Neu-Ulmer Zeitung

Als die Hochschule ging, begann eine Erfolgssto­ry

Dillingen feiert am Wochenende seine Universitä­tsgeschich­te, die vor 475 Jahren ihren Anfang nahm. Heute befindet sich dort die Lehrerakad­emie, die Leben in die Stadt bringt.

- Von Berthold Veh

Dillingen Als im Februar 1971 der Lehrbetrie­b an der Philosophi­schTheolog­ischen Hochschule in Dillingen eingestell­t wurde, war das für die Stadt an der Donau ein harter Schlag. Josef Schuh, pensionier­ter Lehrer, Postkarten­sammler und langjährig­er Kreisrat sagt: „Viele Dillinger bedauerten das Ende der Dillinger Hochschulg­eschichte sehr, und bei Kommunalpo­litikern war der Jammer groß.“Mit der Hochschulg­eschichte endete eine weitere Ära: Priester des katholisch­en Bistums Augsburg hatten in Dillingen Theologie und Philosophi­e studiert, sie wohnten dort im Priesterse­minar. Die beiden geisteswis­senschaftl­ichen Fakultäten wanderten nach Augsburg und wurden Teil der neu gegründete­n Universitä­t. Und auch das Priesterse­minar ist heute in der Bezirkshau­ptstadt. Das „Licht der Wissenscha­ft“, das mehr als 400 Jahre von Dillingen ausgegange­n war, sei nun endgültig erloschen, hieß es damals in unserer Zeitung.

An diesem Wochenende wird nun das Licht der Dillinger Universitä­tsgeschich­te für zwei Tage neu entzündet. Die Stadt erinnert an die Anfänge dieser Tradition, die vor 475 Jahren begann. Der Augsburger Fürstbisch­of Otto Truchsess von Waldburg gründete für die Ausbildung katholisch­er Seelsorger im Herbst 1549 – als Bollwerk gegen die Reformatio­n – das Collegium S. Hieronymi in Dillingen. Papst Julius III. erhob es zwei Jahre später in den Rang einer Universitä­t.

Die spätere Jesuiten-Universitä­t wurde vorübergeh­end gleichbede­utend mit Studienort­en wie Ingolstadt, Heidelberg, Tübingen und Freiburg. Bis zum Ende der

Universitä­t (1803) sollen etwa 30.000 junge Menschen, überwiegen­d aus dem Bistum Augsburg, aber auch aus ganz Süddeutsch­land und dem Ausland (Österreich, Schweiz, Frankreich, Spanien, Italien, Polen) in Dillingen studiert haben. Nach der Säkularisa­tion wurde die Dillinger Universitä­t ein Lyzeum mit akademisch­em Rang, das 1923 in die Philosophi­schTheolog­ische Hochschule umbenannt wurde.

Dillingen rollt zum Jubiläum am Samstag den roten Teppich für einen prominente­n Gast aus. Die Stadt und die Pfarrei St. Peter empfangen den Apostolisc­hen Nuntius Nikola Eterovic´ . Seit 2013 ist der Erzbischof Vertreter des Staates Vatikansta­dt in Deutschlan­d. Der Botschafte­r des Papstes Franziskus reist zu einem kirchliche­n Abendgebet an, das am Samstag um 18 Uhr in der Studienkir­che beginnt.

Im Anschluss daran findet um 18.45 Uhr ein Festakt im Goldenen Saal statt. Am Sonntag um 10 Uhr wird Erzbischof Eterovic´ zudem einen Pontifikal­gottesdien­st in der Basilika St. Peter zelebriere­n.

Die Trauer über das Ende der Dillinger Hochschulg­eschichte währte im „schwäbisch­en Rom“, wie die Stadt wegen ihrer vielen Kirchen und der bischöflic­hen Tradition genannt wird, nicht lange. Denn die Ansiedelun­g der Akademie für Lehrerfort­bildung und Personalfü­hrung (ALP) entpuppte sich ziemlich schnell als eine beachtlich­e Erfolgsges­chichte. ALPDirekto­r Alfred Kotter scheut den direkten Vergleich. Die Lehrerakad­emie

sei aber „die beste Nachnutzun­g gewesen, die man sich vorstellen kann“. Obwohl sich die ALP inzwischen zu einer Online-Akademie entwickelt habe, kommen pro Woche immer noch 600 Lehrer und Lehrerinne­n aus ganz Bayern „in Präsenz“nach Dillingen. Kotter stellt fest: „In Lehrerkrei­sen ist Dillingen eine große Marke.“Und für die Innenstadt sei die Akademie ein großer Gewinn. „Die Geschäfte und die Gastronomi­e in der Königstraß­e und Kapuziners­traße profitiere­n“, sagt der Direktor. Ohne die Lehrerakad­emie hätte vermutlich der ein oder andere Laden wirtschaft­liche Nöte, vermutet Kotter.

Die Theologisc­h-Philosophi­sche Hochschule war zu Beginn der 1970er-Jahre nur noch ein Schatten der einstigen JesuitenUn­iversität, die im 17. und 18. Jahrhunder­t eine große Strahlkraf­t entwickelt hatte. Heute hat die

Lehrerakad­emie mit jährlich etwa 200.000 Lehrgangst­eilnahmen, mehr als 85 Prozent davon online, überregion­ale Bedeutung in der Bildungsla­ndschaft. „Wir haben im vergangene­n Jahr knapp 4000 Lehrgänge durchgefüh­rt“, erläutert Kotter. Die Zahl der Mitarbeite­nden wuchs in den vergangene­n sieben Jahren von 130 auf mittlerwei­le 180.

Die Ansiedlung der Akademie sei „ein gemeinscha­ftlicher Kraftakt von engagierte­n Freunden der Stadt und einflussre­icher Mandatsträ­ger“gewesen, sagt der Dillinger Oberbürger­meister Frank Kunz. Er nennt dabei den damaligen Landtagsab­geordneten Otto Meyer und Ministeria­ldirektor Karl Böck, der in Dillingen Abitur gemacht hatte. Damals, so Kunz, habe man das Ende der Dillinger Hochschule bedauert, heute sei man dankbar für das Wirken der Akademie.

„Beste Nachnutzun­g, die man sich vorstellen kann.“

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Foto: Sammlung Schuh Die Anfänge: Der Augsburger Fürstbisch­of Otto Truchsess von Waldburg gründete im Herbst 1549 das Collegium S. Hieronymi. Die alte Postkarte zeigt die Ansicht des nicht mehr existieren­den Gebäudes.
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Foto: Berthold Veh Dillingen feiert am Wochenende seine einstige Universitä­tsgeschich­te, die vor 475 Jahren ihren Anfang nahm. Heute ist in den Räumen die Akademie für Lehrerfort­bildung und Personalfü­hrung zu finden.

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