Neu-Ulmer Zeitung

Wer hat Marihuana und Ecstasy im Schuhkarto­n versteckt?

In der Gemeinscha­ftsküche einer Unterkunft in Neu-Ulm entdeckt der Sicherheit­sdienst Drogen.

- Von Michael Ruddigkeit

Neu-Ulm Die Drogen waren in mehrere Tütchen verpackt und lagen in einem Schuhkarto­n. 287 Gramm Marihuana und 70 Gramm Ecstasy-Tabletten stellte die Polizei im September 2022 in einer Asylbewerb­erunterkun­ft in Neu-Ulm sicher, nachdem sie vom Sicherheit­sdienst der Einrichtun­g alarmiert worden war. Die Drogen hatte jemand in der Gemeinscha­ftsküche unter der Spüle deponiert. Einer der Bewohner geriet in Verdacht und musste sich nun vor dem Amtsgerich­t Neu-Ulm verantwort­en. Doch am Ende wurde der Mann freigespro­chen.

Der 29-jährige Angeklagte machte vor Gericht keine Angaben, sodass das Schöffenge­richt unter Vorsitz von Thomas Kirschner versuchte, mithilfe von Zeugenauss­agen Licht ins Dunkel zu bringen. Ein Polizist berichtete, dass die Kripo bei der

Spurensich­erung einen Fingerabdr­uck des Angeklagte­n am Schuhkarto­n gefunden habe. An der Plastiktüt­e, in dem der Karton steckte, seien außerdem die Fingerabdr­ücke eines anderen Mannes festgestel­lt worden. Der Verdacht gegen diesen habe sich jedoch nicht erhärtet, das Verfahren sei eingestell­t worden.

Nicht so beim Angeklagte­n. Bei einer Durchsuchu­ng seines Zimmers fand die Polizei zwar keine Drogen, aber eine Feinwaage, an der sich Spuren von Cannabis, Kokain und Ecstasy nachweisen ließen. Zudem eine Rolle Frischhalt­efolie, die häufig zum Einwickeln von Rauschgift benutzt wird. Allerdings fand die Durchsuchu­ng erst Monate nach dem Drogenfund in der Unterkunft statt. Ins Visier der Ermittler war der 29-Jährige unter anderem deswegen geraten, weil seine Schuhgröße zu dem Karton passte und weil es sich bei den Ecstasy-Tabletten um die Sorte „Blue Punisher“handelte – solche hatte der Mann schon einmal bei einer Polizeikon­trolle bei sich gehabt.

Vor allem aber ist der Angeklagte einschlägi­g vorbestraf­t. 2018 wurde er am Amtsgerich­t Ulm wegen Drogenhand­els zu einer Haftstrafe verurteilt. Er war damals zwei verdeckten Ermittleri­nnen auf den Leim gegangen und hatte ihnen mehrfach Marihuana verkauft, meist in einem Fastfood-Restaurant am Hauptbahnh­of.

Aus Sicht der Polizei und der Staatsanwa­ltschaft passte das alles zusammen, sodass der Mann wegen Handeltrei­bens mit Betäubungs­mitteln in nicht geringer Menge angeklagt wurde. Doch bei der Beweisaufn­ahme vor Gericht kamen nach und nach erhebliche Zweifel auf.

So fanden sich an den Drogentütc­hen selbst keinerlei Spuren des Angeklagte­n. Auch wurden bei der Durchsuchu­ng seines Zimmers keine Beweise dafür gefunden, dass er tatsächlic­h mit Rauschgift dealt. Auf Nachfrage des Richters, wer denn Zugang zu der Küche habe, räumte ein Zeuge zudem ein: „Da kann jeder rein, der ins Asylbewerb­erheim kommt.“

Damals waren dort etwa 50 Bewohner untergebra­cht. Überprüft wurde jedoch nur ein Teil von ihnen.

In der Unterkunft wurden in der Vergangenh­eit schon mehrfach Drogen gefunden. „Früher mehr. Seit es den Sicherheit­sdienst gibt, nicht mehr so“, wie ein Zeuge sagte. Vor fünf Jahren hatte dort eine GroßRazzia der Polizei in der Neu-Ulmer Innenstadt für Aufsehen gesorgt.

Nicht nur nach Auffassung des Gerichts war die Beweislage gegen den Angeklagte­n „durchaus dünn“. Staatsanwa­lt und Verteidige­r beantragte­n Freispruch. Dem folgte das Schöffenge­richt in seinem Urteil. Es bestehe zwar die Möglichkei­t, dass der 29-Jährige für die entdeckten Drogen verantwort­lich sei, sagte Thomas Kirschner in seiner Begründung. Aber: „Wir brauchen Gewissheit.“Unterm Strich sei es so, dass die Beweislage „für eine Verurteilu­ng aus unserer Sicht bei Weitem nicht ausreicht.“Dem Angeklagte­n riet der Richter dennoch eindringli­ch, künftig die Finger von Drogen zu lassen.

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Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Marihuana und Ecstasy wurden in der Küche einer Gemeinscha­ftsunterku­nft in Neu-Ulm gefunden.

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