Kampf um Gerechtigkeit kann lustig sein
Die Reihe „Kultur rund ums Schloss“in Babenhausen startet mit einem Gastspiel des Landestheaters. Wie „Bezahlt wird nicht“ankommt.
Babenhausen Ist es in einer Welt voller Gauner erlaubt, selbst zu gaunern? Um diese Frage dreht sich die Komödie „Bezahlt wird nicht“, die das Landestheater Schwaben (LTS) am Samstagabend in Babenhausen auf die Bühne brachte. Das Gastspiel im Theater am Espach war der Beginn der Veranstaltungsreihe „Kultur rund ums Schloss“2024 – und es war ein Auftakt nach Maß, mitunter wegen der Momente, die nicht geplant waren.
Dario Fo (1926 bis 2016), italienischer Satiriker, Autor und Literaturnobelpreisträger, hinterließ mit „Bezahlt wird nicht“eine Komödie, über die sich herrlich lachen, aber auch sinnieren lässt. Als die Inflation die Lebensmittelpreise in die Höhe treibt, wagen italienische Frauen in einem Supermarkt den Aufstand. Sie stecken „wie Wahnsinnige“Nudeln, Reis, Dosentomaten ein, ohne dafür zu bezahlen – und das Gemeinschaftsgefühl stimmt sie geradezu euphorisch.
Unter ihnen: Antonia, Gattin des gesetzestreuen, gutgläubigen Arbeiters Giovanni. Sie weiß: Er würde sie umbringen, bekäme er Wind davon, dass sich gestohlene Lebensmittel in seiner Wohnung befinden. Ausgerechnet an diesem Tag kommt Giovanni wegen eines Streiks in der Firma früher nach Hause. Im Eifer des Gefechts beschließen Antonia und ihre Freundin Margherita, einen Teil der Packungen unter Margheritas Jacke zu verstecken. „Ein Babybauch!“, denkt Giovanni – und ein höchst amüsantes, rasantes Versteckspiel beginnt. Samt Kanarienvogel-Hirse-Suppe, Carabiniere-Besuch, geplatzter Fruchtblase und Lobpreis für „die heilige Eulalia“.
Die Komödie kommt mit einem kleinen Ensemble aus – mit zwei Schauspielerinnen und drei Schauspielern, wobei André Stuchlik gleich in vier Rollen schlüpft und schnelle Kostüm- und Ortswechsel meistert. Am meisten überzeugt jedoch Thorsten Hamer als Giovanni auf der Bühne, die Rolle scheint wie für ihn geschrieben. Seine Mimik und Gestik bringen das Babenhauser Publikum vor allem im ersten Teil im Minutentakt zum Lachen. Am meisten aber zieht er die Zuhörerinnen und Zuhörer im Espach-Theater mit seiner Spontanität auf seine Seite – denn es kommt bei der Aufführung auch zu Momenten, die so nicht im Drehbuch stehen.
Zum Beispiel, als er mit einem Besenstiel an die Bühnendecke klopft und plötzlich jede Menge Staub auf ihn nieder rieselt. Er reagiert: „Ich hab Babenhausen auseinandergenommen. Das hat mir keiner gesagt!“– und bekommt Spontanapplaus. Nicht nur ihn, sondern auch die anderen Darsteller macht es sympathisch, wie sie bei kleinen Texthängern improvisieren oder selbst über das Gesagte schmunzeln müssen und kurz aus der Rolle fallen. Hervorzuheben auch die starke schauspielerische Leistung von Mirjam Smejkal als selbstbewusste, provokante Antonia, die um keine Ausrede verlegen ist. Doch so kurzweilig das Stück im ersten Teil auch ist: Nach der Pause gibt es Längen. Das ist schade, denn die Aufmerksamkeit des Publikums müsste eigentlich gerade am Ende noch voll da sein. Dann nämlich werden nachdenkliche
Töne angeschlagen. Ein großes Bild wird auf die Bühne geschoben: „Der vierte Stand“, ein Gemälde des Künstlers Giuseppe Pellizza da Volpedo. Die Schauspielerinnen und Schauspieler arbeiten den ernsten Hintergrund heraus, der hinter all dem Klamauk steckt. Die Schattenseiten des Kapitalismus, soziale Schieflage, die Motive (Un)Abhängigkeit, (Un)freiheit, (Un)Gerechtigkeit. Nicht umsonst beschreiben die Organisatoren der Babenhauser Kulturtage das Stück in ihrer Ankündigung als „eine Polit-Farce, die zum Lachen einlädt, wenn einem eigentlich zum Weinen zumute ist“.
Und, das ist bemerkenswert:
Obwohl es im Jahr 1974 entstanden ist, wirkt es aktuell. Regisseur Tobias Sosinka, der die Komödie inszeniert hat, habe unzählige Parallelen zur gegenwärtigen sozialen Situation der Mittelschicht in Deutschland gefunden, schreibt das LTS im Begleittext. Und so mischen sich auch Hinweise auf die Flüchtlingskrise, auf die „Letzte Generation“und Ausschreitungen beim G20-Gipfel in den Text der Darsteller. Ist es in einer Welt voller Gauner nun erlaubt, selbst zu gaunern? Welche Antwort die Zuschauer auf diese Frage geben werden, jetzt, da der Applaus in Babenhausen verebbt und der Vorhang geschlossen ist ...