Wer hat Marihuana und Ecstasy im Schuhkarton versteckt?
In der Gemeinschaftsküche einer Unterkunft in Neu-Ulm entdeckt der Sicherheitsdienst Drogen.
Neu-Ulm Die Drogen waren in mehrere Tütchen verpackt und lagen in einem Schuhkarton. 287 Gramm Marihuana und 70 Gramm Ecstasy-Tabletten stellte die Polizei im September 2022 in einer Asylbewerberunterkunft in Neu-Ulm sicher, nachdem sie vom Sicherheitsdienst der Einrichtung alarmiert worden war. Die Drogen hatte jemand in der Gemeinschaftsküche unter der Spüle deponiert. Einer der Bewohner geriet in Verdacht und musste sich nun vor dem Amtsgericht Neu-Ulm verantworten. Doch am Ende wurde der Mann freigesprochen.
Der 29-jährige Angeklagte machte vor Gericht keine Angaben, sodass das Schöffengericht unter Vorsitz von Thomas Kirschner versuchte, mithilfe von Zeugenaussagen Licht ins Dunkel zu bringen. Ein Polizist berichtete, dass die Kripo bei der
Spurensicherung einen Fingerabdruck des Angeklagten am Schuhkarton gefunden habe. An der Plastiktüte, in dem der Karton steckte, seien außerdem die Fingerabdrücke eines anderen Mannes festgestellt worden. Der Verdacht gegen diesen habe sich jedoch nicht erhärtet, das Verfahren sei eingestellt worden.
Nicht so beim Angeklagten. Bei einer Durchsuchung seines Zimmers fand die Polizei zwar keine Drogen, aber eine Feinwaage, an der sich Spuren von Cannabis, Kokain und Ecstasy nachweisen ließen. Zudem eine Rolle Frischhaltefolie, die häufig zum Einwickeln von Rauschgift benutzt wird. Allerdings fand die Durchsuchung erst Monate nach dem Drogenfund in der Unterkunft statt. Ins Visier der Ermittler war der 29-Jährige unter anderem deswegen geraten, weil seine Schuhgröße zu dem Karton passte und weil es sich bei den Ecstasy-Tabletten um die Sorte „Blue Punisher“handelte – solche hatte der Mann schon einmal bei einer Polizeikontrolle bei sich gehabt.
Vor allem aber ist der Angeklagte einschlägig vorbestraft. 2018 wurde er am Amtsgericht Ulm wegen Drogenhandels zu einer Haftstrafe verurteilt. Er war damals zwei verdeckten Ermittlerinnen auf den Leim gegangen und hatte ihnen mehrfach Marihuana verkauft, meist in einem Fastfood-Restaurant am Hauptbahnhof.
Aus Sicht der Polizei und der Staatsanwaltschaft passte das alles zusammen, sodass der Mann wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angeklagt wurde. Doch bei der Beweisaufnahme vor Gericht kamen nach und nach erhebliche Zweifel auf.
So fanden sich an den Drogentütchen selbst keinerlei Spuren des Angeklagten. Auch wurden bei der Durchsuchung seines Zimmers keine Beweise dafür gefunden, dass er tatsächlich mit Rauschgift dealt. Auf Nachfrage des Richters, wer denn Zugang zu der Küche habe, räumte ein Zeuge zudem ein: „Da kann jeder rein, der ins Asylbewerberheim kommt.“
Damals waren dort etwa 50 Bewohner untergebracht. Überprüft wurde jedoch nur ein Teil von ihnen.
In der Unterkunft wurden in der Vergangenheit schon mehrfach Drogen gefunden. „Früher mehr. Seit es den Sicherheitsdienst gibt, nicht mehr so“, wie ein Zeuge sagte. Vor fünf Jahren hatte dort eine GroßRazzia der Polizei in der Neu-Ulmer Innenstadt für Aufsehen gesorgt.
Nicht nur nach Auffassung des Gerichts war die Beweislage gegen den Angeklagten „durchaus dünn“. Staatsanwalt und Verteidiger beantragten Freispruch. Dem folgte das Schöffengericht in seinem Urteil. Es bestehe zwar die Möglichkeit, dass der 29-Jährige für die entdeckten Drogen verantwortlich sei, sagte Thomas Kirschner in seiner Begründung. Aber: „Wir brauchen Gewissheit.“Unterm Strich sei es so, dass die Beweislage „für eine Verurteilung aus unserer Sicht bei Weitem nicht ausreicht.“Dem Angeklagten riet der Richter dennoch eindringlich, künftig die Finger von Drogen zu lassen.