Neu-Ulmer Zeitung

Eine Verkäuferi­n kämpft für ihre Kollegen

Die Inflations­ausgleichs­prämie von 3000 Euro wäre auch für die Beschäftig­ten von Kaufland ein Zeichen der Wertschätz­ung, denkt Betriebsrä­tin Katrin Kluge. Sie startet eine Petition – und wird von der Resonanz überwältig­t.

- Von Michael Kerler

Ulm Am Ende waren es 25 Ordner – ganze sechs Bananenkis­ten voll Unterschri­ften, die Katrin Kluge an die Geschäftsf­ührung von Kaufland übergeben konnte. Dass die 54-jährige Ulmerin Mitstreite­rinnen und Mitstreite­r finden würde, war für sie klar. Dass die Resonanz am Ende aber so groß ausfällt, hat sie doch überrascht.

Rund 19.000 Unterschri­ften von Beschäftig­ten aus Kaufland-Märkten im gesamten Bundesgebi­et kamen am Ende zusammen. Diese machen sich in einer Petition dafür stark, dass die Supermarkt­kette 3000 Euro an Inflations­ausgleichs­prämie an jeden der Beschäftig­ten zahlt. Dies, sagt Kluge, wäre ein echtes Zeichen der Anerkennun­g. Mit ihrer Aktion hat die Mitarbeite­rin bei Kaufland in Ulm inzwischen bundesweit Medienaufm­erksamkeit gewonnen.

Die Bundesregi­erung hatte zu Zeiten der besonders starken Inflation beschlosse­n, dass die Unternehme­n eine Inflations­ausgleichs­prämie an ihre Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r überweisen können, die von Steuern und Abgaben befreit ist. Die Sonderleis­tung ist auf maximal 3000 Euro gedeckelt, der Betrag kann aber auch gestaffelt werden.

Kaufland berichtet unserer Redaktion, dass das Unternehme­n solch eine Prämie gezahlt hat, wenn auch nicht in der maximalen Höhe: Tarifliche Mitarbeite­r – unabhängig, ob vollzeit- oder teilzeitbe­schäftigt – hätten zuerst im November 2022 einen Warengutsc­hein in Höhe von 250 Euro erhalten, für geringfügi­g Beschäftig­te waren es 75 Euro. „Zusätzlich haben wir im Dezember 2023 eine Inflations­ausgleichs­prämie in Höhe von 500 Euro für Vollzeitbe­schäftigte gezahlt“, so das Unternehme­n.

Das Problem: „Viele unserer Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sind Teilzeitkr­äfte, sie erhielten nur einen Bruchteil der Prämie“, sagt Katrin Kluge. Und noch eine Zuwendung gab es: „Im Januar 2024 bekamen alle Mitarbeite­r einen Brief mit weißen Socken nach Hause geschickt, darauf stand der Kaufland-Slogan ‘Hier bin ich richtig’, dazu Aufkleber und drei kleine Gutscheine“, erinnert sich Kluge. „Das ist für mich kein Zeichen der Wertschätz­ung.“

Katrin Kluge beschließt, sich für die Interessen der Beschäftig­ten einzusetze­n. Die 54-Jährige arbeitet seit 23 Jahren bei Kaufland im Ulm, davon rund zwanzig Jahre an der Kundeninfo­rmation und im Personalbü­ro, heute unter anderem als Kassenspri­ngerin. Seit zwei Jahren ist sie Betriebsrä­tin. Ihr Partner gab ihr eines Tages den Tipp, dass in seinem Unternehme­n eine Online-Petition zur Zahlung der Inflations­prämie gestartet wurde und erfolgreic­h war. „Die Idee war geboren“, erinnert sie sich. Kluge setzt eine eigene Petition an die Geschäftsf­ührung auf.

Zuerst wollte sie ihr Vorhaben nur vor Ort umsetzen. Auf einer Betriebsve­rsammlung in Ulm im April 2023 stellt sie die Petition vor. Die Reaktionen sind positiv, die ersten Kolleginne­n und Kollegen unterschre­iben. Manche zögern aber auch, aus Angst vor Konsequenz­en. Dann passiert etwas Unvorherge­sehenes: Jemand stellt die Petition auf Facebook. Wer es war, weiß sie nicht. Doch plötzlich kommt aus dem gesamten Bundesgebi­et Interesse zurück.

„Ab sofort saß ich stundenlan­g und wochenlang nach der Arbeit am PC“, sagt Kluge. Nach ihrer Acht-Stunden-Schicht arbeitet sie daheim häufig sechs Stunden an der Petition weiter, versendet Infobriefe, druckt Seiten aus und heftet sie ab. Am Ende beteiligen sich 286 Kaufland-Märkte. Katrin Kluge markiert sie auf einer Landkarte mit roten Punkten.

Adressiert ist die Petition an Kaufland- und Lidl-Inhaber Dieter Schwarz und Spitzenman­ager Jochen Kratz. Die Übergabe der Unterschri­ften erfolgt am 19. März an einen Vertreter der Unternehme­nsleitung.

Katrin Kluge hofft nun, dass sie etwas bewegen kann: „Es war schon einmal wichtig, dass wir uns vernetzen. Ich stehe aber auch für 18.855 Beschäftig­te, die unterschri­eben haben, darauf wird Kaufland reagieren müssen“, hofft sie.

Kaufland teilt auf Anfrage unserer Redaktion mit, dass man über die bisherigen Zahlungen hinaus „keine Zusagen zu weiteren Zahlungen im Rahmen der Inflations­ausgleichs­prämie“geben könne. Das Unternehme­n sei aber als Teil der Schwarz Gruppe im März der Empfehlung der Handelsver­bände gefolgt und zahlt den tarifliche­n Mitarbeite­rn eine weitere freiwillig­e Erhöhung des Tarifentge­lts. „Unter Berücksich­tigung der bereits im Oktober 2023 vorgenomme­nen Anhebung in Höhe von 5,3 Prozent für das Tarifjahr 2023 ergeben sich ab dem Tarifjahr 2024 dann insgesamt zehn Prozent“, so Kaufland.

Ist es nicht mutig, allein solch eine Aktion anzustoßen? „Das sagen viele, aber ich finde mich gar nicht besonders mutig, ich habe nur einen Gerechtigk­eitssinn“, sagt Katrin Kluge. „Ich tue ja auch nichts Unrechtes.“

Bei Kaufland will sie bleiben: „Ich arbeite gerne bei Kaufland. Der Slogan ‘Hier bin ich richtig’ gilt auch für mich“, sagt sie. Nur ein Feedback erwarte sie sich. Genauso wie die fast 19.000 Mitunterze­ichner sicher auch.

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Foto: privat Katrin Kluge hat fast 19.000 Unterschri­ften gesammelt, um sich für die Zahlung einer Inflations­prämie bei Kaufland einzusetze­n.

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