Eine Verkäuferin kämpft für ihre Kollegen
Die Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro wäre auch für die Beschäftigten von Kaufland ein Zeichen der Wertschätzung, denkt Betriebsrätin Katrin Kluge. Sie startet eine Petition – und wird von der Resonanz überwältigt.
Ulm Am Ende waren es 25 Ordner – ganze sechs Bananenkisten voll Unterschriften, die Katrin Kluge an die Geschäftsführung von Kaufland übergeben konnte. Dass die 54-jährige Ulmerin Mitstreiterinnen und Mitstreiter finden würde, war für sie klar. Dass die Resonanz am Ende aber so groß ausfällt, hat sie doch überrascht.
Rund 19.000 Unterschriften von Beschäftigten aus Kaufland-Märkten im gesamten Bundesgebiet kamen am Ende zusammen. Diese machen sich in einer Petition dafür stark, dass die Supermarktkette 3000 Euro an Inflationsausgleichsprämie an jeden der Beschäftigten zahlt. Dies, sagt Kluge, wäre ein echtes Zeichen der Anerkennung. Mit ihrer Aktion hat die Mitarbeiterin bei Kaufland in Ulm inzwischen bundesweit Medienaufmerksamkeit gewonnen.
Die Bundesregierung hatte zu Zeiten der besonders starken Inflation beschlossen, dass die Unternehmen eine Inflationsausgleichsprämie an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überweisen können, die von Steuern und Abgaben befreit ist. Die Sonderleistung ist auf maximal 3000 Euro gedeckelt, der Betrag kann aber auch gestaffelt werden.
Kaufland berichtet unserer Redaktion, dass das Unternehmen solch eine Prämie gezahlt hat, wenn auch nicht in der maximalen Höhe: Tarifliche Mitarbeiter – unabhängig, ob vollzeit- oder teilzeitbeschäftigt – hätten zuerst im November 2022 einen Warengutschein in Höhe von 250 Euro erhalten, für geringfügig Beschäftigte waren es 75 Euro. „Zusätzlich haben wir im Dezember 2023 eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 500 Euro für Vollzeitbeschäftigte gezahlt“, so das Unternehmen.
Das Problem: „Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Teilzeitkräfte, sie erhielten nur einen Bruchteil der Prämie“, sagt Katrin Kluge. Und noch eine Zuwendung gab es: „Im Januar 2024 bekamen alle Mitarbeiter einen Brief mit weißen Socken nach Hause geschickt, darauf stand der Kaufland-Slogan ‘Hier bin ich richtig’, dazu Aufkleber und drei kleine Gutscheine“, erinnert sich Kluge. „Das ist für mich kein Zeichen der Wertschätzung.“
Katrin Kluge beschließt, sich für die Interessen der Beschäftigten einzusetzen. Die 54-Jährige arbeitet seit 23 Jahren bei Kaufland im Ulm, davon rund zwanzig Jahre an der Kundeninformation und im Personalbüro, heute unter anderem als Kassenspringerin. Seit zwei Jahren ist sie Betriebsrätin. Ihr Partner gab ihr eines Tages den Tipp, dass in seinem Unternehmen eine Online-Petition zur Zahlung der Inflationsprämie gestartet wurde und erfolgreich war. „Die Idee war geboren“, erinnert sie sich. Kluge setzt eine eigene Petition an die Geschäftsführung auf.
Zuerst wollte sie ihr Vorhaben nur vor Ort umsetzen. Auf einer Betriebsversammlung in Ulm im April 2023 stellt sie die Petition vor. Die Reaktionen sind positiv, die ersten Kolleginnen und Kollegen unterschreiben. Manche zögern aber auch, aus Angst vor Konsequenzen. Dann passiert etwas Unvorhergesehenes: Jemand stellt die Petition auf Facebook. Wer es war, weiß sie nicht. Doch plötzlich kommt aus dem gesamten Bundesgebiet Interesse zurück.
„Ab sofort saß ich stundenlang und wochenlang nach der Arbeit am PC“, sagt Kluge. Nach ihrer Acht-Stunden-Schicht arbeitet sie daheim häufig sechs Stunden an der Petition weiter, versendet Infobriefe, druckt Seiten aus und heftet sie ab. Am Ende beteiligen sich 286 Kaufland-Märkte. Katrin Kluge markiert sie auf einer Landkarte mit roten Punkten.
Adressiert ist die Petition an Kaufland- und Lidl-Inhaber Dieter Schwarz und Spitzenmanager Jochen Kratz. Die Übergabe der Unterschriften erfolgt am 19. März an einen Vertreter der Unternehmensleitung.
Katrin Kluge hofft nun, dass sie etwas bewegen kann: „Es war schon einmal wichtig, dass wir uns vernetzen. Ich stehe aber auch für 18.855 Beschäftigte, die unterschrieben haben, darauf wird Kaufland reagieren müssen“, hofft sie.
Kaufland teilt auf Anfrage unserer Redaktion mit, dass man über die bisherigen Zahlungen hinaus „keine Zusagen zu weiteren Zahlungen im Rahmen der Inflationsausgleichsprämie“geben könne. Das Unternehmen sei aber als Teil der Schwarz Gruppe im März der Empfehlung der Handelsverbände gefolgt und zahlt den tariflichen Mitarbeitern eine weitere freiwillige Erhöhung des Tarifentgelts. „Unter Berücksichtigung der bereits im Oktober 2023 vorgenommenen Anhebung in Höhe von 5,3 Prozent für das Tarifjahr 2023 ergeben sich ab dem Tarifjahr 2024 dann insgesamt zehn Prozent“, so Kaufland.
Ist es nicht mutig, allein solch eine Aktion anzustoßen? „Das sagen viele, aber ich finde mich gar nicht besonders mutig, ich habe nur einen Gerechtigkeitssinn“, sagt Katrin Kluge. „Ich tue ja auch nichts Unrechtes.“
Bei Kaufland will sie bleiben: „Ich arbeite gerne bei Kaufland. Der Slogan ‘Hier bin ich richtig’ gilt auch für mich“, sagt sie. Nur ein Feedback erwarte sie sich. Genauso wie die fast 19.000 Mitunterzeichner sicher auch.