Tour de Olivenbaum
Wo früher der Olivenölzug durch die andalusischen Berge schnaufte, radeln Touristen heute ganz entspannt über die Via Verde del Aceite – ein Meer aus alten Baumriesen immer im Blick.
Diese Aussicht nutzt sich nicht ab. Auch auf den letzten Kilometern versetzt es den Radler noch in Staunen – dieses Meer aus Olivenbäumen. Links und rechts der Via Verde del Aceite reiht sich Baum an Baum, reiht sich Plantage an Plantage. Und trotzdem sieht man sich an diesem Anblick kaum satt, während man locker in die Pedale tritt und den Blick über die andalusischen Hügel gleiten lässt, in denen die Olive allgegenwärtig ist.
Gut, dass das Radfahren auf der Via Verde del Aceite – der „Grüne Weg des Olivenöls“– kaum in Sport ausartet und so Zeit und Muße bleibt, um die atemberaubende Landschaft zu genießen. Bei einer maximalen Steigung von drei bis vier Prozent kommen auch weniger trainierte Freizeitsportler gut ohne E-Bike aus. Warum diese Route durch die südspanischen Sierras nicht anstrengender ist? Ganz einfach: Der Weg folgt einer ausgedienten Bahntrasse und der historische Zug schaffte nun mal keine allzu großen Steigungen.
Auf der Via Verde del Aceite erradelt sich der interessierte Tourist ganz nebenbei ein Stück andalusische Industriegeschichte. Die südspanischen Provinzen gelten vollkommen zu Recht – das bestätigt schließlich der Blick vom Rad – als größter Olivengarten der Welt. Das Öl der kleinen Früchte ist schon lange ein gefragter Exportartikel. Heute bringen es Lastwagen in jeden noch so entlegenen Supermarkt Europas. 1886 setzten die Andalusier auf den Transport per Schiene. Damals nahm die Strecke zwischen dem Städtchen Puente Genil in der Provinz Córdoba und der Provinzhauptstadt Jaén seinen Betrieb auf, erklärt Nuria Vallejo vom Umweltamt in Jaén. An der Trasse, die mit mehreren Brücken Schluchten und Täler überwinden musste, soll auch ein Schüler von Gustave Eiffel, dem Architekten des Eiffelturms mitgebaut haben, berichtet Vallejo. Auf großen Steinpfeilern liegt die schwere, rostbraune Eisenkonstruktion – die Viadukte geben hervorragende Fotomotive ab.
Die Eisenbahn als entscheidender Wirtschaftsfaktor hat aber auch in Spanien ausgedient. Ab den 1950ern wurden die Züge zunehmend von Lastwagen verdrängt. Der Olivenölzug, wie die Strecke Puente Genil-Jaén im Volksmund genannt wurde, rollte noch ein paar Jahrzehnte tapfer weiter. Das endgültige Aus kam 1985, sagt Nuria Vallejo. Eine von vielen Bahntrassen in Spanien, die nicht mehr benötigt wurden. Sie wurden rückgebaut und in Rad- und Wanderwege verwandelt. So entstanden die Vias Verdes – Grüne Wege.
In ganz Spanien gibt es heute diese Rad- und Wanderwege auf aufgelassenen Bahnlinien. Mehr als 110 sind es inzwischen. Die Via Verde del Aceite ist mit 128 Kilometern die längste unter den Via Verdes in Andalusien. Der Radweg führt zum größten Teil durch Olivenhaine, durchquert aber auch eine Handvoll malerischer Städtchen und Dörfer, in denen Radler Unterkünfte und Verpflegung finden. Nuria Vallejo und ihre Kollegen kümmern sich darum, dass die Vias Verdes ansprechend gestaltet sind. Sie pflanzen Bäume, die in der prallen andalusischen Sonne wenigstens etwas Schatten spenden sollen. Auch Outdoor-Gyms und Spielplätze – aufgrund der geringen Steigung sind die Vias Verdes ideal für Familien – wurden angelegt.
Einen Nachteil haben die Vias Verdes. Sie sind in der Regel keine Rundwege. Aber man muss natürlich nicht zum Ausgangspunkt zurückradeln. Radverleiher wie Antonio Bermudez bieten Shuttleservices an. Sie holen und bringen die Leihräder an den Start- beziehungsweise Zielpunkt der geplanten Tour, transportieren Gepäck von einer Unterkunft zur nächsten und bringen auch die Radler von Puente Genil zurück nach Jaén.
