So funktioniert solidarische Landwirtschaft in der Region
Für das Hofgut Neubronn ist das Netzwerk der „Solawi“existenziell wichtig. Wie Verbraucher mitmachen können und warum Sonntag ein wichtiger Stichtag ist.
Holzschwang Endlich wieder Sommer. Wenn solche Freudenrufe allerdings bereits Anfang April aufploppen, ist eher gesunde Skepsis geboten. Wie beispielsweise sehen das die Gemüseproduzenten? Was sagt René Schimming dazu, einer der bekannteren aus dieser Zunft? Seine Antwort ist ein typischer Schimming-Satz: „Das ist Schicksal.“Was nicht bedeuten soll, dass nicht auch er Freunde über die unvermutet frühe Wärmephase empfindet. Wegen des allgemeinen Wohlempfindens und weil der Salat heuer eine Woche früher dran ist als gewöhnlich.
Schimming führt das zwischen Holzschwang und Holzheim gelegene Hofgut Neubronn, das von Bioland zertifiziert ist und auf Gemüseanbau spezialisiert. In den 26 Jahren, die er es prägt, hat er es tief verinnerlicht, auf die Launen der Natur mit stoischem Gleichmut zu reagieren. Mal ist es Hagel, der den Anbauplan durcheinanderbringt, mal ein verspätetes Frühjahr so wie in 2023. Auch deshalb setzt er auf „Solawi“als finanziell ausgleichenden Faktor. Schwankungen seien unvermeidlichen, würden mit dem Klimawandel aber immer extremer.
„Solawi“bedeutet „Solidarische Landwirtschaft“und ist ein bundesweites Netzwerk. Beteiligt daran sind Erzeuger wie Bioagrarier Schimming sowie ein fixer Kreis von Konsumenten, genannt „Anteilnehmer“. Diese verpflichten sich für ein Jahr, wöchentlich eine festgelegte Menge an saisonalem Gemüse und an anderen Bioprodukten abzunehmen und dafür monatlich einen vorher festgelegten Betrag zu bezahlen. Montags gehen Listen mit dem Angebot raus und werden die Depots beliefert – zwei befinden sich in Ulm, das dritte ist im Hofgut –, ab Dienstag kann die Ware dort abgeholt werden.
76 Euro lautet der Richtpreis in diesem Jahr. Schimming hat ihn anhand seiner betrieblichen Kalkulation errechnet. Mit knapp 80 solcher Abos wäre er zufrieden. Das wären dann so viele wie in der vorigen Saison und würde wiederum ausreichen, damit die Lohnkosten eines Mitarbeiters abzudecken. Einen weiteren Teil seiner Produktion setzt er als Selbstvermarkter auf den Wochenmärkten in Neu-Ulm und Pfuhl ab und im eigenen Hofladen. Nur das, was dann noch übrig ist, liefert er an den Großhandel. Doch die Preise, die er damit erzielt, seien nicht auskömmlich.
„Solidarische Landwirtschaft“heißt auch, einen landwirtschaftlichen Ansatz zu fördern, der die konventionellen Bahnen verlässt und auch das Hamsterrad der dauernden Produktionssteigerungen. Neun Hektar bester Böden bewirtschaftet das Hofgut, „und damit ist es auch gut“, sagt der ausgebildete Landwirt. Das, was er an Dünger benötigt, werde am Gut selbst erzeugt. Durch den Anbau von Klee, der alle fünf Jahre dran ist bei den Fruchtwechseln.
In der „Solawi“gibt es auch noch andere Ansätze. Im Bezirk Ulm, dem Nachbarbezirk von Donau-Iller
mit dem Hofgut Neubronn als treibender Motor, existieren zwei Projekte am Kuhberg und in Söflingen, die auf Selbstanbau der „Anteilsnehmer“setzen. Somit aber tragen diese auch das volle Risiko und die gesamte Arbeitslast. Auf dem Hofgut reduziert sich der Muskeleinsatz der „Prosumenten“, wie das Netzwerk sie nennt, auf zwei freiwillige Arbeitseinsätze bei der Möhrenernte und beim Unkrautjäten. Dienlich sei das vor allem der Kontaktpflege und für den Zusammenhalt und weniger der Entlastung.
56 Jahre alt ist Schimming, der aus Dresden stammt und ursprünglich andere Pläne hatte. Sein Wunsch vom Milchviehbetrieb platzte, weil die Banken die nötigen Kredite verweigerten. So kam mit dem Einstieg ins Hofgut 1997 Plan B zum Tragen. Die Umstellung auf Gemüse und Bio bedeutete zwar ebenfalls ein Risiko, benötigte aber viel weniger Kapital.
Ist das hier etwa wie in Bullerbü? „Nein, das bedeutet Leistungssport“, lautet die knappe Antwort, die Schimming dann noch etwas ausführt. „Ich bin gefesselt an Strukturen, werde von spontanen Entscheidungen abgehalten.“Dann kommt das Gespräch noch einmal auf den Klimawandel zurück. „Früher hatte man wenigstens im Winter mal Pause, jetzt aber läuft die Ernte auch in der kalten Jahreszeit einfach weiter.“Vorteil oder Nachteil? Schimming muss mit beidem gleichermaßen leben.
Die ersten Ernten des Jahres sind schon eingebracht, die Schutzfolien aber bleiben sicherheitshalber bis zu den Eisheiligen noch über den empfindlichen Kulturen, wegen der Spätfrostgefahr. In ein paar Tagen beginne dann die Hauptpflanzzeit. Zuvor aber hat Schimming noch einen wichtigen Termin zu absolvieren: die Bieterrunde der Solawi. Sie geht am kommenden Sonntag, 14. April, von 11 bis 14 Uhr im Verschwörhaus am Ulmer Weinhof über die Bühne, und zwar ganz analog. Schimming wird ins Thema einführen, die Interessenten notieren danach ihre jeweiligen Gebote auf Zetteln.
„Einige bieten bei dieser Gelegenheit ein paar Euro mehr, damit andere mit weniger Geld ebenfalls zum Zuge kommen können“, berichtet er von den bisherigen Erfahrungen. Noch so ein Faktor, der mit Solidarität überschrieben werden kann. Er wird dann an Ort und Stelle ermitteln, ob der notwendige Durchschnitts-Obolus, die 76 Euro, erreicht ist.