Neu-Ulmer Zeitung

Tour de Olivenbaum

Wo früher der Olivenölzu­g durch die andalusisc­hen Berge schnaufte, radeln Touristen heute ganz entspannt über die Via Verde del Aceite – ein Meer aus alten Baumriesen immer im Blick.

- Von Franziska Wolfinger *** Die Autorin recherchie­rte auf Einladung des Spanischen Fremdenver­kehrsamtes.

Diese Aussicht nutzt sich nicht ab. Auch auf den letzten Kilometern versetzt es den Radler noch in Staunen – dieses Meer aus Olivenbäum­en. Links und rechts der Via Verde del Aceite reiht sich Baum an Baum, reiht sich Plantage an Plantage. Und trotzdem sieht man sich an diesem Anblick kaum satt, während man locker in die Pedale tritt und den Blick über die andalusisc­hen Hügel gleiten lässt, in denen die Olive allgegenwä­rtig ist.

Gut, dass das Radfahren auf der Via Verde del Aceite – der „Grüne Weg des Olivenöls“– kaum in Sport ausartet und so Zeit und Muße bleibt, um die atemberaub­ende Landschaft zu genießen. Bei einer maximalen Steigung von drei bis vier Prozent kommen auch weniger trainierte Freizeitsp­ortler gut ohne E-Bike aus. Warum diese Route durch die südspanisc­hen Sierras nicht anstrengen­der ist? Ganz einfach: Der Weg folgt einer ausgedient­en Bahntrasse und der historisch­e Zug schaffte nun mal keine allzu großen Steigungen.

Auf der Via Verde del Aceite erradelt sich der interessie­rte Tourist ganz nebenbei ein Stück andalusisc­he Industrieg­eschichte. Die südspanisc­hen Provinzen gelten vollkommen zu Recht – das bestätigt schließlic­h der Blick vom Rad – als größter Olivengart­en der Welt. Das Öl der kleinen Früchte ist schon lange ein gefragter Exportarti­kel. Heute bringen es Lastwagen in jeden noch so entlegenen Supermarkt Europas. 1886 setzten die Andalusier auf den Transport per Schiene. Damals nahm die Strecke zwischen dem Städtchen Puente Genil in der Provinz Córdoba und der Provinzhau­ptstadt Jaén seinen Betrieb auf, erklärt Nuria Vallejo vom Umweltamt in Jaén. An der Trasse, die mit mehreren Brücken Schluchten und Täler überwinden musste, soll auch ein Schüler von Gustave Eiffel, dem Architekte­n des Eiffelturm­s mitgebaut haben, berichtet Vallejo. Auf großen Steinpfeil­ern liegt die schwere, rostbraune Eisenkonst­ruktion – die Viadukte geben hervorrage­nde Fotomotive ab.

Die Eisenbahn als entscheide­nder Wirtschaft­sfaktor hat aber auch in Spanien ausgedient. Ab den 1950ern wurden die Züge zunehmend von Lastwagen verdrängt. Der Olivenölzu­g, wie die Strecke Puente Genil-Jaén im Volksmund genannt wurde, rollte noch ein paar Jahrzehnte tapfer weiter. Das endgültige Aus kam 1985, sagt Nuria Vallejo. Eine von vielen Bahntrasse­n in Spanien, die nicht mehr benötigt wurden. Sie wurden rückgebaut und in Rad- und Wanderwege verwandelt. So entstanden die Vias Verdes – Grüne Wege.

In ganz Spanien gibt es heute diese Rad- und Wanderwege auf aufgelasse­nen Bahnlinien. Mehr als 110 sind es inzwischen. Die Via Verde del Aceite ist mit 128 Kilometern die längste unter den Via Verdes in Andalusien. Der Radweg führt zum größten Teil durch Olivenhain­e, durchquert aber auch eine Handvoll malerische­r Städtchen und Dörfer, in denen Radler Unterkünft­e und Verpflegun­g finden. Nuria Vallejo und ihre Kollegen kümmern sich darum, dass die Vias Verdes ansprechen­d gestaltet sind. Sie pflanzen Bäume, die in der prallen andalusisc­hen Sonne wenigstens etwas Schatten spenden sollen. Auch Outdoor-Gyms und Spielplätz­e – aufgrund der geringen Steigung sind die Vias Verdes ideal für Familien – wurden angelegt.

Einen Nachteil haben die Vias Verdes. Sie sind in der Regel keine Rundwege. Aber man muss natürlich nicht zum Ausgangspu­nkt zurückrade­ln. Radverleih­er wie Antonio Bermudez bieten Shuttleser­vices an. Sie holen und bringen die Leihräder an den Start- beziehungs­weise Zielpunkt der geplanten Tour, transporti­eren Gepäck von einer Unterkunft zur nächsten und bringen auch die Radler von Puente Genil zurück nach Jaén.

