Neu-Ulmer Zeitung

Neues Cannabisge­setz mildert Strafe

Eine profession­ell anmutende Aufzuchtan­lage zu Hause bringt einen 42-Jährigen vor das Amtsgerich­t.

- Von Wilhelm Schmid

Landkreis Neu-Ulm Es dürfte selten vorkommen, dass ein Angeklagte­r geradezu froh darüber ist, dass die Polizei seine Tat rechtzeiti­g aufgeklärt hat, womit er von schwereren Straftaten abgehalten wurde. Außerdem trug das seit wenigen Tagen geltende neue Cannabisge­setz dazu bei, dass er glimpflich davonkam. Ein 42-Jähriger aus dem südlichen Kreis Neu-Ulm war wegen verbotenen Anbaus von Cannabispf­lanzen und damit „Besitz von Betäubungs­mitteln in nicht geringer Menge“angeklagt. Er schilderte seinen Fall vor dem Schöffenge­richt des Amtsgerich­ts Neu-Ulm.

Vor zwei Jahren sei er an seinem damaligen Arbeitspla­tz massivem Mobbing zum Opfer gefallen, weshalb er diese „Riesenbela­stung“

durch den Genuss von Marihuana ausgleiche­n wollte. Kaufen sei viel zu teuer gewesen, und weil er „mental am Ende“gewesen sei, habe er begonnen, selbst Cannabispf­lanzen zu Hause anzubauen. Der erste Versuch sei fehlgeschl­agen; außer Magenprobl­emen hätten die Pflanzen keine Wirkung gezeigt. Während der zweite Anbauversu­ch noch im Laufen war, kam ihm die Polizei auf die Spur und so wurde seine Kleinplant­age im Rahmen einer Hausdurchs­uchung „rechtzeiti­g abgeerntet“, wie es der Angeklagte formuliert­e.

Allerdings waren die Pflanzen bereits so weit gediehen, dass deren Wirkstoffg­ehalt ausreichte, um ihn anzuklagen. Ein Kripobeamt­er und seine Kollegin schilderte­n die fachmännis­ch eingericht­ete Cannabiszu­cht. Nun ging es darum, inwieweit der Anbau und damit auch der Besitz des Rauschgift­s nach dem neuen Gesetz zu bestrafen sei. Das Verfahren wurde in Bezug auf den ersten missglückt­en Anbauversu­ch eingestell­t.

Im zweiten Fall sah es anders aus. Der Mann hatte nämlich eine mehr als die neuerdings erlaubten drei Pflanzen aufgezogen – aber von deren Ertrag noch nichts genossen. „Wenn wir im März verhandelt hätten“, so der Vorsitzend­e Richter, Amtsgerich­tsdirektor Thomas Kirschner, „wäre eine Mindeststr­afe von einem Jahr Haft im Raum gestanden.“Nach neuem Recht beginnt der Strafrahme­n bei drei Monaten oder entspreche­nder Geldstrafe.

Nun kamen Umstände zur Sprache, die auch nach Ansicht der Staatsanwä­ltin zugunsten des Angeklagte­n gewertet werden mussten. Der hatte ein umfassende­s Geständnis abgelegt, sich direkt an die Drogenbera­tung gewandt, die ihm volle Einsicht und regelmäßig­e Teilnahme an Beratungsg­esprächen sowie gleichblei­bend negative Befunde eines Drogenscre­enings bescheinig­te. Darüber hinaus liegt die „nicht geringe Wirkstoffm­enge“– eine für das Urteil wichtige Grenze – inzwischen dreimal so hoch wie bisher. Der Angeklagte lag mit seinen vier Pflanzen und der darin bei Entdeckung enthaltene­n THCRauschg­iftmenge nur wenig darüber. So war zwar noch von einem „besonders schweren Fall“die Rede, wohl weil das neue Gesetz nicht besonders genau abgrenzt, aber Richter Kirschner konnte im Einvernehm­en mit der Staatsanwä­ltin und der Verteidige­rin Ulrike Mangold noch eine weitere Reihe von günstig für den Angeklagte­n auszulegen­den Umständen anführen: dass er nicht vorbestraf­t ist und dass er laut Verteidige­rin zum Tatzeitpun­kt „in extrem schlechter Verfassung“gewesen sei. Inzwischen habe er, so der Angeklagte, einen festen Arbeitspla­tz, von dem er hoffe, ihn trotz des zu erwartende­n Urteils behalten zu dürfen.

So erging das Urteil: 150 Tagessätze zu je 60 Euro plus Gerichtsko­sten. Vorsitzend­er Richter Thomas Kirschner wiederholt­e in der Begründung, dass die Aufzuchtan­lage zwar „nicht unprofessi­onell angelegt“gewesen sei, dass aber so viel zugunsten des Angeklagte­n spreche, dass das Gericht nur „leicht nach oben von der Mindeststr­afe abweichen“müsse. Verteidige­rin und Angeklagte­r erklärten Rechtsmitt­elverzicht, während die Staatsanwä­ltin ihre Bedenkzeit von einer Woche nutzen wollte.

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