„Ehrenamt macht glücklich“
Viele Menschen wollen sich engagieren, aber immer weniger übernehmen tatsächlich Verantwortung. Dabei wäre das gar nicht so schwer, meint die Leiterin der Freiwilligenagentur des Landkreises. Sie gibt Hilfestellung.
Neu-Ulm Ist das Vereinsleben in Gefahr? Immer weniger Menschen wollen Verantwortung übernehmen, zu den Versammlungen kommen immer weniger Mitglieder, Organisationen überaltern oder müssen sich auflösen. „Dabei ist das Vereinswesen volkswirtschaftlich unbezahlbar und unverzichtbar“, sagt Ulrike Spieß. Sie ist Diplompädagogin und Leiterin der Freiwilligenagentur „Hand in Hand“des Landkreises Neu-Ulm. Die war früher beim Landratsamt angedockt, doch seit zwei Jahren wird sie im offiziellen Auftrag der Kreisverwaltung von den Maltesern betrieben.
Sie kümmert sich um das Engagement von Freiwilligen im ländlichen Raum, denn die Stadt NeuUlm betreibt eine eigene Ehrenamtsbörse. Trotz aller akuten Probleme findet es Ulrike Spieß verblüffend, „wie gut das im ländlichen Raum noch funktioniert. Was da bei Veranstaltungen gewuppt wird, finde ich toll.“Dennoch benötigen viele Organisationen Unterstützung, vor allem bei der Suche nach Leuten, die tatsächlich Verantwortung übernehmen wollen. Davor scheuen viele zurück.
Das lässt sich sogar in Zahlen ausdrücken, die dem sogenannten Freiwilligensurvey entstammen. Das ist eine repräsentative Befragung, deren Daten alle fünf Jahre erhoben werden. Die letzten Ergebnisse stammen von 2019, die für dieses Jahr stehen noch nicht zur Verfügung. Demnach engagieren sich knapp 40 Prozent der Deutschen in einem Ehrenamt. Vor 20 Jahren lag dieser Wert nur bei 30 Prozent und blieb rund ein Jahrzehnt in etwa gleich. Seit 2014 hat er einen Sprung in Richtung 40-Prozent-Marke gemacht. Doch während sich eine wachsende Zahl von Menschen engagiert, wollen aber immer weniger Verantwortung übernehmen. 1999 hatten 36,8 Prozent der freiwillig Engagierten eine Leitungs- oder Vorstandsfunktion inne, 2019 sind es nur noch 26,3 Prozent.
Nach Erfahrung von Ulrike Spieß hängt das mit tradierten
Vorurteilen über das Vereinswesen zusammen, das lange geprägt war von Vorsitzenden, die lange an der Spitze standen, sich um alles gekümmert und viel Zeit auf ihr Ehrenamt verwendet haben. Das wirke auf viele heute abschreckend. Dazu gehöre auch das Märchen, dass man als Verantwortlicher stets mit einem Bein im Gefängnis stehe. Spieß beteuert: „Das stimmt so nicht, da muss man schon groß fahrlässig handeln und das tun die wenigsten.“
Ihre Aufgabe sieht sie unter anderem darin, den Leute zu vermitteln, dass es gar nicht so schlimm sei, einen Vorstandsposten anzunehmen. „Man kann die Aufgaben sehr gut auf mehrere Schultern verteilen. Man hat nicht immer viel zu tun.“Vieles lasse sich mit einer Modernisierung der Satzung regeln, die Spielräume seien da groß. Sie will deshalb den Engagierten die Angst nehmen, sich an die Spitze einer Organisation zu stellen.
Aber auch an der breiten Masse fehlt es zuweilen. Während Sportvereine, Feuerwehren und Tier- sowie Naturschutzorganisationen eher wenige Probleme haben, Mitglieder zu gewinnen, sieht es etwa bei Chören oder in der Heimatpflege deutlich schlechter aus. Die Coronazeit hat offenbar deutliche Spuren hinterlassen. Nach den Erfahrungen der Freiwilligenagentur hat das Engagement der Mitglieder deutlich nachgelassen, auch bei den Hauptversammlungen sei der Zuspruch deutlich geringer geworden.
Um nicht nur den Vereinen, sondern allen, die sich für ein freiwilliges Engagement interessieren, Hilfestellungen zu geben, bietet die Freiwilligenagentur unter anderem Schulungen, Workshops und Treffen an und verfügt über eine üppig mit Infos bestückte Homepage. Auf der findet sich auch eine Art Vermittlungsbörse für alle, die sich einsetzen wollen und dafür noch die geeignete Organisation suchen, und auch für solche, die nach Freiwilligen suchen. Aktuell sucht etwa die Kripo Mimen für eine Großübung.
Da viele Engagierte gegenüber einem kleinen Dankeschön nicht abgeneigt sind, gibt es mittlerweile die Ehrenamtscard, die von der Freiwilligenagentur ausgegeben wird. Sie stellt eine Art Bonuskarte für Engagierte dar. Mit ihr bekommt man in ausgewählten Geschäften Rabatt oder kann damit kostenlos mit der Weißen Flotte über bayerische Seen schippern. Nach den Worten von Ulrike Spieß gibt es im Landkreis Neu-Ulm 32 sogenannte Akzeptanzstellen, wo die Karte einen echten Trumpf darstellt. Im gesamten Freistaat seien es rund 4000. Über Nachfrage kann sich Ulrike Spieß nicht beklagen. Fast 2000 gültige Kärtchen sind bei der Agentur registriert. Manche davon haben eine goldene Farbe: Wer sich 25 Jahre lang engagiert hat, bekommt sie mit lebenslanger Gültigkeit.
Auch wenn die Zeiten für manche Organisation schwieriger geworden sind, ist Ulrike Spieß um das Vereinsleben im Landkreis Neu-Ulm nicht bang. Wer ein Ehrenamt übernehme, der finde auch Freunde, das helfe gegen Einsamkeit, und: „Ehrenamt macht glücklich.“