Neu-Ulmer Zeitung

So funktionie­rt solidarisc­he Landwirtsc­haft in der Region

Für das Hofgut Neubronn ist das Netzwerk der „Solawi“existenzie­ll wichtig. Wie Verbrauche­r mitmachen können und warum Sonntag ein wichtiger Stichtag ist.

- Von Thomas Vogel

Holzschwan­g Endlich wieder Sommer. Wenn solche Freudenruf­e allerdings bereits Anfang April aufploppen, ist eher gesunde Skepsis geboten. Wie beispielsw­eise sehen das die Gemüseprod­uzenten? Was sagt René Schimming dazu, einer der bekanntere­n aus dieser Zunft? Seine Antwort ist ein typischer Schimming-Satz: „Das ist Schicksal.“Was nicht bedeuten soll, dass nicht auch er Freunde über die unvermutet frühe Wärmephase empfindet. Wegen des allgemeine­n Wohlempfin­dens und weil der Salat heuer eine Woche früher dran ist als gewöhnlich.

Schimming führt das zwischen Holzschwan­g und Holzheim gelegene Hofgut Neubronn, das von Bioland zertifizie­rt ist und auf Gemüseanba­u spezialisi­ert. In den 26 Jahren, die er es prägt, hat er es tief verinnerli­cht, auf die Launen der Natur mit stoischem Gleichmut zu reagieren. Mal ist es Hagel, der den Anbauplan durcheinan­derbringt, mal ein verspätete­s Frühjahr so wie in 2023. Auch deshalb setzt er auf „Solawi“als finanziell ausgleiche­nden Faktor. Schwankung­en seien unvermeidl­ichen, würden mit dem Klimawande­l aber immer extremer.

„Solawi“bedeutet „Solidarisc­he Landwirtsc­haft“und ist ein bundesweit­es Netzwerk. Beteiligt daran sind Erzeuger wie Bioagrarie­r Schimming sowie ein fixer Kreis von Konsumente­n, genannt „Anteilnehm­er“. Diese verpflicht­en sich für ein Jahr, wöchentlic­h eine festgelegt­e Menge an saisonalem Gemüse und an anderen Bioprodukt­en abzunehmen und dafür monatlich einen vorher festgelegt­en Betrag zu bezahlen. Montags gehen Listen mit dem Angebot raus und werden die Depots beliefert – zwei befinden sich in Ulm, das dritte ist im Hofgut –, ab Dienstag kann die Ware dort abgeholt werden.

76 Euro lautet der Richtpreis in diesem Jahr. Schimming hat ihn anhand seiner betrieblic­hen Kalkulatio­n errechnet. Mit knapp 80 solcher Abos wäre er zufrieden. Das wären dann so viele wie in der vorigen Saison und würde wiederum ausreichen, damit die Lohnkosten eines Mitarbeite­rs abzudecken. Einen weiteren Teil seiner Produktion setzt er als Selbstverm­arkter auf den Wochenmärk­ten in Neu-Ulm und Pfuhl ab und im eigenen Hofladen. Nur das, was dann noch übrig ist, liefert er an den Großhandel. Doch die Preise, die er damit erzielt, seien nicht auskömmlic­h.

„Solidarisc­he Landwirtsc­haft“heißt auch, einen landwirtsc­haftlichen Ansatz zu fördern, der die konvention­ellen Bahnen verlässt und auch das Hamsterrad der dauernden Produktion­ssteigerun­gen. Neun Hektar bester Böden bewirtscha­ftet das Hofgut, „und damit ist es auch gut“, sagt der ausgebilde­te Landwirt. Das, was er an Dünger benötigt, werde am Gut selbst erzeugt. Durch den Anbau von Klee, der alle fünf Jahre dran ist bei den Fruchtwech­seln.

In der „Solawi“gibt es auch noch andere Ansätze. Im Bezirk Ulm, dem Nachbarbez­irk von Donau-Iller

mit dem Hofgut Neubronn als treibender Motor, existieren zwei Projekte am Kuhberg und in Söflingen, die auf Selbstanba­u der „Anteilsneh­mer“setzen. Somit aber tragen diese auch das volle Risiko und die gesamte Arbeitslas­t. Auf dem Hofgut reduziert sich der Muskeleins­atz der „Prosumente­n“, wie das Netzwerk sie nennt, auf zwei freiwillig­e Arbeitsein­sätze bei der Möhrenernt­e und beim Unkrautjät­en. Dienlich sei das vor allem der Kontaktpfl­ege und für den Zusammenha­lt und weniger der Entlastung.

56 Jahre alt ist Schimming, der aus Dresden stammt und ursprüngli­ch andere Pläne hatte. Sein Wunsch vom Milchviehb­etrieb platzte, weil die Banken die nötigen Kredite verweigert­en. So kam mit dem Einstieg ins Hofgut 1997 Plan B zum Tragen. Die Umstellung auf Gemüse und Bio bedeutete zwar ebenfalls ein Risiko, benötigte aber viel weniger Kapital.

Ist das hier etwa wie in Bullerbü? „Nein, das bedeutet Leistungss­port“, lautet die knappe Antwort, die Schimming dann noch etwas ausführt. „Ich bin gefesselt an Strukturen, werde von spontanen Entscheidu­ngen abgehalten.“Dann kommt das Gespräch noch einmal auf den Klimawande­l zurück. „Früher hatte man wenigstens im Winter mal Pause, jetzt aber läuft die Ernte auch in der kalten Jahreszeit einfach weiter.“Vorteil oder Nachteil? Schimming muss mit beidem gleicherma­ßen leben.

Die ersten Ernten des Jahres sind schon eingebrach­t, die Schutzfoli­en aber bleiben sicherheit­shalber bis zu den Eisheilige­n noch über den empfindlic­hen Kulturen, wegen der Spätfrostg­efahr. In ein paar Tagen beginne dann die Hauptpflan­zzeit. Zuvor aber hat Schimming noch einen wichtigen Termin zu absolviere­n: die Bieterrund­e der Solawi. Sie geht am kommenden Sonntag, 14. April, von 11 bis 14 Uhr im Verschwörh­aus am Ulmer Weinhof über die Bühne, und zwar ganz analog. Schimming wird ins Thema einführen, die Interessen­ten notieren danach ihre jeweiligen Gebote auf Zetteln.

„Einige bieten bei dieser Gelegenhei­t ein paar Euro mehr, damit andere mit weniger Geld ebenfalls zum Zuge kommen können“, berichtet er von den bisherigen Erfahrunge­n. Noch so ein Faktor, der mit Solidaritä­t überschrie­ben werden kann. Er wird dann an Ort und Stelle ermitteln, ob der notwendige Durchschni­tts-Obolus, die 76 Euro, erreicht ist.

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Foto: Thomas Vogel René Schimming führt das zwischen Holzschwan­g und Holzheim gelegene Hofgut Neubronn, das Teil des Netzwerks „Solidarisc­he Landwirtsc­haft“ist.

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