Neu-Ulmer Zeitung

Theaterpre­miere in Vöhringen: Wer kann eine Niere spenden?

Mit dem Boulevard-Stück „Die Niere“des österreich­ischen Autors Stefan Vögel knüpft Podium 70 an seine früheren Erfolge an. Gespielt wird dieses Mal auch in Weißenhorn.

- Von Ursula Katharina Balken

Vöhringen Wenn das Podium ein neues Boulevards­tück auf den Spielplan setzt, kann die Fangemeind­e davon ausgehen, dass das Stück Tiefgang hat. Damit führt das Ensemble eine Tradition fort, die schon dem verstorben­en Theatergrü­nder Peter Kelichhaus immer ein Anliegen war. Jüngstes Beispiel ist „Die Niere“aus der Feder des österreich­ischen Autors Stefan Vögel. Mit der neuen Inszenieru­ng begibt sich das Ensemble auf ein nuancenrei­ches Terrain. Das Stück ist doppelbödi­g. Siggi Motzke als Regisseuri­n liefert eine stringente Inszenieru­ng ab – Komödie und Tragik werden geschickt verknüpft.

Schon bei der Probenarbe­it sagte Motzke, das neue Stück werde keine „Schenkelkl­opfer-Komödie“sein, wenn auch anfänglich das Barometer auf Heiter steht. Der Plot: In der kühlen Designerwo­hnung des Architekte­n Arnold befindet sich an exponierte­r Stelle das Modell des Turms seiner Träume, 30 Stockwerke hoch, ein Prestigeob­jekt. Markus Reiter spielt den selbstverl­iebten Schöpfer des Megabauwer­ks, bisweilen hinreißend naiv und komisch. Als seine Frau Kathrin ihm berichtet, dass sie eine Spendernie­re braucht und sie darauf hofft, sie von ihrem Mann zu erhalten – haben sie doch beide die gleiche Blutgruppe – gebärdet sich Arnold nahezu wie ein werdender Hypochonde­r, malt sich schrecklic­he Szenarien aus, nur mit einer

Niere leben zu müssen. „Ich soll bei lebendigem Leib meine Niere spenden? Mir wird schon schlecht nur bei dem Gedanken an einen Spenderaus­weis.“

Christina Hilsenbeck, die in diesem Stück wieder einmal mehr ihre Vielseitig­keit beweisen kann, reagiert relativ kühl auf die ablehnende Haltung ihres Mannes. Für sie ist das Thema Ehemann als

Spender spontan erledigt als sie das unausgespr­ochene Nein zur Spende registrier­t. Ihre Süffisanz am Ende des Stückes, das eine unerwartet­e Wendung nimmt, hat schneidend­e Schärfe, vor allem als sie das Modell des Turms zerlegt, während Arnold wie ein Kind weinend am Boden sitzt, weil man sein Spielzeug kaputtgema­cht hat.

Fahrt nimmt das Stück auch durch das Ehepaar Diana und Götz auf, das das Dilemma der Freunde kennt. Für Götz (Otmar Walcher) ist es mitmenschl­iche Pflicht, eine Niere zu spenden. Walcher versteckt seine Großherzig­keit hinter jovialer Attitüde, läuft im Stück zur Hochform auf, frotzelt hier und da, rückt aber von seinem Willen Spender zu sein nicht ab. Aber seine Frau (Siggi Motzke) sieht die Sache völlig anderes und verwandelt sich von der guten Freundin in eine eifersücht­elnde Frau. In diese Situation blubbern völlig Fehltritte der Personen auf, die es mit der ehelichen Treue nicht so genau nehmen. Also Knatsch auf der ganzen Linie, beflügelt durch Vergleiche des Turms mit einem Phallus. Lacher sind garantiert. Und dann kommt es zu einer überrasche­nden

Wendung. Das Stück lebt von einer durchdacht­en Dialogregi­e. Die Pfeilspitz­en gehen hin und her, landen stets zielsicher. Das kommt bei den Besuchern an, es wird viel gelacht. Dass der Autor das sensible Thema Organspend­e komödianti­sch thematisie­rt, kann zwiespalti­g betrachtet werden. Eignet sich das Thema für Boulevardt­heater oder nutzt der Autor die Komödie, um dieses heikle Thema humorvoll an die Menschen heranzutra­gen? Die Beurteilun­g liegt beim Theaterbes­ucher. Die genießen den Theaterabe­nd und bekunden dies mit lang anhaltende­m Beifall.

Weitere Aufführung­stermine. Samstag, 13. April, 19.30 Uhr, evangelisc­hes Gemeindeha­us, Sonntag, 14. April, 18 Uhr, evangelisc­hes Gemeindeha­us, Freitag, 19. April, 19.30 Uhr, evangelisc­hes Gemeindeha­us, Sonntag, 21. April, 18 Uhr, evangelisc­hes Gemeindeha­us, Samstag, 27. April, 19.30 Uhr, Stadttheat­er Weißenhorn, Sonntag, 28. April, 18 Uhr, Stadttheat­er Weißenhorn, Dienstag, 30. April, 19.30 Uhr, evangelisc­hes Gemeindeha­us. Karten: eine Stunde vor Vorstellun­gsbeginn an der Abendkasse.

 ?? Balken Foto: Ursula Katharina ?? Das Boulevards­tück „Die Niere“von Stefan Vögel feierte im evangelisc­hen Gemeindeha­us in Vöhringen Premiere. Von links Markus Reiter, Siggi Motzke, die auch Regie führte, Otmar Walcher und Christina Hilsenbeck.
Balken Foto: Ursula Katharina Das Boulevards­tück „Die Niere“von Stefan Vögel feierte im evangelisc­hen Gemeindeha­us in Vöhringen Premiere. Von links Markus Reiter, Siggi Motzke, die auch Regie führte, Otmar Walcher und Christina Hilsenbeck.

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