Neu-Ulmer Zeitung

Macht Scheuer seine politische­n Kontakte jetzt zu Geld?

Der Ex-Minister hat noch vor seinem Ausscheide­n aus dem Bundestag zwei Firmen gegründet. Sein Netzwerk nimmt er mit in die neue Karriere. Strafbar ist das nicht.

- Von Holger Sabinsky-Wolf und Michael Stifter

Berlin Andreas Scheuer war gut vorbereite­t. Noch vor seinem Abgang aus dem Deutschen Bundestag Anfang April gründete der ExMinister zwei Firmen – jeweils mit ihm selbst als Geschäftsf­ührer. Der CSU-Mann stellt seine Expertise künftig also der freien Wirtschaft zur Verfügung. Beratung und Vermögensv­erwaltung sind die künftigen Geschäftsf­elder des Niederbaye­rn, sein politische­s Netzwerk nimmt er mit in die neue Karriere.

Keine schlechten Startbedin­gungen für einen, der als Minister nicht restlos überzeugte. Scheuers überrasche­nder Seitenwech­sel facht eine alte Debatte neu an: Ist es in Ordnung, wenn Politiker nach oder während ihrer Karriere ihre Kontakte und ihr Wissen nutzen, um damit Geld zu verdienen?

Zuletzt hatte die Maskenaffä­re diese Frage aufgeworfe­n. Die beiden CSU-Abgeordnet­en Alfred Sauter und Georg Nüßlein kassierten hohe Provisione­n für die Vermittlun­g von millionens­chweren Geschäften mit Coronamask­en und natürlich waren sie den Anbietern auch deshalb eine Hilfe dabei, weil sie über einen direkten Draht in die Schaltzent­ralen der Macht verfügten. Es kostete beide letztlich die politische Laufbahn, doch strafbar war es genauso wenig wie Scheuers Neuanfang als Junguntern­ehmer. Für Minister gilt eine Karenzzeit von 18 Monaten nach dem Ausscheide­n aus dem Amt. So lange müssen frühere Kabinettsm­itglieder wirtschaft­liche Aktivitäte­n außerhalb des Öffentlich­en Dienstes melden. Die Bundesregi­erung kann diese dann auch untersagen, wenn eine Ethikkommi­ssion Interessen­konflikte darin wähnt. Die Zeit des CSU-Politikers als Bundesverk­ehrsminist­er endete am 8. Dezember 2021. Seine vorgeschri­ebene Phase im politische­n Abklingbec­ken hatte Scheuer also längst abgesessen.

Nichts deutet darauf hin, dass der 49-Jährige Regeln gebrochen haben könnte. Doch die Experten von Lobbycontr­ol oder Transparen­cy Internatio­nal kritisiere­n immer wieder, dass die Vorschrift­en zu lax seien. Sie fordern nicht nur eine Verlängeru­ng der Karenzzeit für einstige Kabinettsm­itglieder, sondern auch, dass die Zeit erst dann läuft, wenn sie ihre Parlaments­karriere beendet haben. Tatsächlic­h hatte Scheuer ja als Bundestags­abgeordnet­er bis zuletzt beste Chancen, seine Kontakte im Politbetri­eb auch in wirtschaft­lichem Eigeninter­esse zu verwerten. Legal. Aber auch legitim?

Genau diese Frage stand auch über der Maskenaffä­re um Sauter und Nüßlein. Die ehemaligen CSU-Abgeordnet­en aus Schwaben hatten hinter den Kulissen ordentlich lobbyiert, um millionens­chwere Maskendeal­s mit dem Staat einzufädel­n – und davon persönlich zu profitiere­n. Moralisch war das von Anfang an fragwürdig. Doch nach den bislang geltenden gesetzlich­en Regeln zur Abgeordnet­enbestechu­ng haben sie sich nicht strafbar gemacht. So hat es der Bundesgeri­chtshof entschiede­n.

Die Ampelparte­ien hatten auch deshalb bereits in ihrem Koalitions­vertrag angekündig­t, dass sie den „Schmiergel­d-Paragrafen“108e des Strafgeset­zbuchs verschärfe­n wollen. Nun haben SPD, Grüne und FDP – mit Verspätung – einen Gesetzentw­urf dazu abgesegnet. Bisher hatten sich Abgeordnet­e nur dann der Bestechung strafbar gemacht, wenn sie für ein konkretes Verhalten „in Ausübung ihres Mandats“Geld oder andere Vorteile kassiert haben – zum Beispiel für eine Rede oder ein bestimmtes Abstimmung­sverhalten.

Künftig soll es bereits strafbar sein, wenn die Politiker außerhalb der Parlamente mithilfe ihres politische­n Wissens und Netzwerks Geschäfte zu ihrem eigenen Vorteil auf den Weg bringen. Für solche Fälle der Abgeordnet­enbestechu­ng wären künftig bis zu drei Jahre Haft oder Geldstrafe­n vorgesehen.

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Foto: Ronny Hartmann, dpa Ex-Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer hat zwei Firmen gegründet.

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