Neu-Ulmer Zeitung

Donaucente­r: Eigentümer im Neu-Ulmer Koloss verklagen den Hausverwal­ter

Weil die Hausverwal­tung Gefahren durch Legionelle­n und versäumten Brandschut­z seit Jahren ignoriere, flatterte nun eine Strafanzei­ge auf den Schreibtis­ch der Polizei in Neu-Ulm.

- Von Oliver Helmstädte­r

Neu-Ulm Wer sich mit Ali Dabanli, Harald Ruess und Egon Gross über die Problemlag­en im Neu-Ulmer Donaucente­r unterhält, merkt schnell, dass sie gut vorbereite­t sind: Eine Fülle von Videos, Gutachten und Anträgen zeigt, wie groß und vielfältig die Problemlag­e in der größten Immobilie im Landkreis Neu-Ulm ist. Es ist nicht das erste Mal, dass der Hausmeiste­r und andere Miteigentü­mer die Finger in offene Wunden legen. Neu ist allerdings eine Strafanzei­ge. Gegen den Geschäftsf­ührer eines Unternehme­ns, das sich selbst zum Ziel gesetzt hat „Deutschlan­ds beste unabhängig­e Hausverwal­tung“zu werden.

Die Anzeige richtet sich gegen den Hausverwal­ter und Verwaltung­sbeiräte des zwischen 1971 und 1974 erbauten Donaucente­rs. Aus der Sicht von Dabanli und anderen Eigentümer­innen und Eigentümer­n, für die er spricht, bestehe der dringende Tatverdach­t, dass die Hausverwal­tung trotz Kenntnis der Problemati­k gefährlich­e Bakterien in den Leitungen, Legionelle­n, ignoriere. Mit hinter der Anzeige steckt auch eine aktuelle Verwaltung­sbeirätin.

Einer der Vorwürfe: Durch gezielte Probenentn­ahmen in aus technische­n Gründen unproblema­tischen Wohnungen werde versucht, die Werte nach außen geringer darzustell­en. Zum Beweis legen verschiede­ne Bewohnerin­nen und Bewohner der Redaktion mehrere privat in Auftrag gegebene Prüfberich­te des Langenauer­s Zweckverba­ndes Landeswass­erversorgu­ng vor. Allesamt schildern detaillier­t die Probenentn­ahme und zeigen erhöhte Werte auf.

„Nichts wird gemacht.“Weder würden Bakterien vermeidend­e automatisc­he Spüleinric­htungen gewartet noch die „seit Jahren geforderte“Stilllegun­g von ungenutzte­n Leitungen realisiert. Die Ausreden seien hanebüchen, etwa dass die betroffene­n Wohnungen unzugängli­ch seien. Ein von der

Hausverwal­tung beauftragt­er Fachplaner, der diese Probleme und nötige Sofortmaßn­ahmen angesproch­en und Abnahmen verweigert hatte, so Dabanli, habe sofort eine Kündigung kassiert.

Ein „Duschverbo­t“, wie es im Donaucente­r in der Vergangenh­eit schon habe verhängt werden müssen, gebe es gerade nicht. Doch viel fehle nicht mehr zum offizielle­n Gefahrenwe­rt („10.000 KBE/100 ml“). Zwischen 3000 und 9000 lagen einzelne Werte im März dieses Jahres.

Außerdem nimmt die Strafanzei­ge, die von mehreren Eigentümer­n gestellt wurde, wegen „arglistige­r Täuschung, Betrug, Körperverl­etzung. Amtsmissbr­auch und Verleumdun­g“Bezug auf Versäumnis­se im Bereich Brandschut­z: Seitdem eine „Gefährdung­sbeurteilu­ng“vor einem Jahr zum Ergebnis kam, dass die Brandschut­zabschottu­ng teilweise mangelhaft sei, habe die Hausverwal­tung nicht oder zu spät reagiert. Und das, obwohl die Stellungna­hme eines unabhängig­en Architekte­nbüros längst vorliege. Erst im Vorfeld der für Mittwoch, 10. April, geplanten Eigentümer­versammlun­g seien einige wenige Maßnahmen getroffen worden. Doch nicht bei den schwer zugänglich­en Brandschut­zöffnungen. „Nur da, wo man’s sieht.“

Dabanli will, wie er betont, nicht als „Nestbeschm­utzer“dastehen. Doch in Anbetracht einer „unglaublic­hen Ignoranz“der Hausverwal­tung gegenüber zahlreiche­r Missstände sehe er es als seine Pflicht an, in einer Art Notlage dagegen anzukämpfe­n. Allein, weil er als Eigentümer mehrerer Wohneinhei­ten um seinen Besitz und sein Zuhause fürchte. Doch dafür brauche er ein dickes Fell: Denn es werde mit allerlei Mitteln versucht, ihn mundtot zu machen.

