Neues Cannabisgesetz mildert Strafe
Eine professionell anmutende Aufzuchtanlage zu Hause bringt einen 42-Jährigen vor das Amtsgericht.
Landkreis Neu-Ulm Es dürfte selten vorkommen, dass ein Angeklagter geradezu froh darüber ist, dass die Polizei seine Tat rechtzeitig aufgeklärt hat, womit er von schwereren Straftaten abgehalten wurde. Außerdem trug das seit wenigen Tagen geltende neue Cannabisgesetz dazu bei, dass er glimpflich davonkam. Ein 42-Jähriger aus dem südlichen Kreis Neu-Ulm war wegen verbotenen Anbaus von Cannabispflanzen und damit „Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“angeklagt. Er schilderte seinen Fall vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Neu-Ulm.
Vor zwei Jahren sei er an seinem damaligen Arbeitsplatz massivem Mobbing zum Opfer gefallen, weshalb er diese „Riesenbelastung“
durch den Genuss von Marihuana ausgleichen wollte. Kaufen sei viel zu teuer gewesen, und weil er „mental am Ende“gewesen sei, habe er begonnen, selbst Cannabispflanzen zu Hause anzubauen. Der erste Versuch sei fehlgeschlagen; außer Magenproblemen hätten die Pflanzen keine Wirkung gezeigt. Während der zweite Anbauversuch noch im Laufen war, kam ihm die Polizei auf die Spur und so wurde seine Kleinplantage im Rahmen einer Hausdurchsuchung „rechtzeitig abgeerntet“, wie es der Angeklagte formulierte.
Allerdings waren die Pflanzen bereits so weit gediehen, dass deren Wirkstoffgehalt ausreichte, um ihn anzuklagen. Ein Kripobeamter und seine Kollegin schilderten die fachmännisch eingerichtete Cannabiszucht. Nun ging es darum, inwieweit der Anbau und damit auch der Besitz des Rauschgifts nach dem neuen Gesetz zu bestrafen sei. Das Verfahren wurde in Bezug auf den ersten missglückten Anbauversuch eingestellt.
Im zweiten Fall sah es anders aus. Der Mann hatte nämlich eine mehr als die neuerdings erlaubten drei Pflanzen aufgezogen – aber von deren Ertrag noch nichts genossen. „Wenn wir im März verhandelt hätten“, so der Vorsitzende Richter, Amtsgerichtsdirektor Thomas Kirschner, „wäre eine Mindeststrafe von einem Jahr Haft im Raum gestanden.“Nach neuem Recht beginnt der Strafrahmen bei drei Monaten oder entsprechender Geldstrafe.
Nun kamen Umstände zur Sprache, die auch nach Ansicht der Staatsanwältin zugunsten des Angeklagten gewertet werden mussten. Der hatte ein umfassendes Geständnis abgelegt, sich direkt an die Drogenberatung gewandt, die ihm volle Einsicht und regelmäßige Teilnahme an Beratungsgesprächen sowie gleichbleibend negative Befunde eines Drogenscreenings bescheinigte. Darüber hinaus liegt die „nicht geringe Wirkstoffmenge“– eine für das Urteil wichtige Grenze – inzwischen dreimal so hoch wie bisher. Der Angeklagte lag mit seinen vier Pflanzen und der darin bei Entdeckung enthaltenen THCRauschgiftmenge nur wenig darüber. So war zwar noch von einem „besonders schweren Fall“die Rede, wohl weil das neue Gesetz nicht besonders genau abgrenzt, aber Richter Kirschner konnte im Einvernehmen mit der Staatsanwältin und der Verteidigerin Ulrike Mangold noch eine weitere Reihe von günstig für den Angeklagten auszulegenden Umständen anführen: dass er nicht vorbestraft ist und dass er laut Verteidigerin zum Tatzeitpunkt „in extrem schlechter Verfassung“gewesen sei. Inzwischen habe er, so der Angeklagte, einen festen Arbeitsplatz, von dem er hoffe, ihn trotz des zu erwartenden Urteils behalten zu dürfen.
So erging das Urteil: 150 Tagessätze zu je 60 Euro plus Gerichtskosten. Vorsitzender Richter Thomas Kirschner wiederholte in der Begründung, dass die Aufzuchtanlage zwar „nicht unprofessionell angelegt“gewesen sei, dass aber so viel zugunsten des Angeklagten spreche, dass das Gericht nur „leicht nach oben von der Mindeststrafe abweichen“müsse. Verteidigerin und Angeklagter erklärten Rechtsmittelverzicht, während die Staatsanwältin ihre Bedenkzeit von einer Woche nutzen wollte.