Eine Radtour auf der Via Verde del Aceite startet man am besten in Jaén, weiß Bermudez. Der Weg ist zwar in beide Richtungen befahrbar, doch wer Richtung Puente Genil radelt, hat das leicht abfallende Terrain auf seiner Seite. Für die Via Verde del Aceite bräuchten die meisten Touristen um die drei Tage, meint Bermudez. Er
Anreise Per Flugzeug nach Malaga oder Sevilla, von dort weiter mit dem Zug nach Jaén. Radverleih Entlang der Via Verde del Aceite können Räder im Centro Cicloturista de la Subbética (Telefon +34 691 843 532, www.centrocicloturistasubbetica.com) oder bei Via Bike Martos (Telefon +34 666 451 175, www.viabike.es). Personen- und Gepäckshuttle werden ebenfalls angeboten. Geheimtipp Wer nach der Radtour über die Via Verde del Aceite noch nicht genug vom andalusischen Hinterland hat, das im Gegensatz zur „Costa del Sol“und den Hotspots Sevilla, Granada und der Stadt Córdoba fast menschenleer wirkt, sollte die Städtchen Ubeda und Baez besuchen. Sie sind beide Teil führt den Radverleih in Martos, wo es einige der ältesten Olivenbäume an der Via Verde del Aceite zu sehen gibt. Schon ehe Kolumbus zu seinen Reisen aufbrach, waren diese Bäume bereits groß. Zu seinen Highlights auf der Via Verde del Aceite zählen die romantischen Viadukte, aber Bermudez weiß auch, wo sich Abstecher lohnen. Kleine Stichwege führen weg von der Hauptroute zu besonderen Attraktionen wie der Kreuzritterburg von Alcaudete. Beim Aufstieg zum Burgberg per Fahrrad wird es dann zwar doch mal sportlich, doch der Ausblick belohnt die Anstrengung.
Im Dorf Zuheros dagegen lohnt es sich, das Rad stehenzulassen und zu Fuß zu einer Wanderung durch die Sierra Subbética aufzubrechen, einer von 16 spanischen Geoparks. Von Zuheros aus sind die romantischen kleinen Wasserfälle „Las Chorreras“in rund zwei Stunden zu erreichen. Die Route führt durch karstige Landschaft, durch enge Täler, mal vorbei an blökenden Schafen, deren Lämmer jetzt im Frühling über die Wiesen tollen, mal ziehen zig Geier unheilvoll ihre Kreise am Horizont. Der gut ausgeschilderte Weg beginnt am Wanderparkplatz direkt an der Zufahrt zu dem Dorf, auf das man vom Weg aus einen umwerfenden Ausblick genießt. Wenn das weiß getünchte Dörfchen auf dem Rückweg plötzlich zwischen den Felsen hervorblitzt, ist man versucht, dem Werbeflyer zu glauben, der Zuheros als „eines von Spaniens schönsten Dörfern“ausweist.
Zurück auf dem Rad ziehen dann wieder die Olivenhaine an einem vorbei. Zählen lassen sich die vielen Bäume während des Vorbeiradelns kaum. Das hat dankenswerterweise schon jemand anderes übernommen. Allein in der Provinz Jaén sollen es 66 Millionen sein. Eine unvorstellbar große Summe, die auch zeigt: In Andalusien ist „Aceite de Oliva“Massenware. Über verschlungene Handelswege kommt es in Deutschland auch mal als italienisches „Olio di Oliva“auf den Markt – denn vielen Deutschen ist Italien schlicht näher, da greift man lieber nach der Flasche mit der grün-weiß-roten Flagge.