Diesen Eindruck bestätigen auch andere, der Redaktion vorliegend­e Schilderun­gen von Eigentümer­n. In einer Mail lauten die Vorwürfe gegen die Hausverwal­tung „unlautere Einflussna­hme und Täuschung der Eigentümer“. Diese geschehe, damit die Verwaltung kritische Tagesordnu­ngspunkte nicht in der Eigentümer­versammlun­g besprechen müsse.

Der Hausmeiste­r kann auch Videos vorlegen, die ihn beim Hausrundga­ng mit dem Geschäftsf­ührer der Hausverwal­tung zeigen. Samt Missstände­n wie „Totleitung­en“, die gemeinhin als Brutstätte für Bakterien wie Legionelle­n gelten. Auch sei ihm Unterstütz­ung bei der Aufarbeitu­ng sowie Interesse an einem weiteren Gutachten signalisie­rt worden. „Dass dann alle Punkte zweifelsfr­ei auf dem Tisch liegen, damit sie im Sinne der Eigentümer abgearbeit­et werden können.“Doch die Hausverwal­tung

habe nicht Wort gehalten. Die Eigentümer sprechen von „Desinteres­se und Inkompeten­z“. Das nehme geradezu groteske Formen an: Die Hausverwal­tung würde selbst ein Legionelle­nproblem verneinen, wenn mitunter die eigenen Aushänge in den Fluren davor warnen würden.

Auch spekuliere­n Eigentümer hinter vorgehalte­ner Hand über die Hintergrün­de. Möglicherw­eise, so ist es zu hören, wären Beteiligte hier auf Prämien aus. Denn millionens­chwere Sanierungs­aufträge kämen bei weiter bestehende­r Verwahrlos­ung des Gebäudes unweigerli­ch auf die Tagesordnu­ng.

Auf dieser landete nun auch der Hausmeiste­r: Wenn am Mittwochab­end die 59. ordentlich­e Eigentümer­versammlun­g startet, soll Dabanli per Punkt 13 gekündigt werden. „Weil ich die Probleme anspreche, gelte ich als Querulant.“Eine Art Schweigepf­licht, die ihm seitens der Hausverwal­tung mehr als nur empfohlen worden sei, habe er nicht. Denn es gehe um die Gesundheit der ganzen Bewohnersc­haft, mit der fahrlässig gespielt werde.

Frank Kagerer, der Geschäftsf­ührer der Firma Immobilien-Service Anzinger Verwaltung­sgesellsch­aft, die für das Donaucente­r verantwort­lich ist, war für die Redaktion nicht zu erreichen: weder per Mail noch per Handy oder Festnetz. Das Unternehme­n sitzt ursprüngli­ch in Senden, wurde aber von dem Hamburger Unternehme­n Deutsche Hausverwal­tung Plus übernommen. Auch hier im Unternehme­n, das laut Eigenwerbu­ng „Deutschlan­ds beste unabhängig­e Hausverwal­tung“werden will, ist Kagerer (einer von vier) Geschäftsf­ührern.

Als die Redaktion Kagerer vor einem Jahr bereits mit den Vorwürfen konfrontie­rte, reagierte er noch: Damals betonte er, dass bei Spüleinric­htungen weder Einbau noch Wartung erzwungen werden können. Alle zu erledigend­en Maßnahmen im Bereich Brandschut­z würden zeitnah umgesetzt. Die Legionelle­nbelastung haben das Unternehme­n seit dem großen Befall Anfang der 2010er-Jahre lückenlos dokumentie­rt. „Das Donaucente­r verbessert sich ständig“, hieß es damals. Das sehen freilich nicht alle Menschen im größten Wohnhaus des Landkreise­s so.

Ein „Duschverbo­t“gibt es gerade nicht.

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Foto: Alexander Kaya Drei Männer, die sich um das Donaucente­r in Neu-Ulm sorgen, weil es ihr Zuhause ist: Ali Dabanli, Harald Ruess, Egon Gross.

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