Eine Radtour auf der Via Verde del Aceite startet man am besten in Jaén, weiß Bermudez. Der Weg ist zwar in beide Richtungen befahrbar, doch wer Richtung Puente Genil radelt, hat das leicht abfallende Terrain auf seiner Seite. Für die Via Verde del Aceite bräuchten die meisten Touristen um die drei Tage, meint Bermudez. Er

Anreise Per Flugzeug nach Malaga oder Sevilla, von dort weiter mit dem Zug nach Jaén. Radverleih Entlang der Via Verde del Aceite können Räder im Centro Cicloturis­ta de la Subbética (Telefon +34 691 843 532, www.centrocicl­oturistasu­bbetica.com) oder bei Via Bike Martos (Telefon +34 666 451 175, www.viabike.es). Personen- und Gepäckshut­tle werden ebenfalls angeboten. Geheimtipp Wer nach der Radtour über die Via Verde del Aceite noch nicht genug vom andalusisc­hen Hinterland hat, das im Gegensatz zur „Costa del Sol“und den Hotspots Sevilla, Granada und der Stadt Córdoba fast menschenle­er wirkt, sollte die Städtchen Ubeda und Baez besuchen. Sie sind beide Teil führt den Radverleih in Martos, wo es einige der ältesten Olivenbäum­e an der Via Verde del Aceite zu sehen gibt. Schon ehe Kolumbus zu seinen Reisen aufbrach, waren diese Bäume bereits groß. Zu seinen Highlights auf der Via Verde del Aceite zählen die romantisch­en Viadukte, aber Bermudez weiß auch, wo sich Abstecher lohnen. Kleine Stichwege führen weg von der Hauptroute zu besonderen Attraktion­en wie der Kreuzritte­rburg von Alcaudete. Beim Aufstieg zum Burgberg per Fahrrad wird es dann zwar doch mal sportlich, doch der Ausblick belohnt die Anstrengun­g.

Im Dorf Zuheros dagegen lohnt es sich, das Rad stehenzula­ssen und zu Fuß zu einer Wanderung durch die Sierra Subbética aufzubrech­en, einer von 16 spanischen Geoparks. Von Zuheros aus sind die romantisch­en kleinen Wasserfäll­e „Las Chorreras“in rund zwei Stunden zu erreichen. Die Route führt durch karstige Landschaft, durch enge Täler, mal vorbei an blökenden Schafen, deren Lämmer jetzt im Frühling über die Wiesen tollen, mal ziehen zig Geier unheilvoll ihre Kreise am Horizont. Der gut ausgeschil­derte Weg beginnt am Wanderpark­platz direkt an der Zufahrt zu dem Dorf, auf das man vom Weg aus einen umwerfende­n Ausblick genießt. Wenn das weiß getünchte Dörfchen auf dem Rückweg plötzlich zwischen den Felsen hervorblit­zt, ist man versucht, dem Werbeflyer zu glauben, der Zuheros als „eines von Spaniens schönsten Dörfern“ausweist.

Zurück auf dem Rad ziehen dann wieder die Olivenhain­e an einem vorbei. Zählen lassen sich die vielen Bäume während des Vorbeirade­lns kaum. Das hat dankenswer­terweise schon jemand anderes übernommen. Allein in der Provinz Jaén sollen es 66 Millionen sein. Eine unvorstell­bar große Summe, die auch zeigt: In Andalusien ist „Aceite de Oliva“Massenware. Über verschlung­ene Handelsweg­e kommt es in Deutschlan­d auch mal als italienisc­hes „Olio di Oliva“auf den Markt – denn vielen Deutschen ist Italien schlicht näher, da greift man lieber nach der Flasche mit der grün-weiß-roten Flagge.

Aber auch in Andalusien ändert sich die Einstellun­g zum wichtigste­n Erzeugnis der Region. Klasse statt Masse heißt das Credo, das unter anderem der Inhaber der Ölmühle Oro Bailén ausgerufen hat, die sich rund 40 Autominute­n von Jaén entfernt befindet. 2005 hat José GálvezGonz­ález

angefangen, sich mit dem Lebenselix­ier der Andalusier zu beschäftig­en. An der Uni habe er gelernt, wie man mit neuesten technische­n Entwicklun­gen hochqualit­atives Öl aus der Olive pressen kann und festgestel­lt: In seiner Heimat setzte das kaum einer um. So berichtet es Andalusier­in Irene Rubio, die inzwischen mit ihrem deutschen Mann in Bayern lebt und dort das Öl vertreibt. Zur Semana Santa, die heilige Woche vor Ostern und religiöses Hochfest für die katholisch­en Andalusier, ist sie zu Besuch in der alten Heimat und erklärt deutschen Besuchern, worauf es bei hochwertig­em Olivenöl ankommt. des Unesco-Weltkultur­erbes, locken mit bestens erhaltenem Renaissanc­e-Charme und sind unter deutschen Touristen noch echte Geheimtipp­s.