Aber auch in Andalusien ändert sich die Einstellung zum wichtigsten Erzeugnis der Region. Klasse statt Masse heißt das Credo, das unter anderem der Inhaber der Ölmühle Oro Bailén ausgerufen hat, die sich rund 40 Autominuten von Jaén entfernt befindet. 2005 hat José GálvezGonzález
angefangen, sich mit dem Lebenselixier der Andalusier zu beschäftigen. An der Uni habe er gelernt, wie man mit neuesten technischen Entwicklungen hochqualitatives Öl aus der Olive pressen kann und festgestellt: In seiner Heimat setzte das kaum einer um. So berichtet es Andalusierin Irene Rubio, die inzwischen mit ihrem deutschen Mann in Bayern lebt und dort das Öl vertreibt. Zur Semana Santa, die heilige Woche vor Ostern und religiöses Hochfest für die katholischen Andalusier, ist sie zu Besuch in der alten Heimat und erklärt deutschen Besuchern, worauf es bei hochwertigem Olivenöl ankommt. des Unesco-Weltkulturerbes, locken mit bestens erhaltenem Renaissance-Charme und sind unter deutschen Touristen noch echte Geheimtipps.
Kulinarik Tomás Rueda bietet in seinem Restaurant Almocaden in Alcaudete traditionell Andalusisches mit einem modernen Twist und stets einem Schuss Olivenöl. Das findet auch im Guide Michelin lobend Erwähnung. Beste Reisezeit Zum Radfahren in Andalusien eignen sich die Monate März bis Mai sowie September bis November mit Temperaturen von um die 20 Grad Celsius.
Vias Verdes Weitere Infos über das spanienweite Radewege-Projekt auf ausgedienten Bahntrassen unter viasverdes.com. (fwo)
Das Problem mit der traditionellen Pressung: Sie gehe nicht gerade schonend mit den sensiblen Früchten um und setze die Produkte der Luft und damit Oxidation aus, was die wertvollen Inhaltsstoffe des Öls zerstört. Heute werden die Oliven nicht mehr zwischen Steinrollen zermahlen, sondern in einem Gerät, das Irene Rubio „Mixer“nennt, klein geschnitten. Würde man diese Masse erwärmen, wäre es zwar leichter, das Öl zu lösen, erklärt sie. Doch auch dabei würde die Qualität leiden. Die Extraktion des Öls in einer Zentrifuge erfolgt bei Oro Bailén also bei maximal 15 Grad – bis 27 Grad dürften Hersteller dabei noch das Label „kalt gepresst“auf ihr Etikett drucken. Das fertige Öl wird filtriert und in großen Tanks gelagert. Dunkel und kühl natürlich, Argon schützt das Öl weiterhin vor Sauerstoff. Abgefüllt wird das „Aceite“erst auf Bestellung.
Bei einem Rundgang durch den Olivenhain von Oro Bailén erfährt man von Irene Rubio zudem, wie viel Arbeit allein im Anbau steckt. Der jährlich anfallende Baumschnitt landet als Mulch auf dem Boden und soll vor Austrocknung schützen. Sensoren überwachen die Bäume, sodass nur so viel gedüngt, gespritzt und gegossen wird, wie nötig. Man sei zwar nicht biozertifiziert, achte aber auf Nachhaltigkeit. „Wir wollen auch in Zukunft Öl verkaufen, deshalb passen wir gut auf unsere Bäume auf“, sagt Rubio. Denn einfacher wird die Situation für die Olivenbauern nicht. Der Klimawandel setzt Südspanien zu. Andalusien hatte im vergangenen Jahr mit Ernteausfällen von bis zu 70 Prozent zu kämpfen. Der Preis für Olivenöl schnellte in die Höhe, teilweise hatte er sich vervierfacht.
Für dieses Jahr blicken die Bauern noch optimistisch auf die kommende Erntezeit. Jetzt im Frühjahr wirkt sogar die andalusische Landschaft recht frisch und saftig. Kräftig blühende gelbe Blumen säumen etwa den Wegesrand, dazwischen blitzt immer wieder wilder Spargel hervor, den vorwiegend ältere Einheimische bündelweise am Radweg ernten und nach Hause tragen. Für einen Plausch mit vorbeirollenden Radfahrern haben sie dabei wenig Zeit. Fundstellen von wildem Spargel scheinen an der Via Verde del Aceite mindestens so eifersüchtig bewacht zu werden, wie Pilzfundstellen in deutschen Wäldern. Also kein wilder Spargel für die Touristen. Die müssen sich dann wohl am Blick in das weite Meer aus Olivenbäumen sattsehen.
Jede Olivensorte ergibt ein eigenes charakteristisches Öl.