und wird in Deutschland für Gebäudeenergie voraussichtlich kaum zur Verfügung stehen“, sagte Claudia Kemfert, Energieexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Wie künftig in Städten und Gemeinden geheizt werden soll, müssen diese bis Juni 2028 in einer kommunalen Wärmeplanung festlegen. Kommentar