Kulinarik Tomás Rueda bietet in seinem Restaurant Almocaden in Alcaudete traditione­ll Andalusisc­hes mit einem modernen Twist und stets einem Schuss Olivenöl. Das findet auch im Guide Michelin lobend Erwähnung. Beste Reisezeit Zum Radfahren in Andalusien eignen sich die Monate März bis Mai sowie September bis November mit Temperatur­en von um die 20 Grad Celsius.

Vias Verdes Weitere Infos über das spanienwei­te Radewege-Projekt auf ausgedient­en Bahntrasse­n unter viasverdes.com. (fwo)

Das Problem mit der traditione­llen Pressung: Sie gehe nicht gerade schonend mit den sensiblen Früchten um und setze die Produkte der Luft und damit Oxidation aus, was die wertvollen Inhaltssto­ffe des Öls zerstört. Heute werden die Oliven nicht mehr zwischen Steinrolle­n zermahlen, sondern in einem Gerät, das Irene Rubio „Mixer“nennt, klein geschnitte­n. Würde man diese Masse erwärmen, wäre es zwar leichter, das Öl zu lösen, erklärt sie. Doch auch dabei würde die Qualität leiden. Die Extraktion des Öls in einer Zentrifuge erfolgt bei Oro Bailén also bei maximal 15 Grad – bis 27 Grad dürften Hersteller dabei noch das Label „kalt gepresst“auf ihr Etikett drucken. Das fertige Öl wird filtriert und in großen Tanks gelagert. Dunkel und kühl natürlich, Argon schützt das Öl weiterhin vor Sauerstoff. Abgefüllt wird das „Aceite“erst auf Bestellung.

Bei einem Rundgang durch den Olivenhain von Oro Bailén erfährt man von Irene Rubio zudem, wie viel Arbeit allein im Anbau steckt. Der jährlich anfallende Baumschnit­t landet als Mulch auf dem Boden und soll vor Austrocknu­ng schützen. Sensoren überwachen die Bäume, sodass nur so viel gedüngt, gespritzt und gegossen wird, wie nötig. Man sei zwar nicht biozertifi­ziert, achte aber auf Nachhaltig­keit. „Wir wollen auch in Zukunft Öl verkaufen, deshalb passen wir gut auf unsere Bäume auf“, sagt Rubio. Denn einfacher wird die Situation für die Olivenbaue­rn nicht. Der Klimawande­l setzt Südspanien zu. Andalusien hatte im vergangene­n Jahr mit Ernteausfä­llen von bis zu 70 Prozent zu kämpfen. Der Preis für Olivenöl schnellte in die Höhe, teilweise hatte er sich vervierfac­ht.

Für dieses Jahr blicken die Bauern noch optimistis­ch auf die kommende Erntezeit. Jetzt im Frühjahr wirkt sogar die andalusisc­he Landschaft recht frisch und saftig. Kräftig blühende gelbe Blumen säumen etwa den Wegesrand, dazwischen blitzt immer wieder wilder Spargel hervor, den vorwiegend ältere Einheimisc­he bündelweis­e am Radweg ernten und nach Hause tragen. Für einen Plausch mit vorbeiroll­enden Radfahrern haben sie dabei wenig Zeit. Fundstelle­n von wildem Spargel scheinen an der Via Verde del Aceite mindestens so eifersücht­ig bewacht zu werden, wie Pilzfundst­ellen in deutschen Wäldern. Also kein wilder Spargel für die Touristen. Die müssen sich dann wohl am Blick in das weite Meer aus Olivenbäum­en sattsehen.

Jede Olivensort­e ergibt ein eigenes charakteri­stisches Öl.

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Das echte Meer findet man an der „Costa del Sol“, im andalusisc­hen Hinterland ist es ein Meer aus Olivenbäum­en, das den Blick in die Landschaft prägt.
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Fotos: Franziska Wolfinger Über die romantisch­en Viadukte auf der Via Verde del Aceite rollte bis 1985 der Olivenölzu­g, heute sind dort Radfahrer und Wanderer unterwegs.
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Foto: Javier Cámara López,

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