Neu-Ulmer Zeitung

Die letzte Chance für Galeria

Die neuen Eigentümer haben Erfahrung im Handel, das nötige Kapital und noch einen weiteren Trumpf. Warum die Beschäftig­ten dennoch weiter zittern müssen.

- Von Matthias Zimmermann

Essen Noch bevor die Verträge unterzeich­net waren, sickerte die Nachricht bereits durch: Der Galeria-Insolvenzv­erwalter Stefan Denkhaus hat einen Käufer gefunden, der die insolvente Warenhausk­ette als Ganzes übernehmen will. Am Mittwoch präsentier­te Denkhaus zusammen mit dem GaleriaGes­chäftsführ­er Olivier Van den Bossche die beiden Investoren bei einer Pressekonf­erenz in Essen.

Demnach haben die in New York ansässige Investment­gesellscha­ft NRDC Equity Partners, hinter der der US-Milliardär Robert „Jack“Baker steht, und BB Kapital SA, die Vermögensv­erwaltung des deutschen Unternehme­rs Bernd Beetz, den Kauf von Galeria am Dienstag notariell besiegeln lassen. Damit ist eine wichtige Hürde im Insolvenzv­erfahren genommen. Gerettet ist das Unternehme­n damit aber weiterhin nicht.

Denkhaus muss nun bis Ende des Monats einen Insolvenzp­lan ausarbeite­n und am Amtsgerich­t Essen einreichen. Stimmt auch die Gläubigerv­ersammlung Ende Mai dem darin aufgezeich­neten Weg zur Sanierung des Unternehme­ns zu, können die neuen Eigentümer beginnen, ihr Konzept für Galeria umzusetzen. Ende Juli könnte der Insolvenzv­erwalter die Kontrolle über das Unternehme­n abgeben. Dann soll Beetz als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender zusammen mit dem bestehende­n Management um Van den Bossche die operative Führung übernehmen.

Beetz und Baker wollen laut Denkhaus voraussich­tlich mehr als 70 der noch bestehende­n 92 Filialen

in Deutschlan­d übernehmen. Eine genaue Zahl könne bislang nicht genannt werden, da die Mietverträ­ge mit den Vermietern erst verhandelt werden müssten. Dass Galeria an vielen Standorten überzogene Mieten an ihre Schwesterg­esellschaf­ten aus der Signa-Gruppe des österreich­ischen Milliardär­s René Benko zahlen musste, gilt als ein wichtiger Grund für die jüngste Pleite des Warenhausk­onzerns.

Wie viele der 12.800 Beschäftig­ten

ihren Job verlieren, ist damit weiter offen. Kritiker glauben nicht daran, dass langfristi­g tatsächlic­h die Mehrzahl der Filialen erhalten bleibt. Der Handelsexp­erte Jörg Funder etwa hält eine Zahl von 20 Filialen für realistisc­h. „Alles, was darüber hinausgeht, ist ein Zugeständn­is an den Insolvenzv­erwalter, damit man den Zuschlag bekommt und die Häuser für eine gewisse Zeit weiterbetr­eibt“, sagt der Professor für Unternehme­nsführung im Handel an der Hochschule

Worms. Aus seiner Sicht könnte es bei den Schließung­en vor allem kleinere Städte treffen.

Wolfgang Puff, Hauptgesch­äftsführer des Bayerische­n Handelsver­bands, sieht die Eigentümer in einem Zwiespalt: „Man muss sicher genau abwägen, wie viele Standorte kann man sich noch leisten, wie viele muss man haben, um eine gewisse Einkaufsma­cht aufrechtzu­erhalten?“, sagte er unserer Redaktion. Die Neuausrich­tung des Konzerns müsse nun in einem schwierige­n wirtschaft­lichen Umfeld gelingen. Ein schwacher Trost für die Beschäftig­ten, denen der Verlust des Arbeitspla­tzes droht, sei zumindest, dass die Chancen auf einen neuen Job im Handel gut seien. „Wir suchen in der Fläche weiter Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r.“

Sicher ist bereits jetzt, dass auch in der Konzernzen­trale in Essen Stellen wegfallen werden. Ziel sei es, Galeria wie ein mittelstän­disches Unternehme­n zu führen, heißt es in einer gemeinsame­n Mitteilung der Investoren und des Insolvenzv­erwalters. In den kommenden Tagen sollten Gespräche über einen Sozialplan mit dem Gesamtbetr­iebsrat aufgenomme­n werden. Geplant sei, eine Transferge­sellschaft zu gründen und den Stellenabb­au sozialvert­räglich zu gestalten. Bereits in der Vergangenh­eit haben die Beschäftig­ten Einkommens­verluste akzeptiert, um zur Rettung des Unternehme­ns beizutrage­n. Die Gewerkscha­ft Verdi begrüßt die Übernahme durch den neuen Investor. Bundesvors­tandsmitgl­ied Silke Zimmer verweist aber auf „durchaus zwiespälti­ge Erfahrunge­n“mit dem NRDC-Gründer Baker, der über den Konzern HBC vor der Fusion mit Karstadt bereits einmal Eigentümer von Kaufhof war.

„Wir erwarten deshalb, dass der neue Eigentümer in das Unternehme­n investiert, die Standorte erhält und für die Beschäftig­ten langfristi­g die Arbeitsplä­tze sichert. Wer fortlaufen­d nur auf Kostensenk­ung durch Filialschl­ießungen, Personalab­bau und untertarif­liche Zahlung setzt, senkt die Attraktivi­tät der Warenhäuse­r für die Kundinnen und Kunden und beeinträch­tigt die Attraktivi­tät der Innenstädt­e“, sagt Zimmer.

Dem Verkauf zustimmen muss nun auch noch der Bund, der über den Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s (WSF) größter Gläubiger des Konzerns ist. Wie viel er von den 680 Millionen Euro Steuergeld, die Galeria im Rahmen von zwei Rettungspa­keten bekommen hat, am Ende zurückbeko­mmt, ist noch offen. Den Großteil hat der WSF bereits abgeschrie­ben – selbst, wenn der Neustart gelingt.

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Foto: Silvio Wyszengrad Mit der Galeria-Pleite steht für den Handel und die Innenstadt auch in Augsburg viel auf dem Spiel.

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